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Kapazitätsaufbau einer modernen Gewerkschaft: Stärkung der Bildungs- und Digitalisierungsaspekte

Der Titel des Seminars vom 27. und 28. November lautete: „Kapazitätsaufbau einer modernen Gewerkschaft: Stärkung der Bildungs- und Digitalisierungsaspekte“. Insgesamt nahmen 40 Vertreter:innen von Arbeitnehmerorganisationen aus 11 Ländern sowie 18 Referent:innen daran teil. Das Seminar, das in Kappara/Malta stattfand, wurde von UHM Voice of the Workers mit Unterstützung des EZA organisiert und von der Europäischen Union finanziert. 

Zweck und Ziele des Projektes 

Bei diesem Projekt soll untersucht werden, wie Gewerkschaften auf den sich verändernden Arbeitsmarkt und insbesondere auf die Auswirkungen von künstlicher Intelligenz reagieren und mit den existenziellen Bedrohungen umgehen sollten, indem sie ihre Aufgaben breiter fächern. Dies lässt sich dadurch erreichen, dass sie über ihre traditionelle Rolle bezüglich der Wahrung der Rechte ihrer Mitglieder und von Tarifverhandlungen hinausgehen und auch Bildungsaspekte miteinbeziehen. Letzteres beinhaltet lebenslanges Lernen, Umschulungen/Fortbildungen und das Knüpfen engerer Beziehungen zu Bildungseinrichtungen, sei es auf akademischer oder beruflicher Ebene oder sogar mit eigenen, speziell dafür vorgesehenen Einrichtungen. 

Solche Initiativen helfen dabei, die allgemeine Relevanz von Gewerkschaften zu stärken, darunter auch in der Rolle als Interessenvertreterin bei der Bekämpfung des Arbeitskräftemangels in quantitativer und qualitativer Hinsicht. Diesbezüglich ist der Kompetenzaufbau entscheidend.   

Darüber hinaus erleichtert der Einzug der Digitalisierung die Kerntätigkeiten und die Kommunikation mit der Basis, was wiederum den sozialen Dialog stärkt. Aus diesem Grund verfolgt das Seminar die folgenden Ziele: 

  • Analyse der Herausforderungen, mit denen Arbeitnehmerorganisationen in Bezug auf den Kompetenzaufbau und die Organisationsstruktur konfrontiert sind 

  • Analyse der Auswirkungen der Digitalisierung auf den Kompetenzaufbau für eine moderne Gewerkschaft 

  • Auswertung erfolgreicher Projekte und Arbeitsgemeinschaften, die zeigen, wie Gewerkschaften sich eingehend mit dem Bildungssektor als eine Institution befassen, die sowohl eine berufsbildende als auch eine akademische Ausbildung anbietet 

  • Untersuchung der Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeit einer Gewerkschaft zur Steigerung der Effizienz und zur Stärkung des Kontakts zur Basis 

  • Analyse der Möglichkeiten, wie sich eine starke Führung an der Spitze der Gewerkschaften entwickeln lässt 

  • Diskussion über die existenziellen Bedrohungen, mit denen Arbeitnehmerorganisationen konfrontiert sind, und über die Möglichkeiten, um auf den sich verändernden Arbeitsmarkt zu reagieren 

  • Diskussion über die Möglichkeiten, wie Arbeitnehmerorganisationen soziale Medien bestmöglich einsetzen können, um ihre Kommunikationskanäle zu stärken und den Kontakt zur Basis zu halten. 

Ergebnisse und Handlungsaufforderungen: 

  • Gewerkschaften sind einer existenziellen Bedrohung ausgesetzt, wenn sie weiterhin den traditionellen Ansatz verfolgen, der sie für junge Menschen nicht sonderlich attraktiv macht, da diese jungen Menschen Gewerkschaften als anachronistische Organisationen betrachten. 

  • Ein Teil des Mitgliederrückgangs in Gewerkschaften lässt sich auf eine größere berufliche Mobilität zurückführen. Anstatt sich Gewerkschaften zuzuwenden, suchen benachteiligte Arbeitnehmer:innen zunehmend nach anderen vielversprechenden Möglichkeiten, um Verbesserungen für sich zu erreichen. 

  • Eine transformative Führung in Gewerkschaften sollte inspirieren und motivieren, Innovationen fördern und im Bereich ethisches Verhalten ein Beispiel sein. 

  • Gute Verhandlungsfähigkeiten sind für eine erfolgreiche Führung entscheidend. Dies lässt sich erreichen, indem man jegliche Art von Voreingenommenheit, verzerrten Haltungen und Vorurteilen vermeidet. 

  • Technologische Hilfsmittel, die die Rechte oder Privatsphäre potenziell verletzen könnten, sollten vermieden werden. 

  • KI und Algorithmen sollten durch etablierte Regulierungsrahmen zur Rechenschaft gezogen werden können. 

  • Arbeitnehmerorganisationen sollten in Bezug auf Fortbildungen und die Stärkung der beruflichen Weiterentwicklung der Arbeitnehmer:innen eine größere Rolle spielen. 

  • KI kann die Gewerkschaften wesentlich dabei unterstützen, bestimmte Merkmale zu ermitteln, die erhebliche Auswirkungen auf ihre Mitgliederbasis haben und Entscheidungen und Vorschriften beeinflussen können. KI kann außerdem dabei helfen, bestimmte Verwaltungsaufgaben zu automatisieren. 

  • Gewerkschaften dürfen KI nicht als Bedrohung betrachten, sondern müssen sie als transformatives Hilfsmittel sehen, das ihre Stimme und ihren Einfluss verstärkt. 

  • Ein Vorschlag für eine EU-Verordnung zur Nutzung von KI und Algorithmen am Arbeitsplatz sollte ernsthaft in Erwägung gezogen werden. 

  • Tarifverhandlungen müssen auch Bestimmungen zur Regulierung des Einflusses von KI und algorithmischem Management am Arbeitsplatz beinhalten. 

  • Soziale Medien sind zu einem wichtigen Kommunikationsmittel für Gewerkschaften geworden. Gelingt es nicht, ihre Macht zu nutzen, könnte dies eine große Gefahr für die Zukunft der Organisation bedeuten. Daher ist es wichtig, eine Online-Community aufzubauen, eine aktive Beteiligung sowie Diskussionen zu fördern und Neuigkeiten zur Arbeit der Gewerkschaften in den sozialen Medien zu teilen. 

  • Gewerkschaften können ihre Reichweite durch Storytelling und Erfahrungsberichte erhöhen, da sich die meisten Menschen eher mit Situationen aus dem echten Leben identifizieren können. So lassen sich Mitglieder bei Bedarf einfacher mobilisieren. 

  • Gewerkschaften müssen spezielle Richtlinien und Teams für soziale Medien haben und ihre Vorgehensweise regelmäßig analysieren, um sie entsprechend anpassen zu können. 

  • Damit diese Ideen und Vorschläge auch umgesetzt werden können, bedarf es schließlich finanzieller Unterstützung, da die Gewerkschaften nur über die Mitgliedsbeiträge finanzielle Mittel erhalten. Diese Einnahmequelle wird durch Trittbrettfahrer gefährdet. Daher sind gesetzliche Bestimmungen notwendig, die vorschreiben, dass nur diejenigen, die entweder direkt oder indirekt Beiträge für ihre Mitgliedschaft zahlen, auch die Vorteile eines Tarifvertrages erhalten dürfen. 

  • Da die Unterstützung der EU für den Kompetenzaufbau nicht bis in alle Ebenen reicht, besteht die Notwendigkeit, eine zentrale europäische Agentur zu gründen, deren Aufgabe es ist, Gewerkschaften beim Umgang mit den sich verändernden Realitäten auf dem Arbeitsmarkt zu unterstützen. 

Schlussfolgerung 

Auf dem zweitägigen Seminar kamen unterschiedliche Perspektiven zusammen, wie mit den entstehenden Herausforderungen und Chancen auf dem Arbeitsmarkt umzugehen ist. Es wurde erneut bekräftigt, dass Gewerkschaften bei der Gestaltung der Zukunft der Arbeit eine zentrale Rolle spielen. Durch die Offenheit gegenüber Innovationen, den Ausbau von Bildungsmaßnahmen und die Nutzung der Digitalisierung können Gewerkschaften auch im modernen Zeitalter ein Grundpfeiler der Arbeitnehmervertretung bleiben. Diese Veranstaltung dient als Grundlage für die weitere Zusammenarbeit und für Fortschritte zur Erreichung dieser wesentlichen Ziele.