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Alterssicherung: Gerechte Rentenchancen für Frauen

Bei der internationalen Tagung der Plattform IPEO (International Platform for Equal Opportunities), organisiert von AFB (Arbeiter-, Freizeit- und Bildungsverein) in Zusammenarbeit mit EZA und finanziert durch die Europäische Union befassten sich um die 46 Vertreter:innen von Arbeitnehmerorganisationen aus Südtirol/Italien, Deutschland, Österreich, Belgien und Serbien unter dem Thema „Alterssicherung: Gerechte Rentenchancen für Frauen“. Die Tagung fand am 11. und 12. September 2025 in Brixen/Italien statt.

Für viele Frauen ist das Erreichen des Rentenalters mit Armutsgefährdung verbunden. Vier Faktoren sind für den Gender Pension Gap zwischen Frauen und Männern ausschlaggebend: Geringere Versicherungszeiten infolge unbezahlter Familienauszeiten, familienbedingte Teilzeitarbeit, der Beschäftigung in von ihrer gesellschaftlichen Wertigkeit weniger geschätzten Berufszweigen und niedrigere Löhne. Das Ausmaß ist in den EU-Ländern unterschiedlich. Dänemark und Ungarn weisen nur geringe Unterschiede zwischen den Rentenbeträgen von Frauen und Männern auf. Ihnen stehen Länder wie in Österreich (39,7%), Italien (42,7%) und Deutschland (50%), gegenüber, die Spitzenwerte aufweisen. Ein erschwerter Zugang zum Arbeitsmarkt, geringere Karrierechancen sowie Auszeiten für Kindererziehung und – zunehmend – informelle Pflege im Familienkreis wirken sich negativ auf die Rentenberechnung aus. Expertinnen aus verschiedenen Ländern haben dies im Rahmen der Tagung von IPEO in Brixen (Italien) festgestellt und die Ursachen für die Benachteiligung der Frauen gegenüber den Männern beleuchtet.

Ganz allgemein betrachtet sind für niedrige Rentenausschüttungen Einschränkungen im Rentensystem selbst verantwortlich, was die Berechnung des Rentenanspruchs betrifft. Für die entsprechenden politischen Weichenstellungen diente vielfach das einseitig auf die Erwerbstätigkeit des Mannes ausgerichtete Bread-Winner-Modell als Bezugsrahmen, während Aspekte der Familienverantwortung ausgeblendet blieben. Die Erwerbstätigkeit der Frauen ist allerdings in den letzten Jahrzehnten deutlich angestiegen. Sie sind es vorwiegend, die aus familiären Gründen Auszeiten von der Berufstätigkeit nehmen oder sich für eine Teilzeitarbeit entscheiden. Der deutliche Gender Pay Gap zwischen Frauen und Männern zeigt, wie schwierig es ist, eingefahrene Rollenmodelle zu überwinden. Die EU-Richtlinie zur Lohntransparenz wird die Offenlegung von Lohndifferenzen fördern und damit auch die Gleichstellungsbemühungen erfolgreicher machen.

Die Wahrnehmung der Familienverantwortung im Laufe des Erwerbslebens erweist sich als Bumerang für den Rentenanspruch, wenn die Familienarbeit als zentrale gesellschaftliche Aufgabe nicht oder nur unzureichend für die Alterssicherung berücksichtigt wird. Frauen sind somit doppelt benachteiligt. Dies ist insbesondere in Zeiten anhaltender wirtschaftlicher Krisen mit Phasen unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der Fall, wie wir sie seit 15 Jahren erleben. Der durch die technischen Innovationen und nunmehr auch durch die generative KI angetriebene Umbruch in den Produktions- und Dienstleistungssystemen bewirkt die Obsoleszenz zahlreicher traditioneller Berufsbilder. Es bahnt sich also auch ein Umbau des Arbeitsmarktes an, der ebenfalls Phasen der Arbeitslosigkeit bzw. der beruflichen Umorientierung beinhaltet.

Teilzeitarbeit ist ein erfolgreiches Modell für die Vereinbarung von Familie und Beruf. Wenn Frauen aber zu lange darin verbleiben, so erweist sich Teilzeitarbeit in Rentensystemen, die auf die Anzahl der Beitragsjahre als zentralem Pfeiler gestützt sind, als Falle im Hinblick auf die Rentensicherung. In der Tat ist die Altersarmut vorwiegend weiblich. Es sind vor allem Frauen, die nicht direkt aus dem Erwerbsleben in die Rente wechseln und aufgrund der Beitragslücken häufig auf die Altersrente als einzige Alterssicherung angewiesen sind. Eine weitere Ursache für den niedrigen Rentenanspruch besteht in der horizontalen und vertikalen Segmentierung auf dem Arbeitsmarkt: Frauen sind vorwiegend in Sektoren mit niedrigerem Lohnniveau wie im Dienstleistungsbereich, im Handel und Tourismus beschäftigt. Sie stellen das Gros der Belegschaften in Berufszweigen mit geringerer gesellschaftlicher Anerkennung wie den sozialen Diensten und dem Gesundheitssystem, wo nur höhere Hierarchie- und Managementpositionen angemessene Einkommen erzielen. Wie bereits angesprochen, erhalten Frauen auch in Führungspositionen deutlich geringere Arbeitsentgelte trotz vergleichbarer beruflicher Aufgaben.

Ein Ländervergleich bestätigt, dass Erziehungs- und Pflegearbeit entweder gar nicht, nur ansatzweise und insgesamt noch ungenügend für die Rentenanspruch anerkannt werden. Auch die steuerlichen Regelungen für den Arbeitsmarkt und die Weiterarbeit nach dem Renteneintritt benötigen Anpassungen, um für die Familien-, Erziehungs- und Pflegearbeit nachteilige Rahmensetzungen zu korrigieren. Beispiele sind das Familiensplitting oder die Gewährung von Arbeitslosengeld bei der Kündigung der Arbeitsstelle im Zeitraum bis zum ersten Jahr des Kindes. 

Aus Sicht der Expertinnen sollten sich Gewerkschaften, andere Arbeitnehmerorganisationen und Sozialverbände mit mehr Zielstrebigkeit für die Besserstellung der aktuellen armutsgefährdeten Bezieherinnen von Mindestrenten einsetzen. Beispiele für die Anhebung der Mindestrenten gibt es bereits. Dazu gehört auch die Berücksichtigung des Kaufkraftverlustes der Renten infolge der Inflation. Auf systemischer Ebene ist eine bessere und von der Zielsetzung her paritätische Verankerung der Familienverantwortung in der Arbeitsmarktgesetzgebung anzupeilen. Vordringlich ist angesichts der akuten Armutsgefährdung von Frauen mit geringen Rentenversicherungszeiten die Verankerung der Anerkennung von Familienarbeit, Erziehungsarbeit und Pflegearbeit. Dies wird zunächst vor allem Frauen zugutekommen, öffnet aber auch Wege, um Männer für diese Aufgaben zu gewinnen. 

Diesbezüglich ist das Gebot der Stunde, mehr Partnerschaftlichkeit in der Elternrolle einzufordern und durch Anreize gezielt zu fördern. Familienarbeitszeitmodelle sind diesbezüglich ein innovativer Ansatz: Dieser besteht darin, dass Paare einvernehmlich die Arbeitszeit auf jeweils 28 bis 32 Stunden reduzieren, um mehr Raum für die Familienarbeit zu schaffen. Auf der Tagung angesprochen wurden auch Forderungen nach einer Anrechnung der familiären Pflegeleistungen bei Teilzeitarbeit, die Einführung eines Rechtsanspruches auf einen Betreuungsplatz in Kitas, Ganztagsschulmodelle als umfassende Entlastung der Eltern und Maßnahme für mehr Chancengerechtigkeit in der Kinderbetreuung sowie medizinisch indizierte Arbeitsunterbrechungen für Frauen bei Beschwerden in den Wechseljahren.

Ein wichtiges Einsatzfeld für das Empowerment von Frauen ist die finanzielle Allgemeinbildung. Statistische Erhebungen der OECD belegen, dass in einigen EU-Ländern generell die Finanzkompetenz der Bevölkerung unzureichend ist. Es fehlt also an Kenntnissen zur Finanzwelt und zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Spareinlagen. Frauen sind nicht nur bei Lohnverhandlungen zu zurückhaltend. Aufgrund der Verunsicherung leuchten sie die finanziellen Aspekte von Entscheidungen im Alltag, was Gütergemeinsamkeit oder Gütertrennung bzw. die Beanspruchung von Teilzeitarbeit aufgrund des Familienzuwachses nur ungenügend aus.