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EZA-Brüsseler Konferenz 2025

Die Wettbewerbsfähigkeitsagenda der EU aus sozialer Sicht

Wir haben gestern unsere jährliche Brüsseler Konferenz zum Thema „Die Wettbewerbsfähigkeitsagenda der EU: Was steht für Arbeitnehmer und Gesellschaft auf dem Spiel?“ einberufen. Die Veranstaltung brachte Gewerkschafter, Mitglieder von Arbeitnehmerorganisationen, Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, politische Entscheidungsträger, Arbeitgeber und Forscher aus 19 Ländern zusammen, um die Wettbewerbsfähigkeitsagenda der Europäischen Kommission und ihre umfassenderen sozialen Auswirkungen kritisch zu diskutieren.

Eröffnungsrede und Grundsatzrede

Die geschäftsführende Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Roxana Mînzatu, hielt die Eröffnungsrede und erläuterte die Strategien der Kommission zur Angleichung des Wirtschaftswachstums an das soziale Wohlergehen. „Es liegt in meiner Verantwortung sicherzustellen, dass unsere Strategie zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der EU nicht auf Kosten der Arbeitnehmer geht“, erklärte sie. Sie gab auch einen Überblick über die bevorstehenden sozialpolitischen Initiativen der Kommission. Die Kommissarin erinnerte auch an ihr Engagement für die weitere Stärkung des sozialen Dialogs und betonte ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften.

In seinen einleitenden Bemerkungen betonte der EZA-Ko-Präsident Piergiorgio Sciacqua die Grundwerte von EZA – Gemeinwohl und soziale Gerechtigkeit – als wesentliche Kriterien für die Bewertung der wettbewerbsorientierten Initiativen der EU. Angesichts des aktuellen internationalen Umfelds forderte er die EU auf, eine proaktive Rolle bei der Gestaltung von Maßnahmen zu übernehmen, die ein Gleichgewicht zwischen Wirtschaftswachstum und sozialer Verantwortung herstellen.
 

Professor Simona Beretta von der Università Cattolica del Sacro Cuore in Mailand hielt die Grundsatzrede und präsentierte eine christliche Perspektive auf Wettbewerbsfähigkeit. Sie betonte, dass Wirtschaftswachstum der Menschenwürde und dem Gemeinwohl dienen müsse und kein Selbstzweck sein dürfe. „Auch wenn Wettbewerbsfähigkeit oft als Mittel zur Erreichung höherer Ziele dargestellt wird, muss die Vorstellung, dass Effizienz eine Voraussetzung für Gerechtigkeit ist, abgelehnt werden“, argumentierte sie. Ethische Überlegungen dürften nicht erst im Nachhinein angestellt werden, fügte sie hinzu: „Es ist wichtig, wie und warum wir miteinander konkurrieren.“

Podiumsdiskussionen

Auf der Konferenz fanden drei ausführliche Podiumsdiskussionen statt, die sich mit den wichtigsten Herausforderungen der EU-Agenda für Wettbewerbsfähigkeit befassten:

1. Vereinfachung oder soziale Erosion? Die Kosten des Bürokratieabbaus

Dieses Podium untersuchte die potenziellen sozialen Kosten der Bemühungen der EU zur Vereinfachung der Rechtsvorschriften. Die außerordentliche Professorin Brigitte Pircher von der Södertörn-Universität präsentierte die wichtigsten Ergebnisse ihres Berichts „EU Better Regulation: Creating a Playing Field for Businesses at the Expense of Social and Environmental Policies“. Maxime Cerutti, Direktor für soziale Angelegenheiten bei BusinessEurope, teilte Erkenntnisse aus der Geschäftswelt, während Jan Pieter Daems vom niederländischen Christlichen Nationalen Gewerkschaftsbund (CNV) die Perspektive der Arbeitnehmer betonte.

Jan Pieter Daems: „Die Gewerkschaften nehmen die Anliegen der Geschäftswelt ernst, aber diese Anliegen wurden bereits bei den Diskussionen und der Verabschiedung der Gesetze berücksichtigt, die sie jetzt ‚vereinfachen‘ wollen. Wir brauchen nicht weniger, sondern bessere Vorschriften.“

2. Hoher Investitionsbedarf, strenge Haushaltsregeln: Die riskante Wette der EU auf privates Kapital
 

Dieses Panel konzentrierte sich auf die Abhängigkeit der EU von privatem Kapital, um den erheblichen Investitionsbedarf zu decken. Andrea Beltramello, Leiter der Abteilung für die Kapitalmarktunion bei der GD FISMA der Europäischen Kommission, und Thierry Philipponnat, Chefökonom bei Finance Watch, diskutierten über die Investitionslücke der EU und die Leitinitiative der Kommission zu ihrer Verringerung: die Vollendung der Kapitalmarktunion (CMU). Die Diskussionsteilnehmer erörterten den Unterschied zwischen der Verwendung von privatem und öffentlichem Kapital zur Erreichung sozialer und ökologischer Ziele, die mit einer EU-weiten Kapitalmarktunion verbundenen Risiken, die Notwendigkeit einer besseren Koordinierung zwischen den EU-Mitgliedstaaten, um einen Wettlauf nach unten bei der Kapitalbesteuerung zu verhindern, und alternative Ansätze zur Finanzierung öffentlicher Güter.

Thierry Philipponnat: „Privates Kapital wird öffentliche Gelder niemals ersetzen können. Die beiden funktionieren nach völlig unterschiedlichen Logiken: Während öffentliche Gelder dort eingesetzt werden können, wo gesellschaftlicher Bedarf besteht, fließen private Gelder nur dorthin, wo ausreichende Gewinne erzielt werden können. Das ist weder gut noch schlecht – es ist einfach so, wie es funktioniert.“

3. Stärkung der Arbeitnehmer, Förderung von Innovationen: Kompetenzen in einem wettbewerbsfähigen Europa

Dieses Panel befasste sich mit der entscheidenden Rolle der Kompetenzentwicklung bei der Förderung von Wettbewerbsfähigkeit und sozialer Inklusion. Zu den Rednern gehörten Irene Wintermayr, Policy Officer im ILO-Büro für die EU und die Benelux-Länder, und Sofie Mols, Direktorin für Innovation und Internationalisierung an der Thomas More University of Applied Sciences in Antwerpen. In der Diskussion wurde die Bedeutung des lebenslangen Lernens und die Notwendigkeit einer stärkeren Abstimmung zwischen den Anforderungen der Bildung und der Industrie hervorgehoben, um die Qualifikationslücke in Europa zu schließen.

Sofie Mols: „In dieser Welt des schnellen Wandels ist lebenslanges Lernen die Antwort, um qualifizierte und belastbare Arbeitskräfte heranzubilden.“

Abschließende Erkenntnisse

Der Europaabgeordnete Dennis Radtke (EVP-Fraktion) gab abschließende Überlegungen ab und kritisierte das langsame Tempo der EU-Entscheidungsfindung, beispielsweise bei staatlichen Beihilfen für angeschlagene Stahlunternehmen in Deutschland, während er gleichzeitig die Notwendigkeit erkannte, Bürokratie auf undogmatische Weise abzubauen. Er sprach sich für eine soziale Marktwirtschaft anstelle von disruptiven politischen Initiativen aus, wie sie von Persönlichkeiten wie Elon Musk befürwortet werden.

EZA-Präsident Luc Van den Brande beendete die Konferenz mit einer erneuten Bekräftigung des Engagements von EZA, dafür zu sorgen, dass die EU-Agenda für Wettbewerbsfähigkeit der sozialen Gerechtigkeit, Solidarität und dem Gemeinwohl dient und gleichzeitig die Grundsätze der Subsidiarität respektiert werden. Er betonte auch die Bedeutung des sozialen Dialogs bei der Gestaltung künftiger politischer Maßnahmen.

Präsentationen