Das Seminar mit dem Titel „Sorgfaltspflicht und Verantwortung in der Lieferkette: Bekämpfung von Menschenhandel und Ausbeutung von Arbeitskräften“ fand vom 28. bis 30. Oktober 2024 in Belgrad/Serbien statt. Es wurde von der Gewerkschaft der Bauarbeiter:innen und IGM Serbien in Zusammenarbeit mit ACV Building – Industry & Energy, Belgien (ACVBIE) und dem Christlichen Nationalen Gewerkschaftsbund (CNV) der Niederlande organisiert. Die Veranstaltung fand im Rahmen des EZA-Sonderprojekts für Arbeitnehmerorganisationen in den Beitrittskandidatenländern statt und wurde von der Europäischen Union finanziert.
Auf dem Seminar kamen 35 Teilnehmer:innen zusammen, darunter Gewerkschaftsvertreter:innen aus der Baubranche, der Baustoffindustrie, der Forstwirtschaft, der Holzindustrie und dem Straßenbau. Die Teilnehmer:innen kamen aus Slowenien, Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Nordmazedonien, Serbien, Belgien, den Niederlanden und Österreich.
Zu den namhaften Referent:innen gehörten der Generalsekretär der Europäischen Föderation der Bau- und Holzarbeiter (EFBH), Vertreter:innen des Büros der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) in Serbien, der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ GmbH), der National Agency for Peaceful Resolution of Labor Disputes und der Nichtregierungsorganisation Astra.
Die Teilnehmer:innen untersuchten wichtige Grundsätze, bewährte Methoden und Initiativen im Zusammenhang mit der Sorgfaltspflicht. Die Themen umfassten:
Die Rolle des EFBH und die von ihm erarbeiteten Mittel
Die Auswirkungen von Sozialdumping auf Bauarbeiter:innen in der EU
Mechanismen und Verfahren zur Beilegung von Beschwerden
Projekte mit dem Schwerpunkt auf Verantwortlichkeiten in der Lieferkette und bei der Sorgfaltspflicht
Interne und externe Schutzmechanismen zur Bekämpfung der Ausbeutung von Arbeitskräften.
Das Seminar bot eine wertvolle Plattform für den Wissensaustausch und die Förderung der Zusammenarbeit zur Bewältigung der Herausforderungen in den Lieferketten bei gleichzeitiger Förderung der Rechte von Arbeitnehmer:innen und der Bekämpfung der Ausbeutung.
Schlussfolgerungen
Sorgfältige Prüfung der Menschenrechte (Human Rights Due Diligence, HRDD): Ein rechtliches und ethisches Mandat
Die Umsetzung der HRDD verändert die Unternehmensverantwortung, indem sie sie auf die gesamte Lieferkette ausdehnt und sie von freiwilligen Maßnahmen zu rechtsverbindlichen Verpflichtungen macht. Unternehmen müssen nun rechtlich zur Rechenschaft gezogen werden, wobei die nationalen Aufsichtsbehörden befugt sind, Bußgelder zu verhängen, und Einzelpersonen und Gemeinschaften Zugang zu Rechtsmitteln zur Entschädigung erhalten.
Transparenz wird zu einer zentralen Anforderung, die Unternehmen dazu verpflichtet, ihre Verfahren zur Sorgfaltsprüfung offen zu legen. Diese Verlagerung fördert die betriebliche Effizienz, reduziert Arbeitsunterbrechungen und stärkt das Vertrauen von Investor:innen und Verbraucher:innen, was der steigenden Nachfrage nach ethischen und nachhaltigen Geschäftsmethoden entgegenkommt.
HRDD: Eine Säule für die Gewerkschaften
Die HRDD unterstützt direkt die Ziele der Gewerkschaften, indem sie sicherstellt, dass Unternehmen die Menschenrechte einhalten und ethische Verfahren innerhalb der Lieferketten fördern. Sie trägt dazu bei, Zwangsarbeit, unsichere Arbeitsbedingungen und Diskriminierung zu verhindern und gleichzeitig die Rechenschaftspflicht und Transparenz zu erhöhen, insbesondere bei multinationalen Unternehmen.
Dieser Rahmen kommt sowohl den Unternehmen als auch den Arbeitnehmer:innen zugute und schafft ein faireres und gerechteres Umfeld für alle Beteiligten.
Die Richtlinie der Europäischen Kommission über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (Directive on Corporate Sustainability Due Diligence, CSDD)
Diese Richtlinie, die seit Juli 2024 in Kraft ist, zielt darauf ab, nachhaltiges Unternehmensverhalten zu fördern und negative Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt in globalen Wertschöpfungsketten anzugehen.
Für die Bürger:innen gewährleistet sie einen stärkeren Schutz der Arbeitnehmerrechte, Zugang zur Justiz für die Opfer sowie eine gesündere Umwelt. Für Unternehmen bietet sie einen harmonisierten Rechtsrahmen, Rechtssicherheit sowie gleiche Wettbewerbsbedingungen und verbessert gleichzeitig das Risikomanagement und die Wettbewerbsfähigkeit.
Die Rolle von HRDD, CSDD und der Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) für die Nachhaltigkeit von Unternehmen.
Diese Rahmen ermöglichen es Unternehmen, potenzielle Menschenrechtsverletzungen und Umweltauswirkungen zu erkennen, zu verhindern und abzumildern, wobei Nachhaltigkeit und Verantwortung auf allen Ebenen Vorrang haben.
Die Gewerkschaften spielen eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, Unternehmen zur Rechenschaft zu ziehen, die Rechte von Arbeitnehmer:innen zu schützen und faire Arbeitsbedingungen zu fördern, um sicherzustellen, dass der Profit nicht auf Kosten der Menschen oder des Planeten geht. Um diese Ziele zu erreichen, ist die Zusammenarbeit zwischen Regierungen, Unternehmen, Zivilgesellschaft und Gewerkschaften unerlässlich.
Ineffizienz der arbeitsrechtlichen Streitbeilegungsverfahren
Herkömmliche rechtliche Möglichkeiten zur Beilegung von Arbeitskonflikten erweisen sich oft als unzureichend, so dass auf interne Beschwerdemechanismen zurückgegriffen werden muss. Diese Mechanismen bieten Arbeitnehmer:innen eine Plattform, um Beschwerden einzureichen, wenn ihre Rechte verletzt werden, und fördern so Fairness und Unparteilichkeit.
Vorteile von Beschwerdemechanismen
Beschwerdemechanismen verbessern die Transparenz und Harmonie am Arbeitsplatz, verhindern die Eskalation von Konflikten und bieten einfache, wirksame Lösungen für Streitigkeiten. Sie ermöglichen es Arbeitnehmer:innen auch, ihre Rechte ohne Einmischung von außen wahrzunehmen, was das Vertrauen und die Stabilität innerhalb der Unternehmen fördert.
Interne Beschwerdemechanismen
Diese Mechanismen verringern den Rückgriff auf langwierige Gerichtsverfahren und ermutigen Arbeitnehmer:innen, Probleme zu melden. Anonymität und Vertraulichkeit sind wesentliche Merkmale, die sicherstellen, dass sich Arbeitnehmer:innen sicher fühlen, wenn sie ihre Anliegen ohne Angst vor Vergeltungsmaßnahmen vorbringen.
Zugänglichkeit von Beschwerdemechanismen
Um wirksam zu sein, müssen die Beschwerdemechanismen in der Sprache der lokalen Bevölkerung zur Verfügung stehen, um die Zugänglichkeit und Nutzbarkeit zu gewährleisten.
Wissenslücken bei Gewerkschaftsvertreter:innen
Vielen Gewerkschaftsvertreter:innen in den EU-Bewerberländern fehlt es an Vertrautheit mit den EU-Mitteln zur Sorgfaltspflicht und den Beschwerdemechanismen, was den Bedarf an gezielten Schulungen und Aufklärung deutlich macht.
Herausforderungen bei der Bekämpfung der Ausbeutung von Arbeitskräften
NRO wie Astra sehen sich mit erheblichen Hindernissen konfrontiert, darunter Beziehungen zwischen Staat und Arbeitgeber:innen, unzureichende staatliche Maßnahmen und die Komplexität der Unterauftragsketten. Bewährte Methoden, wie die erfolgreiche Kommunikation zwischen Astra und Volkswagen, zeigen, wie wichtig Zusammenarbeit und Sorgfalt bei der Bekämpfung der Ausbeutung sind.
Bewährte Methoden und Zusammenarbeit
Die Umsetzung bewährter Methoden bei der Sorgfaltspflicht, die Gewährleistung von Transparenz, die Förderung der sektorübergreifenden Zusammenarbeit und die Förderung eines wirksamen sozialen Dialogs sind entscheidend, um die Ausbeutung von Arbeitskräften zu bekämpfen und die Rechte von Arbeitnehmer:innen zu stärken.
Die Zukunft der Gewerkschaftsbewegung
Die Gewerkschaften müssen ihre Partnerschaften mit NRO stärken und sich mit jüngeren Generationen zusammentun, um ihren Maßnahmen neue Energie und Begeisterung zu verleihen.
Anpassung an neue Herausforderungen
Die Gewerkschaften in der EU und den umliegenden Regionen müssen sich an die sich verändernden Bedingungen anpassen, ihre Anstrengungen bündeln und ihre Arbeit modernisieren, um den neuen Herausforderungen wirksam begegnen zu können.
Bewältigung des Zustroms von Wanderarbeitnehmer:innen
Die Nachfrage nach Arbeitskräften in der EU hat zu einem Zustrom von Arbeitnehmer:innen aus dem Fernen und Nahen Osten geführt, was neue gewerkschaftliche Strategien zur Verhinderung von Ausbeutung und zum Schutz der Rechte dieser Arbeitnehmer:innen erforderlich macht.
Die Teilnehmer:innen betonten, dass der größte Nutzen des Seminars darin bestand, neue Informationen zu erhalten und Erfahrungen auszutauschen, die künftige gewerkschaftliche Maßnahmen fördern, die Solidarität unter den Gewerkschaften stärken und ihre Ansätze mit den Modellen der Interessenvertretung der europäischen Gewerkschaften in Einklang bringen werden.
Die Teilnehmer:innen bedankten sich herzlich bei der Europäischen Union, dem Europäischen Zentrum für Arbeitnehmerfragen (EZA), dem ACV Building – Industry & Energy of Belgium (ACVBIE) und dem Christlichen Nationalen Gewerkschaftsbund (CNV) der Niederlande für ihre unschätzbare finanzielle und/oder organisatorische Unterstützung, die für den Erfolg des Seminars wesentlich war.