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EZA PODCAST

Das EZA-Startseminar 2021

Die Krisen nutzen als Motor für Veränderung und sozialen Wandel

Rund 110 Teilnehmer:innen debattierten auf dem EZA-Startseminar über die digitale, grüne und soziale Zukunft Europas. Arbeitnehmervertreter:innen aus 24 Ländern nahmen an der Tagung am 25. und 26. November teil, die pandemiebedingt online stattfand.

Sie stellten sich der Frage, welche Lehren Europa aus der Pandemie zieht und ob es den sich bietenden Moment – den Kairos - für eine wirklich nachhaltige und soziale Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft zu nutzen bereit ist. Durchgeführt wurde das Startseminar in Zusammenarbeit zwischen EZA-Sekretariat und EZA-Mitglied, Österreichisches Zentrum für Arbeitnehmerfragen (ÖZA). ÖZA-Präsident Norbert-Schnedl wies in seiner Eröffnung auf die Entsolidarisierung der Gesellschaft hin. Verstärkt durch die Pandemie und Social-Media würden immer radikalere Ansichten verbreitet werden, die zu einer Gefahr für entwickelte Demokratien würden, der wir uns alle vehement entgegenstellen müssen.

Erfahrungsberichte: Auswirkungen der Pandemie

Traditionell berichten Mitglieder des EZA-Netzwerks im Rahmen des Startseminars von Erfahrungen aus ihren jeweiligen Ländern. Joseph Thouvenel von CFTC (Confédération Fraçaise des Travailleurs Chrétiens) schilderte die Situation aus Frankreich. Über 300.000 Arbeitsplätze seien in der Krise verloren gegangen. Zusätzlich seien durch Inflation Arbeitnehmer:innen vor große Herausforderungen gestellt, die sich ungleich auf Männer und Frauen verteilten. Gleichzeitig beobachte man in Frankreich einen Trend zur Stadtflucht durch die Möglichkeit von Homeoffice. Americo Monteiro Olivera (EBCA) schilderte die Situation in Portugal. Staatliche Stützen hätten nur offizielle Arbeit erreicht. Das Problem in Portugal bestünde darin, dass Arbeitnehmer:innen in der Schattenwirtschaft keine soziale Absicherung hätten.

Die Sehnsucht nach dem „New Normal nach der Pandemie“

Der Freitag begann mit kritischen Gedanken von Professor Paul Zulehner und zwei Wirtschaftsvertretern. Zulehner beschrieb die neue soziale Frage, die sich durch die Pandemie beschleunigt stellt: Im 19. Jahrhundert war die politische Antwort auf die soziale Frage die Arbeiterbewegung. „Wer übernimmt heute die Rolle des Anwalts der Verlierenden unseres Wirtschaftssystems“, fragte Zulehner.

Eine digitale und grüne EU – Wie gelingt die Transformation sozial gerecht?

Tim Joris Kaiser von der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich stellte Ziele und Mechanismen der sog. EU-Aufbau- und Resilienzfazilität vor, mit der die EU mit 750 Mrd € die digitale und grüne Transformation der EU-Wirtschaft für die Next Generation EU fördern möchte. In der Diskussion wurde der Aufbauplan grundsätzlich begrüßt, zugleich jedoch erhebliche Zweifel angemeldet, ob angesichts von Arbeitskräftemangel und Materialengpässen die Umsetzung bis 2026 realistisch sei.

Dass ein Umbau hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft im ureigenen Interesse von Wirtschaft und Gesellschaft ist, untermauerte Professor Levermans vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung mit neuesten Forschungsergebnissen. Er warnte davor, dass zunehmende Wetterextreme wie Überschwemmungen, Hitzewellen oder Hurricans sich gegenseitig aufschaukeln und verursachte wirtschaftliche Schäden global viel höher ausfielen als bislang angenommen.

Digitaler Wandel und Mindestlohn

Jörg Tagger von der Generaldirektion Beschäftigung der Europäischen Kommission unterstrich die zahlreichen Initiativen der EU, die den Aufbaufonds begleiten, um die soziale Dimension und den Sozialen Dialog zu stärken. Die Kommission habe sich aktiv und intensiv der Problemlage von Arbeitnehmer:innen angenommen. Die konkrete Umsetzung hänge auch unmittelbar am Engagement der Sozialpartner.

Fazit und Forderungen von EZA

„Die EU muss als Gemeinschaft stärker werden. Die Mitgliedstaaten allein können keine globalen Lösungen schaffen“. Diesem Eingangsstatement des EZA-Ko-Präsidenten, Piergiorgio Sciacqua, schloss sich auch Präsident, Luc van den Brande, in seinen Schlussworten an. „Wir brauchen eine Weiterentwicklung der globalisierten Welt über reine Geopolitik hinaus hin zu einer Geogesellschaft, die ihre Zukunft neu denkt und die soziale Marktwirtschaft zur öko-sozialen Marktwirtschaft weiterentwickelt. Die Pandemie muss ein Weckruf für uns sein und uns zum Nachdenken über wesentliche Aufgaben unserer Gesellschaft und zum Handeln animieren. Die Werte der EU-Demokratie wie Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde sind dabei primordial.  Als christlich-soziale Arbeitnehmerorganisationen ist es an uns, Inspirationsquelle für andere und Stimme der Verlierer und sozial Schwachen zu sein!“