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Arbeitnehmerorganisationen als Akteur:innen der europäischen Antiinflationspolitik und als Innovationsmotor

Vom 21. bis 22. März 2023 fand in Brüssel die jährliche EZA-Konferenz statt, dieses Jahr zum Thema „Arbeitnehmerorganisationen als Akteur:innen der europäischen Antiinflationspolitik und als Innovationsmotor“. Die Konferenz wurde finanziert durch die europäische Union. 70 Vertreter:innen von Arbeitnehmerorganisationen aus Belgien, Deutschland, den Niederlanden, Frankreich, Spanien, Portugal, Italien, Malta, Rumänien, Bulgarien, Polen, Litauen, Österreich, Luxemburg, Albanien, Serbien und Griechenland nahmen an der Konferenz teil.

Die Konferenz begann mit einem Überblick über die EU-Sozialagenda im Kontext der steigenden Inflation durch Antoine Kasel, Kabinettschef von Nicolas Schmit, EU-Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte.

Der Kontext, in dem die Europäische Kommission (EK) jetzt handeln muss, ist ein völlig anderer als zu Beginn der Legislaturperiode im Jahr 2019. Die europäischen Arbeitnehmer:innen und Bürger:innen sehen sich mit einem Anstieg der Lebenshaltungskosten konfrontiert, der durch die Pandemie und den von Russland begonnenen Krieg noch nie so stark war. Das Ergebnis ist eine explodierende Inflation, die sich nun etwas verlangsamt. Auf der anderen Seite zeigt sich der Arbeitsmarkt widerstandsfähig und die Maßnahmen zur Förderung der Kurzarbeit haben sich positiv ausgewirkt. Dennoch wurden Haushalte mit niedrigem Einkommen und die untere Mittelschicht extrem hart getroffen und sind weiterhin gefährdet.

Die Unternehmen leiden unter dem Anstieg der Energiepreise, dem starken Wettbewerb aus Asien und dem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. Dieser Mangel an Arbeitskräften und Qualifikationen erschwert eine Weiterentwicklung. Laut der Europäischen Arbeitsbehörde (ELA) herrscht in etwa 28 Berufen ein großer Mangel. Am schlimmsten trifft es die Dienstleistungsbranche, die Pflege und einige Technologiebranchen. Umschulungen und Höherqualifizierungen sind für die kommende Zeit für den Wandel entscheidend.

Die Richtlinie über den Mindestlohn war eine gute Gesetzesinitiative, und die kürzlich angenommene Empfehlung zum Mindesteinkommen muss mehr Sicherheit bieten und sicherstellen, dass in der EU niemand zurückgelassen wird. Obwohl es sich bei einer Empfehlung um ein nicht zwingendes Rechtsinstrument handelt, regt sie die Mitgliedstaaten zum Handeln an und wird langfristig zu Ergebnissen führen.

Die Europäische Kommission reagiert gleichzeitig auf verschiedene Bereiche, wie die Förderung der Kaufkraft, die Unterstützung der Industrie in Bezug auf Rohstoffe, den Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten, Kompetenzen und die Anerkennung von Qualifikationen, die Sorgfaltspflicht in der Lieferkette usw. Gleichzeitig muss die EU die Entwicklungen in den USA mit ihrer eher nationalistischen Agenda zum Schutz der Wirtschaft aufmerksam verfolgen, während sie selbst trotzdem eine offene Wirtschaft bleibt.

Mehr und hochwertige Arbeitsplätze, angemessene Löhne, mehr erwerbstätige Frauen und Kinderbetreuungsmöglichkeiten als Unterstützung. Die europäische soziale Marktwirtschaft braucht auch gute Bildungschancen sowie erschwinglichen und nachhaltigen Wohnraum – der Kompass für die EG ist dabei die Europäische Säule sozialer Rechte (EPSR). Die Kommission will die darin enthaltenen 20 Grundsätze umsetzen. Auf dem Gipfeltreffen in Porto wurden Ziele definiert, darunter auch die Verringerung der Armutszahlen. Die EG muss dabei die Ergebnisse im Blick behalten.

Der Eckpfeiler dieser Sozialagenda ist der soziale Dialog: Sozialpartner:innen sind wichtig, und die EG bietet ein umfangreiches Maßnahmenpaket zu dessen Unterstützung an. Das größte Hindernis liegt jedoch in den Bestimmungen der EU-Verträge, in denen die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen nationaler und EU-Ebene festgelegt werden. Bei vielen Themen liegt die Zuständigkeit bei den Mitgliedstaaten und nicht auf der EU-Ebene. Dies erfordert eine gute Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der EU. Es wäre besser, dabei mehr Kompetenzen auf die EU-Ebene zu übertragen, so weit reichen die Verträge jedoch nicht.

Die derzeitige Krise legt den Finger in die Wunde und verlangt von uns, sich von der Vorstellung zu verabschieden, dass alles billig gemacht werden kann. Für diesen Sinneswandel benötigt die EU die Beteiligung der Bürger:innen.

Ein Teilnehmer schlug vor, sich den Ansatz der Reform der Bildungssysteme in allen europäischen Ländern anzusehen. Auch hier liegt die Zuständigkeit bei den Mitgliedstaaten, aber die Reform basierte auf der gemeinsamen Verpflichtung der Länder zur Zusammenarbeit. Warum sollte dies nicht auch für soziale Fragen möglich sein?

Diskussion mit den Zuhörer:innen:

Frage: Es besteht ein großer Unterschied zwischen der Entwicklung in städtischen und industriellen Gebieten und in ländlichen Gebieten. Es ist unklar, wie die Mitgliedstaaten die sozialpolitischen Maßnahmen und Empfehlungen der EU umsetzen. Betrachtet man die Betreuungsstrategie, die Beschäftigung und die informelle Beschäftigung sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, so ist dies im ländlichen Raum eine Utopie. Wir können all das zwar als soziale Menschenrechte betrachten, sie sind für die Menschen in den ländlichen Gebieten mit weniger öffentlichen Dienstleistungen jedoch nicht gewährleistet. Wie kann die EU das also ändern? Sind die Menschen auf dem Land stärker betroffen? Und was ist mit der Politik der Banken?

Antwort: Zugang ist einer der Grundsätze der EPSR, und das gilt auch für die ländlichen Gebiete. Die Umsetzung liegt in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, und wir wissen, dass dies in der EU nicht einheitlich ist. Wir haben versucht, auf EU-Ebene eigene Mittel zu bekommen. Nur 1 % des BIP. Wir haben Europa geschaffen, aber dazu brauchen wir die Europäer, und das wird nicht umgesetzt. Die Europäische Kommission möchte auf lokaler Ebene tätig werden, aber manchmal wird sie von den Mitgliedstaaten nicht unterstützt. Die EG möchte, dass Langzeitpflege für alle erschwinglich und gerecht ist, aber in Wirklichkeit hängt sie von den Initiativen der Mitgliedstaaten ab.

Frage: Zu den neuen Themen gehören die Verteidigung und der Bedarf an neuen Rohstoffarten zur Herstellung neuer Produkte im Rahmen neuer Technologien. Wie kann die EU dazu beitragen?

Antwort: Der Handlungsspielraum der EU bei diesen Themen hängt auch von den Bestimmungen der Verträge ab, und manchmal ist es besser, eine stärkere EU-Regierung zu haben. So fällt zum Beispiel die Verteidigung nicht in die Zuständigkeit der EU, Anfang der Woche gab es jedoch eine Vereinbarung über den gemeinsamen Kauf von Munition. Die Umstellung auf eine grüne Wirtschaft verlangt eine gute Regierungsführung. Vor der Umstellung konnten die Menschen billig einkaufen. Das ändert sich jetzt und die Unsicherheit nimmt zu, wir brauchen ein Gleichgewicht. Eine menschenwürdige Arbeit und Sorgfaltspflicht sind in einer EU-Verordnung verankert.

Frage: Die Empfehlung für ein Mindesteinkommen greift nicht weit genug, um Veränderungen unterstützen zu können.

A. Die EG kann nur im Rahmen der Verträge handeln. Empfehlungen stellen eine Möglichkeit dar, gegenüber den Mitgliedstaaten Druck aufzubauen. Obwohl sie als nicht zwingendes Recht gelten, sind sie hilfreich, und ihre Wirkung ist manchmal besser als erhofft.

Frage: Viele junge Menschen leben in einer prekären Situation. Das ist nicht nur ein Qualifikationsproblem, sondern auch ein Problem der niedrigen Löhne, die zu Armut, nicht bezahlbarem Wohnraum und einer Reihe anderer Probleme führen. Zum Thema Armut: 91 Millionen Bürger:innen leben unterhalb der Armutsgrenze. Das ist enorm und hat allerhöchste Priorität in der Sozialpolitik.

Antwort: Wie beim Gipfeltreffen in Porto erklärt, müssen wir diese Zahl dringend reduzieren. Die EG nimmt das ernst und fühlt sich für weitere Maßnahmen verantwortlich.

Frage: Die EU ist ein alter Kontinent und hat einen Mangel an Arbeitskräften. Wir haben bereits Migrant:innen, die sehr flexibel arbeiten. Einige von ihnen arbeiten sogar als Sklav:innen innerhalb der Arbeitsarmut, hier ist eine bessere Politik erforderlich.

Antwort: Wir brauchen eine klare Politik. Die EG und die Mitgliedstaaten müssen gemeinsam entscheiden. Das ist nicht nur ein Thema für Brüssel. Die Migrationspolitik ist ein großes Problem. Einige sind dafür und andere dagegen. Der Mindestlohn gilt für alle gleich, auch für Migrant:innen.

PANEL I: Sicherung der Kaufkraft der Bürger:innen.

Im von Pedro Estevao, Mitglied des wissenschaftlichen Rates, CoLABOR, und nationaler Koordinator, BASE-FUT, moderierten Panel wurden folgende Unterthemen behandelt:

  • Strategien für den sozialen Dialog in Zeiten der Inflation: die Perspektive der Arbeitnehmer:innen von Veselin Mitov, Internationaler Sekretär für Europapolitik, Bulgarischer Gewerkschaftsbund Podkrepa.
  • Strategien für den sozialen Dialog in Zeiten der Inflation: die Perspektive der Arbeitgeber:innen von Isaline Ossieur, Beraterin, BusinessEurope.
  • Sicherung der Kaufkraft der Bürger:innen: die neuesten Initiativen auf EU-Ebene von Dennis Radtke, MdEP und EVP-Koordinator für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten.
  • Eine rechtzeitige und wirksame Umsetzung der Richtlinie über angemessene Mindestlöhne von Torsten Müller, Senior Researcher, Europäisches Gewerkschaftsinstitut (ETUI).

Für die Inflation ist jeder verantwortlich. Sie ist ein unvorhergesehenes Phänomen, und es gibt keine Patentlösung für alle.

Veselin Mitov: Kaufkraft und Inflation sind keine neuen Themen, aber die aktuelle Situation ist außergewöhnlich. Drei Generationen von EU-Bürger:innen kannten diese Art von Inflation nicht und lebten in einem stabileren wirtschaftlichen Umfeld. Durch die Coronapandemie und den russischen Angriffskrieg, der sich stark auf die Energiepreise auswirkt, wurde die Wirtschaft massiv gestört. In der EU kann allgemein beobachtet werden, dass diese Inflation sich stark auf die Arbeitnehmer:innen mit niedrigen Löhnen auswirkt, und diese Beobachtung gilt gleichermaßen für die unterschiedlichen Entwicklungsmodelle in der EU. Die Inflation wird auch durch die Spekulation auf und den Anstieg der Lebensmittelpreise angeheizt. Außerdem fordern die Gewerkschaften in Osteuropa mehr Transparenz bei den Preisen für die wichtigsten Lebensmittel. Eine Annäherung zwischen Ost- und Westeuropa ist notwendig, aber aktuell geschieht sie nicht bei den Löhnen, sondern nur bei den Lebensmittelpreisen und den Lebensmittelkosten. Das hat zur Folge, dass die Niedriglohnländer stärker betroffen sind als die übrigen Länder und dass die Kaufkraft in diesen Ländern stärker nach unten gedonnert ist als im Westen und Norden.

Zwischen den Mindestlöhnen klafft immer noch eine große Lücke. Auch nach dem EU-Beitritt leben in Bulgarien mehr Menschen in Armut als zuvor. Überall gibt es Demonstrationen und Initiativen, damit sich die Regierungen diesem Thema annehmen.

Isaline Ossieur: Die Situation ist aktuell sehr komplex. Wir kommen gerade frisch aus der Krise und stecken doch weiterhin in der Krise. Hohe Energiekosten, ein Mangel an Arbeitskräften, Fachkräften und Rohstoffen. Eine Zunahme der Insolvenzen um 27 % im vierten Quartal 2022 gegenüber dem vierten Quartal 2021. Eine Lohn-/Preisspirale muss vermieden werden. Das Lohnwachstum sollte mit dem Produktivitätswachstum einhergehen. Der soziale Dialog sollte der Eckpfeiler der Tarifverhandlungen sein. Streiks brauchen das richtige Gleichgewicht. Die Unternehmen müssen sich mit dem Inflationsdruck auseinandersetzen. BusinessEurope sieht eine große Bereitschaft, Kompromisse für diese Probleme zu finden. Ein gutes Beispiel für einen Tarifvertrag zur Bewältigung der Lohnfragen hat BusinessEurope in Luxemburg gesehen. Luxemburg hat ein Indexierungssystem, das 2022 verschoben wurde, um es 2023 wieder einzuführen. In der Zwischenzeit gab es staatliche Unterstützung für Unternehmen und für Familien. Gut war auch die Entscheidung in Deutschland für eine Einmalzahlung, die keine Auswirkungen auf die Zukunft hat. Dänemark kann auf eine lange Tradition des sozialen Dialogs und der Tarifverhandlungen zurückblicken. Die Arbeitgeberorganisationen betonten, dass das wichtigste Element für ein gutes Verhandlungsergebnis und die gemeinsame Suche nach einem Kompromiss das Vertrauen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberorganisationen sei. Sie erörterten zunächst Sektor für Sektor, da nicht alle Sektoren gleich stark betroffen waren.

Dennis Radtke: Welchen Einfluss wird das auf die Wahlen in diesen Jahren haben? 42% befürchten, dass sie ihre Rechnungen nicht bezahlen können. In Frankreich erreicht der Rechtspopulismus 40 % der Wähler, ebenso in Deutschland, wo die AfD im Osten die stärkste politische Kraft ist. Haben die politischen Parteien noch einen Bezug zu den Bürger:innen? Das Verbot von Verbrennungsmotoren stellt für viele einfache Leute eine Katastrophe dar. Sie müssen lange sparen, um sich ein gebrauchtes Auto zu kaufen, nicht um damit anzugeben, sondern um zur Arbeit zu fahren. Es ist wichtig, darüber nachzudenken. Wir brauchen die Akzeptanz der Bürger:innen für den Übergang zu einer grünen Wirtschaft. Es ist wichtig, diesen grünen Wandel tatsächlich zu erreichen. Aber wie gelingt uns das und wie schaffen wir es, dabei die Probleme der Niedriglohnempfänger im Auge zu behalten? Der Mindestlohn ist nicht kurzfristig angelegt, sondern langfristig, aber wir brauchen mehr. Die Arbeitgeber waren nicht bereit, den Mindestlohn anzupassen, also brauchen wir politische Maßnahmen. Der gewählte Prozentsatz gilt für alle Länder. Kürzere Arbeitszeiten waren eine gute Maßnahme während der Pandemie und haben viele Probleme gelöst. Wie können wir dieses Instrument auch in Zukunft nutzen? Die EU muss für gleiche Wettbewerbsbedingungen sorgen. Das Gleiche gilt für das Mindesteinkommen.

Torsten Müller: Eine wichtige Beobachtung ist, dass die Entwicklung der Reallöhne in den letzten zwei Jahren rückläufig ist. Der Mindestlohn ist Teil des sozialen Dialogs, aber es besteht eine große Kluft zwischen den Zielen und der Realität vor Ort. Die wichtigen Indikatoren, wie das Verhältnis zur Kaufkraft und zu den Lebenshaltungskosten, werden oft nicht genannt. Slowenien ist ein Beispiel mit angemessenen Kriterien. Die gesammelten Informationen über die Tarifverhandlungen zeigen, dass der Mindestlohn in den meisten Ländern nicht den europäischen Standards entspricht. Es ist noch ein langer Weg. Der europäische Standard sieht vor, dass die Mitgliedstaaten einen Aktionsplan aufstellen müssen, wenn keine 80 %ige Deckung erreicht wird. Nur 8 Mitgliedstaaten ist das gelungen, die übrigen Mitgliedstaaten müssen Aktionspläne aufstellen. Die Abdeckung durch Tarifverträge gehört zu den Voraussetzungen in der Mindestlohnrichtlinie. Branchentarifverhandlungen, die durch rechtliche Maßnahmen auf staatlicher Ebene ausgeweitet werden, sind nicht überall möglich. Politische Empfehlungen des ETUI sind die rechtzeitige Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht. Ein wichtiges Element für den Mindestlohn sind dabei die Lebenshaltungskosten und die Kaufkraft. Die Schwellenwerte von 60 % und 50 % sind ein Minimum, das als Richtwert zu sehen ist, nicht als Grenze, die erreicht werden muss. Das ETUI möchte die Mitgliedstaaten dazu bringen, die in der EU-Richtlinie vorgesehene Abdeckung schneller zu erreichen.

Debatte mit den Teilnehmer:innen (Themenauswahl):

Frage aus Litauen: Wir haben eine der niedrigsten Deckungsquoten und möchten wissen, ob es Vorschläge gibt, die Arbeitgeber:innen stärker zu motivieren. Wir müssen feststellen, dass selbst im öffentlichen Verkehrssektor, der ein öffentlicher Arbeitgeber ist, keine neuen Vereinbarungen geschlossen werden konnten.

Antworten:

Torsten schlägt vor, dass ein guter Anreiz darin besteht, den Mindestlohn in die Bedingungen der öffentlichen Auftragsvergabe zu integrieren. Das wird jedoch nur Schritt für Schritt funktionieren, es ist ein allmählicher Prozess. In dieser Angelegenheit passiert nichts schnell.

Isoline: Wichtig ist die Ausbildung und der Aufbau von Kapazitäten für die Vertreter:innen der osteuropäischen Gewerkschaften. Ein schrittweiser Ansatz ist wichtig. Vertrauen ist die wichtigste Voraussetzung, um zu Vereinbarungen zu gelangen, und zwar zusammen mit dem Aufbau von Kapazitäten.

Veseline: Das Argument, dass die Löhne nicht steigen können, weil sie der Produktivität folgen müssen, ist falsch. Untersuchungen der IAO zeigen, dass die Produktivität stärker wächst als die Löhne. Die Kluft wird größer.

Dennis: Es ist schade, dass die Arbeitgeberorganisationen in neuen Initiativen der EU immer eine Bedrohung sehen. Die EU-Initiativen zielen auf eine bessere Entwicklung ab und nicht darauf, die Wirtschaft zu zerstören. Natürlich hat der soziale Frieden seinen Preis und ist das Ergebnis von Verhandlungen und der Einbeziehung der Arbeitnehmer:innen. Nicht alles passiert von selbst.

Zusammengefasste Fragen:

- Wir stellen fest, dass sich Arbeitnehmer:innen nicht gewerkschaftlich organisieren dürfen, manchmal ist das sogar vertraglich verankert (in versteckter Form, da es nur in der Zweitschrift erwähnt wird).

- Italien erklärt, dass es eine 100%ige Deckung gibt, was nicht der Realität entsprechen kann.

- Viele Arbeitnehmer:innen sind nicht Mitglied einer Gewerkschaft, profitieren aber auch von den Ergebnissen der Tarifverhandlungen. Es ist an der Zeit, Gesetze zu erlassen, damit Trittbrettfahrer nicht in den Genuss der Ergebnisse von Tarifverhandlungen kommen. Warum nicht eine Pflichtmitgliedschaft?

- Wir sprechen über den Arbeitskräftemangel und den Wettbewerb: Wird das zur Erhöhung der Gehälter beitragen?

Zusammengefasste Antworten:

Es wird nicht möglich sein, ein allgemeines, ähnliches Abkommen in allen Fragen zu erzielen. Es gibt Unterschiede, und ein neues Beispiel ist der Ansatz der neuen Arbeitszeiten in Deutschland und anderen Ländern. Nicht nur zwischen den Ländern, sondern auch zwischen den Sektoren. Eine große Kluft zwischen den EU-Mitgliedstaaten besteht bei den Löhnen. Länder mit Löhnen von 400 Euro und andere Länder. Wenn Arbeitnehmer:innen die Möglichkeit haben, dann ziehen sie in ein Land mit höheren Löhnen. Die Länder mit niedrigeren Löhnen können da nicht mithalten. Die einzige Lösung ist die Anhebung der Löhne auf ein einheitlicheres Niveau.

Die Messung des Deckungsgrades erfordert neue Methoden. Im Moment läuft das nicht korrekt. In Italien zum Beispiel werden auch Vereinbarungen auf Unternehmensebene zwischen Arbeitgeber:innen und nicht anerkannten Gewerkschaften mitgezählt.

Das Jahr der Kompetenzen ist wichtig. Andererseits werden die Arbeitgeber:innen auf EU-Ebene und auf nationaler Ebene mit neuen Berichten bombardiert, die sie erstellen müssen. Nicht nur über Löhne. Die Arbeitgeberorganisationen fordern, dass die öffentliche Politik die Löhne in den Vordergrund der Überlegungen der Arbeitgeber:innen stellen muss, mehr als die Berichterstattung.

PANEL II: Inflationsbekämpfung durch Geldpolitik, aber zu welchem Preis?

Diese Diskussionsrunde wurde von Joseph Thouvenel, Bundessekretär des Französischen Gewerkschaftsbundes CFTC, moderiert. Die Redner waren:

  • David Sondermann, Deputy Head of Division Anbieterseite, Arbeit und Überwachung, Europäische Zentralbank, der einen Überblick über die Reaktion der Europäischen Zentralbank auf die Inflation gab.
  • Clément Fontan, Professor für Europäische Wirtschaftspolitik an der Université Catholique de Louvain, sprach über den Zusammenhang zwischen Geldpolitik und sozialer Gerechtigkeit.
  • Renaat Hanssens, Berater, Forschungsabteilung, belgische Gewerkschaftsorganisation ACV-CSC, der über die Rolle und die Vision der Gewerkschaften in der geldpolitischen Diskussion sprach.

David Sondermann: Wir verzeichnen einen starken Anstieg der Inflation, Versorgungsengpässe im verarbeitenden Gewerbe und Unterbrechungen der Lieferketten. Dann kam es mit dem Anstieg der Öl- und Gaspreise und der Lebensmittelpreise als Folge des Krieges zum zweiten Schock. Unmittelbar nach dem Lockdown erreichte die Nachfrage aufgrund der Pandemie ihren Höhepunkt. Viele Faktoren wirkten sich auf unsere Situation aus: Der erwartete Preisrückgang bleibt gering, die Wirtschaftstätigkeit zieht wieder an, die Arbeitslosenquote sinkt und die Zahl der Erwerbstätigen nimmt stark zu, die Inflation wird von den Energie- und Lebensmittelpreisen angetrieben, die Kerninflation liegt zwischen 4 und 8 % in der Eurozone und außerhalb.

Normalerweise ist die Inflation nachfrageorientiert. Da sie jetzt aber eher angebotsorientiert ist, sinken die Preise für einige Waren. Das gilt jedoch nicht für die Lebensmittelpreise, die unter einem inländischen Preisdruck stehen, was ein wichtiger Faktor ist. Lohnverfolgung als Kontrollsystem, Lohnanstieg. Es ist jedoch nicht ganz klar, was die Gründe für einen Preisanstieg sind: die Versorgungskosten oder die Löhne. Auch die Gewinne treiben die Inflation an.

EZB-Zinssätze: Beobachtung, wie sich der Finanzsektor bewegt, wie sich die EZB-Politik auf die Haushalte und die Kreditzinsen auswirkt.

Clément Fontan: Der Professor beginnt damit, dass es für ihn neu ist zu hören, dass die EZB auch Gewinne als möglichen Antreiber der Inflation betrachtet. Er ist froh, dass die EZB vor Zuhörer:innen aus Gewerkschaften spricht. Es ist schade, dass die EZB den gleichen Ansatz wie in den späten neunziger Jahren verfolgt, um ihre Politik zur Bekämpfung der Inflation auszubauen. Die EZB hat das Inflationsmonster in eine Flasche gepackt, weil sie unabhängig ist.

Bevor er sich zum eigentlichen Ansatz äußerte, blickte Fontan auf die Geschichte zurück. In den ersten Jahren war die EZB damit beschäftigt, die Inflation zu beobachten. Es herrschte Stagnation, weil das Bruttoinlandsprodukt (BIP) und auch die Löhne nicht wirklich anstiegen. Ab 2015 erlebten wir eine Ära der weltweiten Stagnation mit massiven Liquiditätsspritzen und der Suche nach strukturellen Faktoren, darunter geschwächte Gewerkschaften und die Troika, die in der gesamten EU eine Sparpolitik durchsetzte. Nach 2021 begann die Polykrise. Zu Beginn baute die EZB ihre Glaubwürdigkeit als Inflationsbekämpferin auf, und es gab einen ständigen Ruf nach einer Flexibilisierung der Löhne (Abschaffung der Indexierungssysteme und Streichung des Mindestlohns) in Verbindung mit sogenannten Strukturreformen. Die makroprudenzielle Debatte und die massiven Auswirkungen der Energiekosten auf die Haushalte führten zu großen Ungleichheiten. Der Professor sah auch eine „Greenflation“, die unser Leben und unsere Wirtschaft beeinflusst. Viele Menschen lebten relativ sorgenfrei, ihr Einkommen stieg, aber auch die Ungleichheit in der Gesellschaft nahm zu. Die EZB beruft sich auf ihre Unabhängigkeit, um dies an die Politik weiterzugeben. Doch wie die Geschichte zeigt, hat sie regelmäßig mitregiert. Das Gleiche kann auch jetzt geschehen. Die EZB muss mehr für gesellschaftliche Herausforderungen wie den Klimawandel tun.

Die Situation der Autofahrer:innen nach 2021 wurde bereits von David dargelegt. Die EZB verfügte über kein direktes Instrument gegen die Treiber des Inflationsanstiegs, ihr standen nur die Klassiker wie Zinsen oder der Ruf nach Lohnzurückhaltung zur Verfügung. Sie erkannte das Dilemma der wirtschaftlichen Rezession und dass es kein Wachstum bei den Reallöhnen gibt, was zu weniger Kaufkraft führt. Die Gewinne sind immer noch auf dem Radar. Für Clément besteht die Lösung darin, das Narrativ zu ändern und das klassische Strategiepapier der Zentralbank zu vergessen. Man muss die Inflation bekämpfen und gleichzeitig den Klimawandel unterstützen, warum also keine doppelten Zinssätze? Das Europäische Parlament fordert mehr Initiative im Rahmen des sekundären Mandats als Ergänzung zum vorherigen Mandat zur Inflationsbekämpfung. Dafür aber muss das Europäische Parlament mehr Leitlinien für sekundäre Ziele für die EZB anbieten.

Renaat Hanssens: Er wird sich bei den Statistiken kurzfassen, da David bereits eine Menge statistisches Material gezeigt hat. Seine Forschung und die Forschung anderer wichtiger Organisationen zeigt, dass jetzt Gewinnkosten und Importkosten wichtiger für die Inflation sind als Löhne. Es ist auch zu beobachten, dass die Kerninflation immer noch ansteigt. Anstieg und Rückgang der Inflation wurden also nicht durch die Geldpolitik der EZB verursacht.

Die Inflation ist in zweierlei Hinsicht schädlich für die Arbeitnehmer:innen. Die Reallöhne sinken und der Wert der Ersparnisse nimmt ab. Renaat plädiert ebenfalls für ein vorsichtigeres Vorgehen, da die Heilung durch höhere Zinssätze schlimmer sein könnte als die Krankheit selbst.

Die Inflation ist das Ergebnis von Störungen auf der Angebotsseite, wie z.B. der Preissteigerung bei Energie und Lebensmitteln, die in einigen Sektoren durch die Ausübung von Marktmacht verstärkt wurde (vier große Lebensmittelkonzerne haben einen Marktanteil von 8 % und nutzen ihre Macht aus), und nicht das Ergebnis eines erheblichen Anstiegs der Gesamtnachfrage (die Menschen haben ihren normalen Verbrauch wieder aufgenommen, aber nicht verdoppelt). Erhöhung der Zinssätze: Vorsicht ist geboten vor den Risiken einer schmerzhaften Verlangsamung mit erhöhter Arbeitslosigkeit und einer globalen Schuldenkrise, minimale Auswirkungen auf die Inflation, fiskalische und sonstige Maßnahmen wie die Abschwächung des Inflationsdrucks in bestimmten Sektoren.

Diskussionsteilnehmer:

David: Es ist wichtig, über das Mandat der EZB nachzudenken, aber viele Maßnahmen müssen von der Regierung vorbereitet werden. Die Finanzpolitik ist wichtiger als die Politik der EZB. Die EZB spielt eine wichtige Rolle bei den Zinssätzen und bei der Unterstützung der Wirtschaft, diese Situation zu überwinden. Wichtig für die EZB ist, dass die Einkommen stabil sind und die Beschäftigung zunimmt. Die Gesellschaft ist nicht gleich, und daher gibt es keine allgemeingültige Maßnahme. Beispiel: Nicht jeder in der Gesellschaft besitzt Vermögen, aber der Wohnungsbau (zusammen mit dem Verkauf von Häusern und steigenden Preisen) ist unter der Bevölkerung weit verbreitet. Das Umfeld ist in jedem EU-Land unterschiedlich und man muss infolgedessen den unterschiedlichen Druck berücksichtigen.

Clément: Preisstabilität ist das oberste Ziel, aber können wir uns fragen, ob die Unabhängigkeit noch das wichtigste Thema ist. Für Clément braucht das Mandat mehr Ausgewogenheit zwischen dem primären und dem sekundären Mandat. Inflation macht uns ärmer. Es ist wichtig, dass der Anteil zwischen Löhnen und Gewinnen aufgeteilt wird. Das ist eine Aufgabe der Regierung und nicht der EZB. Aber wir sehen, dass die EZB die Kosten und auch die Löhne im Blick hat. Wenn es zu Maßnahmen kommt, wird die EZB zur Stelle sein. Im Kampf zwischen Kapital und Arbeit ist die EZB niemals neutral.

Renaat. Eine Verteilung des Schocks ist notwendig. Die Gewinnmargen sind weiter gestiegen und befinden sich auf dem höchsten Stand. Die Diskussion ist notwendig, um zu definieren, wann die Elemente des zweiten Mandats wichtiger sind als die des ersten. Die Preisstabilisierung ist das erste und wichtigste Ziel der EZB. Wann wird das Klima in den Vordergrund rücken?

Diskussion mit den Teilnehmer:innen:

Frage: Wie können die Gewerkschaften die Politik der EZB beeinflussen? Ist die EZB unabhängig, wenn man die Zeit der Troika betrachtet, die eng mit ihr zusammenarbeitet und Ausgleichsmaßnahmen durchführt? Können wir messen, ob der Rückgang oder die Stabilisierung das Ergebnis der EZB-Politik ist?

Antwort: Renaat: Die Gewerkschaften bringen rationale Analysen ein. Die belgischen Gewerkschaften sind Teil des Beirats und hoffen, dass dies in der EU insgesamt erreicht werden kann. Clément: Unabhängigkeit ist in Deutschland ein vorrangiger und hochgeschätzter Punkt und es gab auch eine Diskussion mit den Gewerkschaften. Die Troika wird nicht als Vorlage genommen, aber es ist wichtig, die Zusammenarbeit zwischen der EZB und anderen Partnern zu verstärken und so die Idee niedrigerer Zinssätze für grüne Investitionen und höherer Zinssätze für fossile Brennstoffe zu diskutieren. Es ist jedoch nicht die EZB, die diese Politik machen muss. David: Es gibt eine Reihe von Indikatoren, um den Anstieg oder Rückgang zu verfolgen. Auch die Überwachung der Politik braucht Zeit. Unabhängigkeit ist wichtig, die Bürger müssen der EZB vertrauen. Wenn sie zu sehr mit der Regierung verbunden sind, wie können sie dann der Politik der Zentralbank vertrauen?

Frage: In Portugal wurde auch aufgrund von Spekulationen ein skandalöser Anstieg der Gewinne beobachtet. Auf der anderen Seite war der Anstieg der Löhne sehr gering und folgte nicht der hohen Inflationsrate. Sogar steigende Steuern wirken sich auf die Armen aus. Der Reichtum einiger Leute nahm zu. Wie lässt sich das kontrollieren?

Antwort: David: Als EZB schauen wir auf beide Elemente, den Lohnzuwachs und das Gewinnwachstum und unsere Politik ist darauf ausgerichtet. Der Wettbewerb liegt nicht in der Hand der EZB. Besorgniserregend ist, dass die Menschen trotz höherer Zinsen ein Haus kaufen wollen, die tatsächliche Situation war aber nicht normal. Das Problem der Erwerbsarmen ist Sache der Regierung. Renaat: Die Spekulation ist jetzt wirklich ein wichtiges Thema. Schauen Sie sich nur die Gaspreise an der Börse in Amsterdam an. Sind die normal oder nur spekulativ? Es muss eine Untersuchung und ein Kontrollsystem geben.

Frage: In Portugal werden alle möglichen Maßnahmen ergriffen und trotzdem leben die Menschen in Armut.

Antwort: David: Wir berücksichtigen alle Elemente, aber die Verteilung in der Welt ist eher eine Angelegenheit der Regierungen. Die Inflation niedrig zu halten, lautet das Ziel. Das kann Arbeitnehmern mit niedrigem Einkommen helfen, aber die Verteilung ist Sache der Sozialpartner.

Frage: Der Verband Afammer stellt fest, dass weltweit und europaweit eine digitale Kluft zwischen ländlichen Gebieten und städtischen Gebieten herrscht. Sie bemerken, dass es kein Bargeld mehr gibt (keine Bargeldabhebungen mehr möglich). Kann Bargeld in ländlichen Gebieten weiter existieren? In Spanien müssen manche Menschen 15 km fahren, um ihre Rente zu erhalten.

Antwort: Die Fortführung der digitalen Verbreitung ist eine staatliche Angelegenheit und man muss den Bürger:innen Optionen bieten.

PANEL III: Innovationen und industrielle Zukunft in einer sich wandelnden Weltordnung

An diesem von Sigrid Schraml, Generalsekretärin des EZA, moderierten Panel nahmen zwei Personen teil:

  • Outi Slotboom, Direktor, Strategie und Wirtschaftsanalyse, Generaldirektion Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU der Europäischen Kommission, spricht über eine widerstandsfähige Europäische Union: Verringerung der strategischen Abhängigkeiten der EU.
  • Qlexander Conway, Risikoberater, Resilium, spricht über die EU-Industriepolitik und die Strategie der offenen strategischen Autonomie: die Herausforderung der Zukunft.

Outi Slotboom:

Die Strategie beginnt mit einer Liste von Produkten, bei denen die EU von Einfuhren abhängig ist, z. B. energieintensive Industrien, erneuerbare Energien, Digitaltechnik und Elektronik usw. Außerdem haben wir einen Überblick über die Stärken und Schwächen der EU in den Schlüsseltechnologien. In der fortschrittlichen Herstellung von Batterien und Wasserstoff liegen die Stärken der EU. Die Solarproduktion findet fast ausschließlich in Asien statt, bei Halbleitern hat die EU keine führende Fabrik und nur 2 % der Cloud-Speicherkapazität befinden sich in der EU.

Der Weltmarkt in China wächst, alle anderen Märkte sind rückläufig. EU-Binnenmarkt: 23 Millionen Unternehmen, 15 % der Weltwirtschaft, 31 % des Welthandels (18 % innerhalb der EU und 13 % mit Drittländern). Die Wettbewerbsfähigkeit wird durch die offene strategische Autonomie, die Widerstandsfähigkeit des Binnenmarktes, den Grünen Deal und den neuen Industrieplan unterstützt.

Die EU muss ihre Lieferketten im Ausland sichern, indem sie die Zusammenarbeit mit internationalen Partner:innen verstärkt und den Zugang zu internationalen Lieferungen verbessert.

Fähigkeit des Binnenmarktes: Ein Beispiel dafür ist die Produktion von Impfstoffen, die in der EU in über 3 Milliarden Dosen hergestellt wird. 100 Treffen mit Impfstoffherstellern und 900 Teilnehmer:innen zeigen die Möglichkeiten des Binnenmarktes im Krisenfall. Vieles geschieht jedoch ad hoc.

Jetzt sind wir besser vorbereitet, durch Risikoüberwachung, Schulungen in der Bevorratung von Gütern, durch eine gemeinsame Beschaffung, eine schnelle Koordinierung usw.

Zu den Elementen der EU-Strategie zur Entwicklung einer stärkeren Reaktion auf die neuen weltwirtschaftlichen Entwicklungen gehören der Grüne Deal mit einem Industrieplan, der Maßnahmen zum regulatorischen Umfeld wie das Gesetz über die Netto-Null-Industrie, Maßnahmen für kritische Rohstoffe und Finanzierungsmaßnahmen wie Repower EU, die Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) usw. enthält, sowie das von der EU ins Leben gerufene Jahr der Kompetenzen mit Akademien für Batterien, Solar usw. Die EU verteidigt die offenen Handelspraktiken für widerstandsfähige Lieferketten und reagiert auf unfaire Handelspraktiken.

Alexander Conway:

Für Alexander ist es wichtig, bei dieser Strategie die richtige Balance zu finden. Jede Entscheidung hat ein Für und Wider. Wichtige Ereignisse wie Brexit, Trump mit seinem Wahlkampfmotto „America First“, Corona sowie der russische Angriffskrieg hatten großen Einfluss auf die Entwicklung unserer Volkswirtschaften und globalen Beziehungen. Und sie machen es notwendig, das zu überdenken, was sich vorher automatisch zu entwickeln schien.

Es ist sehr wichtig, zusammenzuarbeiten. Herausforderungen können innerhalb der EU und außerhalb der EU gebündelt werden. Öffentliche Interventionen für strategische Industrien.

Wenn wir eine Strategie für die Zukunft entwickeln wollen, müssen wir uns mit den folgenden Fragen befassen. Die Mittel, die zur Unterstützung der Strategie verwendet werden sollen: Werden diese von der EU oder von den Mitgliedstaaten verwaltet, da kleinere Länder nicht über die gleichen Ressourcen verfügen wie die größeren Mitgliedstaaten? Die EU muss alle Initiativen wie die Aufbau- und Resilienzfazilität ARF in ein Gleichgewicht bringen und zusätzliche Einnahmen auf EU-Ebene erzielen. Wer entscheidet, was ausgegeben wird? Private oder öffentliche Investitionen? Wobei wir gegenüber den USA und China im Nachteil sind. Auch Arbeitskräfte sind eine Herausforderung, Umweltfragen wie die Lithiummine in Portugal sowie Serbien mit lokalen Protesten, kritische Rohstoffe. Was muss angeboten werden, welche Kompromisse wollen wir eingehen? Bau von Pipelines. Mit Russland kommt ein weiterer Faktor dazu. Die Position der EU im Wirtschaftskrieg zwischen den USA und China. Die Entscheidung für Elektroautos – hilft uns das? Biden als höflichere Ausgabe von Donald Trump, aber mit demselben Ansatz. Wird die EU von Wechselwähler:innen abhängig sein? Sicherheit und Stresstests sind wichtig. Verteidigungsindustrie und unsere Identität als Friedensprojekt. Jetzt produzieren wir aber erst mal Waffen und beliefern damit ein anderes Land, das sich im Krieg befindet.

Feedback von Outi: Klima, Arbeitskräfte und andere Themen sind zwar wichtig, aber kein Grund, untätig zu sein. Auch ein großer Fonds zur Unterstützung der Industrie. Auch andere Länder haben solche Budgets. Staatliche Beihilfen werden unter den Mitgliedstaaten heftig diskutiert. Wir brauchen mehr Beihilfen auf EU-Ebene, aber jetzt halten die Mitgliedstaaten an ihren Zuständigkeiten fest. Die Europäische Kommission arbeitet an neuen Regeln wie dem Vorschlag zur Sorgfaltspflicht.

Diskussion mit den Zuhörer:innen:

Frage: Was können wir verbessern, wenn es nicht genug Arbeitskräfte gibt?

Antwort: In den Bereichen Hochtechnologie, Pharmazeutik und anderen Bereichen besteht ein Mangel, aber dies rückt die Höherqualifikation und Umschulung in den Vordergrund der EU-Strategie.

Frage: Sicherheit ist wichtig für die Arbeitnehmer:innen. Mit dem Gesetz zum Abbau der Inflation in der Industrie konzentrieren wir uns auf die sozialen Elemente, die für gleiche Wettbewerbsbedingungen bei den verschiedenen Sozialversicherungen in der EU erforderlich sind. Jetzt zu starke Konzentration auf das Klima.

Antwort: Ich bin mir nicht über alle sozialen Bedingungen im Klaren. In den globalen Handelsbeziehungen ist Zwangsarbeit eines der Hauptthemen für die USA. Sie schauen sich China an und versuchen herauszufinden, ob es dort Regionen mit Zwangsarbeit gibt. Wenn das der Fall ist, wollen die USA Importe aus diesen Regionen verbieten. In der EU ist das im Moment noch nicht der Fall.

Frage: Gute Klempner:innen und Handwerker:innen sind für die Wirtschaft wichtig. Wie kann man diese Berufe attraktiver machen? Ist soziale Wertschätzung der Schlüssel zur Steigerung der Attraktivität?

Antwort: Umbenennung dieses Bildungsweges in „Universität für Handwerker:innen“. Eine Politik für KMU ist auch für diese Gruppe von HandwerkerInnen wichtig: Die EG will die Unternehmensführung erleichtern und die Bildungssysteme unterstützen. Gezielte Maßnahmen für Mädchen/Frauen, die sich für Naturwissenschaften interessieren, und mehr geschlechtsneutrale Maßnahmen, gute Kommunikation über den Wert dieser Berufe.

Frage: Wasserstoff hat eine wichtige Kapazität. Elektrofahrzeuge sind wichtig. Wie will die EU die Produktion steigern?

Antwort: Der Mangel an Halbleitern ist ein Problem. Bessere Beschaffung. Es gibt auch eine Gruppe, die sich mit der Entwicklung von Wasserstoff in der EU befasst.

Frage: Die Maßnahmen werden Zeit brauchen, es gibt keine schnelle Lösung. Hätten wir früher reagieren können? Haben wir zu lange auf billige Produkte gesetzt?

Antwort: Alexander: Globalisierung und ein florierender Welthandel bedeuteten, dass fast alles „just in time“ geliefert wurde. Das war ein globales Format, das funktioniert hat. Die EU wurde ebenfalls auf dieser offenen Arbeitsweise aufgebaut. Deshalb war es nicht notwendig, zu reagieren. Outi: Um wettbewerbsfähig zu sein, musste ein Unternehmen auf das Kosten- und Preisniveau achten und bei kostengünstigen Anbietern einkaufen. Zu diesem Zeitpunkt gab es keine Notwendigkeit, sich von anderen Anbietern zu unterscheiden. Diese Polykrise kam unerwartet und es gab keine Alternative. Die Werte haben sich verschoben und der Klimawandel wurde stärker in das Denken der Unternehmen einbezogen. Schwerwiegende Probleme wie die Abhängigkeit von Russland und das Krisenbewusstsein haben das Denken verändert.