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Verantwortungsvolle Vergabe öffentlicher Aufträge? Die öffentliche Hand im Zwiespalt über ihre Rolle als Arbeitgeberin und als Garantin für hochwertige Arbeitsplätze

Vom 21. bis 23. Januar 2025 fand in Alcalá de Henares / Spanien ein Seminar zum Thema „Verantwortungsvolle Vergabe öffentlicher Aufträge? Die öffentliche Hand im Zwiespalt über ihre Rolle als Arbeitgeberin und als Garantin für hochwertige Arbeitsplätze“ statt, das von USO – CCFAS (Unión Sindical Obrera – Centro Confederal de Formación y Acción Social) in Zusammenarbeit mit dem EZA organisiert und von der Europäischen Union finanziert wurde.

Als vorrangiges Thema wurde in erster Linie die Rolle von Gewerkschaften als soziale Akteure bei der Forderung von besseren Bedingungen für die Vergabe öffentlicher Aufträge hervorgehoben, die Arbeitnehmerrechte und einen gleichberechtigten Zugang zu menschenwürdiger Arbeit sowohl auf europäischer Ebene als auch in jedem einzelnen Land garantieren. 

In dieser Hinsicht wurde der Fokus auf den Leitfaden gelegt, der die zum EZA gehörenden Gewerkschaftsorganisationen vereint, die als gemeinsames Ziel den Humanismus und die Einsetzung für die Gewährleistung von Arbeitnehmerrechten und den gleichberechtigten Zugang zu diesen Rechten haben, wodurch die vielen Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer Identität und/oder ihrer geschlechtlichen Ausdrucksform, ihrer Behinderung oder sonstigen Benachteiligungen auferlegten Hürden beseitigt werden. Der Einsatz für Inklusion und Gleichstellung muss ein zentraler Punkt auf der Agenda von Gewerkschaften sein. 

Die erste Podiumsdiskussion zum Thema „Geschlechterfragen und Inklusion bei der Vergabe öffentlicher Aufträge“ befasste sich mit Fragen im Zusammenhang mit der Gleichstellung und Inklusion bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und konzentrierte sich dabei auf Situationen, in denen Frauen Ungleichheit erlebten, wobei besonders auf Frauen in ländlichen Gebieten eingegangen wurde und verschiedene Situationen aufgezeigt wurden, in denen Frauen in unterschiedlichen Erwerbsbereichen Mehrfachdiskriminierung erfuhren. Pläne zur Gleichstellung wurden als wirksame Strategie und hervorragende Möglichkeit vorgestellt, Arbeitnehmerrechte in Übereinstimmung mit den Erfahrungen aus Spanien und Portugal zu gewährleisten. 

Es wurde betont, dass es notwendig ist, die Situation der strukturellen Ungleichheit von Frauen zu bekämpfen, die die Einstellung durch von Frauen geführte Unternehmen behindert und einschränkt. Aufmerksamkeit galt auch der Unsicherheit und Voreingenommenheit gegenüber der Arbeit von Frauen, die das Geschlechtergefälle verursacht und vergrößert, sowie bewussten und unbewussten sexistischen Methoden bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Die Notwendigkeit, einfühlsame, sensibilisierte und geschulte Mitarbeiter:innen im öffentlichen Sektor zu haben, die die Geschlechterperspektive bei der Vergabe öffentlicher Aufträge berücksichtigen können, wurde hervorgehoben. 

Es wurde außerdem deutlich gemacht, dass die Verpflichtungen zur Gleichstellung in vielen Fällen im Laufe der Zeit und im politischen Diskurs gegen die Gleichstellung eine geringere Eigendynamik haben. Aus diesem Grund ist es unerlässlich, die Gleichstellungspolitik zu stärken, um soziale Veränderungen erreichen zu können, die sich auf die Vergabe öffentlicher Aufträge und die Arbeitsplätze auswirken. Die Erfahrungen in Europa (sowohl in Portugal als auch in Spanien) haben uns gelehrt, dass Gleichstellung nicht automatisch durch ein Dekret erreicht wird. Sie erfordert konstante Arbeit und ein solides politisches Bekenntnis, das von den Gewerkschaften gefördert werden muss, um die Einhaltung der Verpflichtungen sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene verlangen zu können. Die Aufgabe besteht darin, den intersektionalen Ansatz nicht zu vergessen und die Mehrfachdiskriminierung aufzuzeigen, die Frauen sowohl bei der Vergabe öffentlicher Aufträge als auch auf dem Arbeitsmarkt erleben. 

Die zweite Podiumsdiskussion des Seminars zum Thema „Herausforderungen und Chancen bei der Schaffung einer menschenwürdigen Beschäftigung“ beschäftigte sich mit den Herausforderungen, die sich durch die Auftragsvergabe für die menschenwürdige Beschäftigung ergeben. Dabei wurden die spanische und portugiesische Perspektive berücksichtigt, die gesammelten Erfahrungen in beiden Ländern sowie die europäischen Kriterien und Standards vorgestellt, die Einfluss auf diese Frage haben. In diesem Modul gelangte man zu dem Schluss, dass es dringend notwendig und unerlässlich ist, den Ley de Contratos del Sector Público (dt. etwa: Gesetz über Aufträge des öffentlichen Sektors) zu ändern, um eine sozialverträgliche öffentliche Auftragsvergabe zu erreichen, bei der zum Zeitpunkt der Vergabe die Qualität der Leistungen und der Beschäftigung wichtiger ist als die wirtschaftlichen Kosten. Oder zumindest, dass dies nicht das einzige Kriterium ist, das berücksichtigt werden sollte. Ebenso wichtig ist es, Betrug und zu geringe Beiträge zur Sozialversicherung und zur Staatskasse zu vermeiden sowie eine menschenwürdige und hochwertige Beschäftigung zu fördern, die tatsächliche Gleichstellung zwischen Männern und Frauen zu fördern und die Nichtdiskriminierung aufgrund des Geschlechts, des Alters, der sexuellen Orientierung, des Geburtslandes usw. zu unterstützen. 

Die dritte Podiumsdiskussion des Seminars war dem Thema „Eine faire und transparente Vergabe öffentlicher Aufträge“ gewidmet. Der Schwerpunkt lag auf der Notwendigkeit, sicherzustellen, dass die Unternehmen, die einen Auftrag erhalten, die Spezifikationen einhalten und optimale Leistungen abliefern. Um dies zu erreichen, müssen die Verwaltungen: 

  1. sozialverträgliche Spezifikationen erarbeiten, bei denen Qualität wichtiger ist als der Preis. 

  2. klare Kriterien für die Vergabe von Aufträgen aufstellen, mit einer proportionalen Formel zur Berechnung der Punktzahl, die klar und spezifisch die Einhaltung der aktuellen Gesetzgebung verlangt. 

  3. in den Spezifikationen Mechanismen festlegen, damit Verwaltungen und Arbeitnehmer:innen bei einer Nichteinhaltung durch die Unternehmen Verträge ohne Vertragsstrafe beenden können. 

Obenstehendes muss bei der Änderung des Gesetzes zur Deindexierung so abgeändert werden, dass die Wettbewerbspreise, wie auch in anderen Sektoren, basierend auf den Produktpreisen angepasst werden können (z. B. im Baugewerbe) und dass die Wettbewerbskosten bei Gehaltserhöhungen angepasst werden können, entweder aufgrund von vertraglichen Gehaltserhöhungen oder weil die Regierung die Löhne anpasst (Erhöhung des interprofessionellen Mindestlohns SMI). 

Zusätzlich muss auch die Art und Weise, wie die Schulden der Sozialversicherung begründet werden, um an Wettbewerben teilnehmen zu können, geändert werden. Weiterhin müssen eine Einhaltung der in einem Sektor geltenden Tarifverträge verlangt werden und Vertragsstrafen und Klauseln zur Beendigung von Verträgen enthalten sein, wenn Gehälter systematisch verspätet oder nicht monatlich ausgezahlt werden. 

Zur Einhaltung des Gesetzes müssen die Gleichstellungspläne der Unternehmen ordnungsgemäß genehmigt und im REGISTRO Y DEPÓSITO DE CONVENIOS COLECTIVOS (dt. etwa: Registrierung und Hinterlegung von Tarifverträgen (REGCON)) eingetragen werden. Darüber hinaus wurde auch der dringende Bedarf hervorgehoben, ein Amt für die Überwachung und Kontrolle öffentlicher Aufträge in allen öffentlichen Verwaltungen, die Aufträge vergeben haben, einzurichten. Ebenso ist es notwendig, die Anforderungen an die wirtschaftliche und technische Zahlungsfähigkeit der Unternehmen innerhalb der gesetzlich zulässigen Grenzen zu erhöhen und die Beteiligung sozialer Akteure in allen Phasen des Wettbewerbs zu erlauben. 

Es ist unerlässlich, eine Formel zur Verfügung zu haben, die einer geringfügigen Verringerung des wirtschaftlichen Angebots keine große Bedeutung beimisst, während bei der Auswahl des Angebotes mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis immer notwendigerweise auch der Preis und die Bedeutung der Vergütung der Arbeitnehmer:innen in der sektoralen Kostenstruktur berücksichtigt werden. 

Das letzte Modul des Seminars widmete sich dem Thema der „Öffentlichen Auftragsvergabe für externe Leistungen“. Die Arbeitsplatzunsicherheit auf Kosten der öffentlichen Auftragsvergabe gehört zu den zentralen Elementen, die bekämpft werden müssen. Die Ausführungsphasen der öffentlichen Auftragsvergabe beinhalten spezifische Komplexitäten und verlangen solide institutionelle Kompetenzen, um sicherzustellen, dass alle Phasen korrekt ausgeführt werden. Als soziale Akteure haben Gewerkschaften die Verpflichtung, die Einhaltung des Gesetzes zu verlangen und zu fordern, dass die Spezifikationen bei der Ausführung öffentlicher Aufträge Garantien zur Einhaltung der Arbeitnehmerrechte mit ihren jeweiligen Gehaltsaktualisierungen festlegen. Das technische Personal der öffentlichen Verwaltungen trägt bei öffentlichen Aufträgen eine große Verantwortung. Es muss die Einhaltung der rechtlichen Grundsätze garantieren und wir als Gewerkschaften müssen die korrekte Ausführung überwachen und darauf achten. 

Versäumnisse seitens der Unternehmen bei der Ausführung öffentlicher Aufträge dürfen vom öffentlichen Sektor nicht hingenommen werden. Und auch die Qualität privatisierter Leistungen sollte nicht aufgrund von Preissenkungen darunter leiden dürfen. Die erfolglosen Ausschreibungen zeigen, dass bei öffentlichen Aufträgen das niedrigste wirtschaftliche Angebot als vorrangiges Kriterium gilt. 

Es wurde auch darauf hingewiesen, dass Sicherheits-, Reinigungs- und Ambulanzdienste zu denjenigen Leistungen gehören, die der Vergabe öffentlicher Aufträge unterliegen, die die meisten Mängel aufweisen und die die wenigsten materiellen Ressourcen für ihre Ausführung zur Verfügung haben. Zusätzlich wurde der Schwerpunkt auf das legitime Interesse und die aktive Legitimation von Gewerkschaften gelegt, gegen missbräuchliche Ausschreibungen Einspruch zu erheben, bei denen die Interessen und Rechte der Arbeitnehmer:innen gefährdet werden. Es wurden verschiedene Möglichkeiten bei einer verantwortungsbewussten Vergabe öffentlicher Aufträge dargelegt, wie Diskretion, eine nicht vorhandene Systematisierung der Unternehmen, die nicht an der Vergabe teilnehmen dürfen, sowie das Fehlen einer geeigneten Überwachung. 

Darüber hinaus befasste sich dieser runde Tisch mit den internationalen Standards bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und es wurden die Besonderheiten der EU-Richtlinien und die Mängel des Gesetzes 9/2017 über öffentliche Aufträge in ihrer Umsetzung analysiert. In dieser Hinsicht wurde auch betont, dass die EU-Richtlinien Vorschläge enthalten, die von den Gewerkschaftsorganisationen erarbeitet wurden, an denen auch USO teilgenommen hat. In diesem Prozess des europäischen sozialen Dialogs wurden Anstrengungen unternommen, um sicherzustellen, dass bei der Vergabe öffentlicher Aufträge die Arbeitnehmerrechte gewährleistet werden und dass Staaten ihr nationales Recht im Einklang mit diesen internationalen Hilfsmitteln gesetzlich harmonisieren. Unter den Inhalten dieser Richtlinien wurden Sozialklauseln, Gleichstellungsmaßnahmen, Transparenz und Nichtdiskriminierung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge besonders hervorgehoben. 

Abschließend kann festgehalten werden, dass die Vergabe öffentlicher Aufträge vor großen Herausforderungen im Hinblick auf die Erreichung ihrer Ziele steht. Die Erzielung einer inklusiven Vergabe öffentlicher Aufträge mit einer Geschlechterperspektive ist unerlässlich, damit sie wirksam ist und in Übereinstimmung mit demokratischen Grundsätzen erfolgt. Die gesammelten Erfahrungen haben uns gezeigt, dass wir mehr Transparenz, eine Standardisierung der Arbeitsweise und Kriterien benötigen, die es nicht erlauben, Angebote durch die Aufgabe von Arbeitsbedingungen und der grundlegenden Rechte billiger zu machen. Ebenso ist eine Gewährleistung der Einhaltung der Grundsätze von Rechtssicherheit, Rechtmäßigkeit, Transparenz und Wahrung der Grundrechte bei den Vergabeprozessen für öffentliche Aufträge notwendig. Als Gewerkschaftsorganisationen müssen wir eine stärkere Überwachung durch öffentliche Verwaltungen verlangen und die Vergabeprozesse begleiten, die Mängel dabei sichtbar machen und verbesserungswürdige Punkte sowie den Bedarf nach gesetzlichen und operativen Änderungen aufzeigen, um eine verantwortungsbewusste Vergabe öffentlicher Aufträge zu festigen, bei der die Arbeitnehmerrechte eingehalten werden.