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EU-Richtlinie zu fairen Mindestlöhnen vorgestellt

Ziel ist ein menschenwürdiges Leben - egal wo der Arbeitsplatz liegt.

Am 28. Oktober 2020 gaben Valdis Dombrovskis, Exekutiv-Vizepräsident der Europäischen Kommission, zuständig für eine Wirtschaft, die für die Menschen arbeitet und für den Handel zuständig ist, und Nicolas Schmit, EU-Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte, im Anschluss an das wöchentliche Treffen des Kollegiums eine Pressekonferenz über faire Mindestlöhne. (Photo EC - Audiovisual Service)

Europaabgeordneter Dennis Radtke und Koordinator der EVP-Fraktion im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (EMPL). (Photo: EZA/Fleischmann)

Die Europäische Kommission hat eine EU-Richtlinie vorgeschlagen, um den Schutz von Arbeitnehmenden durch einen angenmessenen Mindestlohn sicher zu stellen. Ziel ist ein menschenwürdiges Leben, egal wo sich der Arbeitsplatz befindet.

Es handelt sich um einen Rahmen auf Unionsebene, der sicherstellen soll, dass die Mindestlöhne auf einem angemessenen Niveau festgelegt werden und dass die Arbeitnehmer Zugang zu einem Mindestlohnschutz haben. Die Form kann ein gesetzlicher Mindestlohn sein oder durch Tarifverträge festgelegt werden. Die Richtlinie greift nicht in die Freiheit der Mitgliedstaaten ein, gesetzliche Mindestlöhne oder nationale Traditionen unter voller Wahrung der Vertragsfreiheit der Sozialpartner festzulegen.

In den Geltungsbereich der Richtlinie fallen alle Arbeitnehmer in der EU, die einen Arbeitsvertrag oder ein Arbeitsverhältnis haben, wie sie in den Gesetzen, Tarifverträgen oder Gepflogenheiten der einzelnen Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union definiert sind.

Die Richtlinie zielt darauf ab, den Geltungsbereich der Tarifverhandlungen zu erweitern. Die Mitgliedstaaten ergreifen Maßnahmen in Absprache mit den Sozialpartnern. Mitgliedstaaten, in denen weniger als 70 % der Arbeitnehmer von Tarifverhandlungen erfasst werden, schaffen darüber hinaus entweder per Gesetz nach Anhörung der Sozialpartner oder durch eine Vereinbarung mit den Sozialpartnern einen Rahmen für die Ermöglichung von Tarifverhandlungen und erstellen einen Aktionsplan zur Förderung von Tarifverhandlungen. Der Aktionsplan wird veröffentlicht und der Europäischen Kommission mitgeteilt.

Bei den gesetzlichen Mindestlöhnen strebt die Richtlinie nach Angemessenheit mit dem Ziel, menschenwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen, sozialen Zusammenhalt und Aufwärtskonvergenz zu erreichen. Sie legen diese Kriterien im Einklang mit ihren nationalen Praktiken fest. Einschlägige nationale Rechtsvorschriften, Beschlüsse der zuständigen Stellen oder dreiseitige Vereinbarungen.

Zu diesen Kriterien gehören zumindest die Lebenshaltungskosten und der Beitrag von Steuern und Sozialleistungen, das allgemeine Niveau der Bruttolöhne und ihre Verteilung, die Wachstumsrate der Bruttolöhne und die Entwicklung der Arbeitsproduktivität. Und dies mit regelmäßigen und rechtzeitigen Aktualisierungen und der Einrichtung von Beratungsgremien.

Unter bestimmten Bedingungen kann es unterschiedliche Sätze des gesetzlichen Mindestlohns oder Abzüge geben. Die Mitgliedstaaten ergreifen Maßnahmen, um die Einbeziehung der Sozialpartner im Allgemeinen und sicherlich auch für einige Regelungen der Richtlinie zu gewährleisten. Es werden Maßnahmen gefordert, um den effektiven Zugang der Arbeitnehmer zum gesetzlichen Mindestlohn zu gewährleisten, wie Kontrollen und Inspektionen vor Ort.

Lesen Sie den vollständigen Text des Vorschlags

Kommentar von Dennis Radkte, MEP

Der Europaabgeordnete Dennis Radtke und Koordinator der EVP-Fraktion im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (EMPL) äußert sich zu dem Entwurf der Europäischen Kommission zum Mindestlohn.

Die Europäische Kommission hat am 28. Oktober 2020 ihren Entwurf für einen Europäischen Mindestlohn vorgestellt. Anders als der Name vermuten lässt, ist darin kein zentral festgelegter einheitlicher Mindestlohn für alle EU-Staaten vorgesehen. Stattdessen spielen vor allem Tarifbindung und Sozialpartnerschaft eine entscheidende Rolle. Die Diskussion um den Mindestlohn ist ein Thema, das schon lange in der Europäischen Union debattiert wird.

Durch die Wirtschaftskrisen der letzten Jahre und die aktuelle Corona-Pandemie hat die Schaffung gerechter Mindestlöhne für alle Arbeitnehmer in der EU zunehmend an Priorität gewonnen. Im November 2017 wurde mit der Initiative der Europäischen Säule sozialer Rechte ein erster wichtiger Schritt gemacht. Darin wird Arbeitnehmern das Recht auf eine gerechte Entlohnung zugesprochen, die ihnen einen angemessenen Lebensstandard ermöglicht.

Am 14. Januar 2020 wurde von der Europäischen Kommission schließlich die erste Phase der Konsultation mit den Sozialpartnern aufgenommen. Auf der Grundlage der eingegangenen Antworten kam die Kommission zu dem Schluss, dass ein Handlungsbedarf auf EU-Ebene besteht. Die zweite Phase der Konsultation mit den Sozialpartnern wurde am 3. Juni 2020 zum möglichen Inhalt und einem geeigneten Instrument eingeleitet, bevor am 28. Oktober 2020 der offizielle Vorschlag der Kommission vorgestellt wurde.

Der Vorschlag der Kommission sieht jedoch keinesfalls vor, dass ein einheitlicher Mindestlohn für alle Mitgliedsstaaten festgelegt wird und respektiert zudem die nationalen Zuständigkeiten und die Vertragsfreiheit der Sozialpartner. Außerdem wird darin die Tarifbindung als ein wesentlicher Bestandteil der sozialen Marktwirtschaft sowie die Sozialpartner gestärkt. Die Mitgliedsstaaten behalten somit ihre Autonomie, müssen aber in Zukunft ihre Mindestlöhne nach bestimmten Kriterien wie die Kaufkraft, Produktivität, Lohnentwicklung und Einkommensverteilung festlegen.

Der Vorschlag von Kommissar Schmit ist für mich ein guter Kompromiss und gerade die Tarifbindung im Mittelpunkt des Vorschlags für mich der Dreh- und Angelpunkt für gerechte Löhne. Denn faire Löhne werden nicht vom Staat festgelegt, sondern von den Tarifvertragsparteien.In einem nächsten Schritt wird sich das Europäische Parlament positionieren und Änderungen zum Vorschlag von Kommissar Schmit einbringen. In meiner Rolle als Koordinator der EVP-Fraktion im zuständigen EMPL-Ausschuss werde ich mich dafür einsetzen, dass in Zukunft das Recht auf eine gerechte Entlohnung umgesetzt, Armut trotz Erwerbstätigkeit verhindert wird und angemessene Löhne europaweit gelten.

(Mon Verrydt)