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Richtlinie über angemessene Mindestlöhne angenommen

Die wichtigsten Änderungen für Arbeitnehmer:innen im Überblick.

Zwei Jahre nach ihrer Veröffentlichung durch die Europäische Kommission wurde die Richtlinie über angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union am 19. Oktober vom Parlament und vom Rat angenommen. Mit dieser Rechtsvorschrift soll sichergestellt werden, dass die nationalen Mindestlöhne angemessen sind, um den Arbeitnehmern in der EU einen angemessenen Lebensunterhalt zu sichern.

Um dieses Ziel zu erreichen, musste die Richtlinie die große Vielfalt an Mechanismen zur Festlegung von Mindestlöhnen und deren Höhe in der Union berücksichtigen. 
In sechs Mitgliedstaaten (Österreich, Zypern, Dänemark, Finnland, Italien und Schweden) werden Mindestlöhne ausschließlich durch Tarifverträge festgelegt und gelten daher nur für die von diesen Verträgen erfassten Sektoren. In den anderen 21 Mitgliedstaaten gibt es "gesetzliche" Mindestlöhne, die in der Regel universell gelten (d. h. für alle Arbeitnehmer in allen Branchen). In den Mitgliedstaaten mit gesetzlichen Mindestlöhnen werden darüber hinaus in einer Reihe von Sektoren durch Tarifverträge Löhne festgelegt, die über dieser Mindestschwelle liegen.

Was die Höhe der Mindestlöhne anbelangt, so führen die westeuropäischen Mitgliedstaaten die Rangliste an, wobei die Mindeststundenlöhne in Luxemburg, Deutschland, den Niederlanden, Frankreich, Irland und Belgien zwischen 10 und 13 Euro liegen. Am unteren Ende der Tabelle finden sich osteuropäische Länder wie Bulgarien, Lettland, Rumänien und Ungarn mit Mindestlöhnen zwischen 2 und 3,21 Euro pro Stunde.

Bei der Vorlage ihres Vorschlags im Oktober 2020 wies die Kommission darauf hin, dass viele Arbeitnehmer in der EU nicht durch angemessene Mindestlöhne geschützt seien. In der Mehrzahl der Mitgliedstaaten mit gesetzlichen Mindestlöhnen sind diese entweder im Vergleich zu anderen Löhnen zu niedrig oder reichen nicht aus, um einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten. Ein weiteres Problem ist, dass einige Gruppen von Arbeitnehmern in beiden Gruppen von Mitgliedstaaten nicht durch Mindestlöhne geschützt sind. Die Lösung dieser Probleme hätte nicht nur positive soziale Auswirkungen, sondern wäre auch für die Wirtschaft von großem Nutzen, argumentierte die Kommission. 

Um sicherzustellen, dass eine große Zahl von Arbeitnehmer:innen durch angemessene Mindestlöhne geschützt ist, zielt die Richtlinie zunächst darauf ab, Tarifverhandlungen über Löhne in allen Mitgliedstaaten zu fördern, wobei die starke positive Wirkung von Tarifverhandlungen auf die Angemessenheit der Mindestlöhne in allen Ländern anerkannt wird. Die Mitgliedstaaten sind daher verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um die Fähigkeit der Sozialpartner zu fördern und Lohnverhandlungen zu unterstützen. Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, in denen die Tarifverhandlungsquote unter 80 % liegt, einen Aktionsplan mit Maßnahmen zur Erreichung dieses Schwellenwerts vorzulegen. 


Zweitens soll sichergestellt werden, dass in Mitgliedstaaten mit gesetzlichen Mindestlöhnen die Höhe dieser Löhne ausreicht, um einen angemessenen Lebensstandard für die Arbeitnehmer zu erreichen, weshalb die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, Verfahren auf der Grundlage einer Reihe klarer Kriterien (z. B. Lebenshaltungskosten) und Referenzwerte (z. B. Bruttomedianlohn) zur Festlegung und Aktualisierung ihrer gesetzlichen Mindestlöhne einzuführen. 
Während des gesamten Gesetzgebungsverfahrens stellten Kritiker:innen der vorgeschlagenen Richtlinie die Zuständigkeit der EU für die Gesetzgebung in dieser Angelegenheit in Frage und argumentierten, dass sie damit in die Tarifverhandlungen der Sozialpartner eingreifen würde. Ganz im Gegenteil, die Richtlinie zielt darauf ab, Tarifverhandlungen in allen Mitgliedstaaten zu fördern, sie verpflichtet keinen Mitgliedstaat, in dem es keinen gesetzlichen Mindestlohn gibt, einen solchen einzuführen, und sie zielt nicht darauf ab, ein einheitliches Mindestlohnniveau in der EU festzulegen.

Die Mitgliedstaaten haben nun zwei Jahre Zeit, um den Inhalt der Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.

(Sergio de la Parra)