Am 6. Mai 2025 fand die erste Snack Debate des EZA im Bildungsjahr zum Thema „Deal für eine saubere Industrie: Klimaziele und soziale Gerechtigkeit in Einklang bringen“ statt. Die Online-Veranstaltung wurde vom EZA organisiert und von der Europäischen Union finanziert. Als Referentin sprach Sophie Pornschlegel, stellvertretende Direktorin der Denkfabrik „Europe Jacques Delors“. Bei dieser Veranstaltung kamen 22 Vertreter:innen von Arbeitnehmerorganisationen aus ganz Europa zusammen.
Der wichtigste Aspekt war die kritische und gewerkschaftlich orientierte Bewertung des neuen Deals für eine saubere Industrie der Europäischen Kommission, insbesondere dessen Dimensionen im Bereich Soziales und Beschäftigung. Die Debatte konzentrierte sich auf die Frage, ob der Deal für eine saubere Industrie angemessene Hilfsmittel für einen gerechten industriellen Wandel bereitstellt, der Arbeitsplätze, Rechte und den regionalen Zusammenhalt sicherstellt.
Das Thema war gerade jetzt wichtig, da die Europäische Kommission den Deal für eine saubere Industrie am 26. Februar 2025 offiziell vorgestellt hatte. Einige seiner Bestandteile (wie die Omnibus I- und Omnibus II-Pakete) befinden sich bereits in der Diskussion und viele müssen noch veröffentlicht werden. Dadurch eröffnet sich für die Gewerkschaften in diesem Moment ein wichtiges Zeitfenster, um sich proaktiv zu beteiligen, soziale Anliegen vorzubringen und die Richtung der Umsetzung zu beeinflussen, bevor die zentralen Beschlüsse feststehen.
Die folgenden zentralen Bereiche wurden angesprochen:
Trends in den Bereichen Beschäftigung und Deindustrialisierung in der EU
Struktur und Zielsetzung vergangener und aktueller EU-Maßnahmen im Bereich der Industrie
Hauptbestandteile des Deals für eine saubere Industrie: Finanzierung, sektoraler Schwerpunkt, Handelsinstrumente
Qualifikationen und hochwertige Arbeitsplätze im Deal für eine saubere Industrie
Soziale Auflagen in Verbindung mit öffentlichen Subventionen
Fairness zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug auf Finanzierungskapazitäten
Wettbewerb aus China und den USA
Risiken der Deregulierung bei Nachhaltigkeitsmaßnahmen (Omnibus-Kritik)
Seminarergebnisse:
Zentrale Ergebnisse der Diskussionen: Das Seminar lieferte ein kritisches und gewerkschaftlich orientiertes Verständnis des Deals für eine saubere Industrie und hob dabei dessen Zielsetzung, aber auch seine Lücken im Bereich des sozialen und strategischen Zusammenhalts hervor.
Über die Industrie in der EU heute: Sophie erinnerte daran, dass die Industrie für die Wertschöpfung der EU weiterhin ausschlaggebend ist, dass aber ihr Beschäftigungsanteil sinkt, was ein Zeichen für Deindustrialisierung ist. Die industrielle Basis der EU ist vielfältig, aber zerstückelt und weniger strategisch koordiniert als in China oder den USA.
Über den Zweck und die Struktur des Deals für eine saubere Industrie: Der Deal für eine saubere Industrie reagiert zwar auf multiple Krisen – Energie, Wettbewerb und Klima –, ihm fehlt jedoch eine Priorisierung. Er vermeidet harte Entscheidungen darüber, welche Sektoren unterstützt werden sollen, und verlässt sich für die Umsetzung auf die Mitgliedstaaten, wodurch die Gefahr einer Zerstückelung besteht.
Über Qualifikationen und hochwertige Arbeitsplätze: Obwohl der Deal für eine saubere Industrie die arbeitsrechtliche Dimension (Qualifikationen, hochwertige Arbeitsplätze, Sozialleasing für E-Autos) anerkennt, sind die meisten Maßnahmen nicht bindend. Sophie wies darauf hin, dass ein gerechter Wandel ohne rechtliche Verpflichtungen oder eine starke Governance nur ein Wunschtraum bleibt.
Über soziale Auflagen: Sophie äußerte Zweifel an der Stärke dieser Bedingungen. Der Deal für eine saubere Industrie enthält nur vage Verweise auf die Qualität von Arbeitsplätzen und auf Arbeitnehmerrechte, beinhaltet aber keine Durchsetzungsmechanismen.
Über die Finanzierung und den Zusammenhalt: Es wurden Bedenken über die ungleiche Fähigkeit der Mitgliedstaaten geäußert, die Industrie zu unterstützen. Ohne eine stärkere Koordinierung oder Umverteilung seitens der EU könnten wohlhabendere Länder einen weiteren Vorteil erlangen.
Über die grüne Kehrtwende: Die „Omnibus“-Vereinfachungsmaßnahmen riskieren eine Schwächung der Umweltstandards und ein Untergraben der Integrität des Grünen Deals.
Während des Seminars vorgebrachte Forderungen:
Soziale Auflagen für jegliche öffentliche Unterstützung der EU im Zusammenhang mit dem industriellen Wandel verbindlich und durchsetzbar machen.
Arbeitnehmer:innen und Gewerkschaften bei der Gestaltung, Umsetzung und Überwachung von Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Deal für eine saubere Industrie auf EU- und nationaler Ebene einbinden.
Sicherstellen, dass der Deal für eine saubere Industrie eine klare Priorisierung von Sektoren basierend auf wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Kriterien enthält, und nicht nur Industrielobbyismus.
Ein ungleiches Wettrennen um Subventionen verhindern, indem Koordinierungs- und Umverteilungsmechanismen verstärkt werden, insbesondere für kleinere oder weniger wohlhabende Mitgliedstaaten.
Die Integrität des Grünen Deals verteidigen, indem man der Deregulierung unter dem Deckmantel einer „Vereinfachung“ widersteht.
Folgen für die tägliche Arbeit:
Die Teilnehmer:innen betonten die Notwendigkeit für Gewerkschaften und andere Arbeitnehmerorganisationen, sich proaktiv an anstehenden Vorschlägen im Zusammenhang mit dem Deal für eine saubere Industrie zu beteiligen, darunter auch Vorschläge zur Vergabe öffentlicher Aufträge, zu Qualifikationen und staatlicher Unterstützung. Die Überwachung der nationalen Umsetzung und die Sicherstellung, dass soziale Gerechtigkeit weiterhin eine Säule ist – und kein nachträglicher Einfall – wird entscheidend sein. Es herrschte große Einigkeit darüber, dass eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Gewerkschaften notwendig ist, um gemeinsame Standards zu verteidigen und um ein Wettrennen nach unten beim Arbeits- und Umweltschutz zu verhindern.