Ein internationales Seminar zum Thema „Menschenwürde am Arbeitsplatz: Stärkung der Rolle von Arbeitnehmerorganisationen bei der Bekämpfung von Belästigung und Diskriminierung am Arbeitsplatz im Westbalkan“ (Erfahrungen aus Nordmazedonien, den Nachbarländern und den EU-Mitgliedstaaten) fand vom 25. bis 27. September 2025 in Ohrid, Nordmazedonien, statt. An dem Seminar nahmen 37 Vertreter:innen von Gewerkschaften und anderen Arbeitnehmerorganisationen aus Albanien, Österreich, Bulgarien, Kroatien, dem Kosovo (als Gäste), der Slowakei, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien teil.
Die Veranstaltung wurde organisiert von UNASM – Gewerkschaftsverband unabhängiger und autonomer Gewerkschaften Mazedoniens – in Zusammenarbeit mit EZA organisiert und von der Europäischen Union finanziert. Sie fand im Rahmen des EZA-Sonderprojektes für Arbeitnehmerorganisationen in den Beitrittskandidatenländern statt. Die Moderator:innen waren Slobodan Antovski, Biljana Ckllamovska und Risto Pejovski.
Die Gewerkschaftsverbände im Westbalkan kämpfen mit großen Herausforderungen beim Schutz ihrer Mitglieder vor Missbrauch und Ausbeutung durch die Arbeitgeber:innen, insbesondere durch Führungsteams, die als mächtige Strukturen innerhalb der Unternehmen handeln. Dieses Problem existiert vor allem im privaten Sektor, betrifft aber auch den öffentlichen Sektor, wo Vorstände häufig politischen Interessen dienen. Die Teilnehmer:innen waren sich einig, dass die Situation in der gesamten Region weitgehend ähnlich ist.
Im privaten Sektor werden die Unternehmen oft durch lokale Großunternehmer kontrolliert, die von den Privatisierungsprozessen der 1990er-Jahre profitiert haben – Prozesse, die in den meisten Fällen korrupt waren. Frühere Manager aus der Zeit des Sozialismus wurden die neuen Eigentümer, erklärten viele Unternehmen für unrentabel und entließen Zehntausende Arbeitnehmer:innen. Allein in Nordmazedonien wurden 24 größere Unternehmen geschlossen, wodurch mehr als 35.000 Arbeitnehmer:innen – meistens über 50 Jahre alt – über Nacht ihre Arbeit verloren. Die früheren Managementstrukturen wendeten sich rentableren Geschäften zu, häufig durch Aktienmanipulationen ohne echte Investitionen. Die politische Zugehörigkeit spielt weiterhin eine wichtige Rolle: Ungeachtet der Frage, welche Partei gerade die Regierung stellt, werden Positionen in der Unternehmensführung mit politisch vernetzten Personen besetzt. Im öffentlichen Sektor sieht es auch nicht besser aus – die von den regierenden Parteien ernannten Vorstände missbrauchen häufig ihre Befugnisse und missachten Arbeitnehmerrechte.
Auch im Hinblick auf ausländische Investor:innen stellten die Teilnehmer:innen fest, dass die Bedingungen nicht viel besser sind. Viele in der Region tätige Unternehmen aus dem Westen weigern sich, Gewerkschaften anzuerkennen oder den Arbeitnehmer:innen den Beitritt zu diesen Gewerkschaften zu erlauben, obwohl sie aus demokratischen Ländern kommen. Insgesamt kann nur ein kleiner Prozentsatz der Arbeitnehmer:innen im Westbalkan wirklich sagen, dass sie menschenwürdige Arbeitsbedingungen erhalten.
Die Vertreter:innen von Gewerkschaftsverbänden aus den EU-Mitgliedstaaten wiesen darauf hin, dass ihre Situation ähnlich war, bevor ihr jeweiliges Land der EU beitrat. Laut ihren Berichten brachte die Mitgliedschaft in der EU durch die Durchsetzung von EU-Richtlinien und Arbeitsstandards bedeutende Verbesserungen mit sich.
Das Seminar widmete der Belästigung (Mobbing) und Diskriminierung am Arbeitsplatz besondere Aufmerksamkeit. In Nordmazedonien ist Mobbing weiterhin ein ernsthaftes, aber selten gemeldetes Problem. Bisher wurde nur ein einziger Fall erfolgreich gelöst, da viele Arbeitnehmer:innen zu viel Angst haben, Mobbing zu melden. Ein weiteres Thema war die friedliche Beilegung von Streitigkeiten, die von Professoren aus Belgrad anhand von Beispielen aus dem Arbeitsalltag ausführlich vorgestellt wurde. Dieser Prozess befindet sich in Nordmazedonien noch immer in der Anfangsphase und kann daher nur begrenzte Erfahrungswerte liefern.
Die Teilnehmer:innen waren sich einig, dass Seminare wie dieses für den Austausch von Erfahrungen und für die Bestimmung, worauf die Gewerkschaften ihre zukünftigen Bemühungen ausrichten sollten, entscheidend sind. Die wichtigsten Werte bleiben Einheit und Solidarität, da sie unerlässlich sind, um die Arbeitnehmer:innen wirksamer unterstützen zu können. Die Veranstaltung galt auch deshalb als absolut relevant, da die Regierungen im Westbalkan danach streben, den Beitritt ihrer Länder zur Europäischen Union zu beschleunigen – ein Ziel, das sowohl von den Arbeitnehmer:innen als auch von den Gewerkschaften geteilt wird.