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Inflation und Verlust der Kaufkraft, was tun?

Ein Seminar zum Thema „Inflation und Verlust der Kaufkraft, was tun?“ wurde vom 13. bis 16. Juni 2024 in Torres Novas, Bezirk Santarém, Portugal, abgehalten. Die Arbeiten fanden im Museum des Kraftwerks Caldeirão statt. Es wurde von LOC/MTC (Liga Operária Católica - Movimento de Trabalhadores Cristãos) in Zusammenarbeit mit EZA organisiert und finanziert durch die Europäische Union. An der Veranstaltung nahmen Arbeitnehmer-Vertretende aus Deutschland, Frankreich, Italien, Portugal und Spanien teil.

An der Auftaktsitzung nahmen der Bischof von Santarém, José Traquina, der die Sitzung leitete, Pedro Ferreira, Bürgermeister von Torres Novas, João Paulo Branco, EZA-Vorstandsmitglied und Américo Monteiro, Nationaler Koordinator von LOC/MTC teil. Im Namen der LOC/MTC dankte Américo Monteiro allen Unterstützern für die Ausrichtung des Seminars sowie allen nationalen und internationalen Teilnehmern und Hauptrednern der einzelnen Sitzungen für ihre Bemühungen, an diesem Seminar teilzunehmen und so zur Debatte über dieses wichtige Thema beizutragen. Er nutzte die Gelegenheit, um die Rolle der Sozialökonomie als Gegenprojekt zum derzeitigen kapitalistischen System zu betonen und darauf hinzuweisen, wie wichtig es sei, die kleinen positiven Erfahrungen, kleine Räder im Getriebe, die es im ganzen Land gebe, bekannter zu machen. Er wies auf 8 extreme Herausforderungen hin, vor denen die Menschheit heute stehe: Ungleichheit, Krieg, Entmenschlichung der Beziehungen, Pandemien, Erschöpfung der natürlichen Ressourcen, Klimawandel, Arbeitslosigkeit und demografische Überalterung. 

João Paulo Branco stellte im Namen von EZA kurz die Arbeit vor, die die Organisation zusammen mit ihren Partnern in der Europäischen Union geleistet hat, und unterstrich, wie wichtig es sei, sich für ein Europa des Friedens einzusetzen und die Demokratie zu stärken, und dass wir die Möglichkeiten, die uns die Demokratie biete, nicht ungenutzt lassen dürfen, sondern uns vielmehr für die Verteidigung der Demokratie starkmachen müssen.

Der Bürgermeister von Torres Novas dankte uns dafür, dass wir seine Stadt für die Durchführung des Seminars ausgewählt haben. Er sagte, es sei eine Gepflogenheit, die Mitglieder von LOC/MTC an den verschiedenen Orten der Bürgerbeteiligung in der Gemeinde und darüber hinaus zu treffen, und dass nun jeder inspiriert von diesem Ort, an dem wir das Seminar abhalten, mit mehr Energie und gestärkt für seine tägliche Aufgabe abreisen würde.

Der Bischof von Santarém, José Traquina, wies auf einige soziale Probleme hin und betonte, dass Portugal im Allgemeinen ein gastfreundliches Land und dass dies ein sehr positiver Aspekt der portugiesischen Gesellschaft sei. Es gebe einen Anteil armer Menschen, der mit der Zeit leider zunehme. Wir können nicht akzeptieren, dass so viele Menschen von Armut bedroht seien, obwohl viele von ihnen in Lohn und Brot stehen. Es gebe hier etwas Strukturelles, das nicht richtig funktioniere. Die Welt heute sei sehr anspruchsvoll und Ausbildung von grundlegender Bedeutung. Wir müssen daher die Menschen befähigen, aus diesem Kreislauf der Armut auszubrechen. Er hob auch hervor, dass es unverständlich sei, dass Portugal das Land Europa mit den größten Einkommensunterschiede sei. Portugal müsse sich dem europäischen Schnitt weiter annähern.

In der ersten Sitzung, moderiert von Manuela Neves, Diözesankoordinatorin von LOC/MTC von Santarém, ging es um Preisauftrieb, Kaufkrafteinbußen und ihre Auswirkungen auf die Arbeitsbeziehungen und das Leben der Arbeitnehmer, und darum, was dagegen getan werden kann. Pedro Estevão, Soziologieforscher am Collaborative Laboratory for Labour, Employment and Social Protection - CoLABOR, versuchte uns zu helfen, alle Auswirkungen der Teuerung nachzuvollziehen, indem er erklärte, dass es mehrere konkurrierende Theorien zur Inflation gebe. Inflationskrisen haben unterschiedliche Anlässe, die Gründe ändern sich, aber Inflation bedeute, dass man für dasselbe Geld weniger kaufen kann. Er sprach über die Methoden zur Eindämmung der Inflation, dass die Maßnahmen den verschiedenen Realitäten Rechnung tragen sollten, was jedoch selten geschehe, und die Teuerung daher bei steigenden Zinsen zu einer Rezession und einer Abkühlung der Wirtschaft führe. Eine Inflation bringe Gewinner und Verlierer hervor, und wir sollten uns fragen, wie die Kosten und Gewinne verteilt werden und warum die Inflationsrate nicht überall in Europa gleich hoch sei. Die Art und Weise, wie die Inflationsindikatoren ausgewählt werden, habe durchaus einen Einfluss und sollte, wie bereits früher schon, Vertreter der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen einbeziehen. Wir sollten uns darauf konzentrieren, wie wir uns in solchen Situationen organisieren können, man denke zum Beispiel an Konsumgenossenschaften und andere Formen.

In der zweiten Sitzung, die von Graciete Marques, der Diözesankoordinatorin von LOC/MTC in Aveiro, moderiert wurde, beschrieb Joaquim Arriola Palomares, der an der Universität des Baskenlandes in Wirtschaftswissenschaften promoviert hat, den historischen und zeitlichen Kontext, in dem sich verschiedene politische, wirtschaftliche und soziale Veränderungen in Europa vollziehen. Fast die Hälfte des weltweiten Reichtums befinde sich in den Händen von 1 % der Bevölkerung, wohingegen 52 % der Bevölkerung über nur etwa 1 % des Reichtums verfügen, also eine Bereicherung der Reichsten und Verarmung der Ärmsten erfolge. Das große Problem bestehe heute darin, dass der geschaffene Reichtum sehr schlecht verteilt sei und gerade die niedrigeren Löhne nicht mit der Inflation Schritt gehalten haben, so dass ein kleiner Preisauftrieb für sie große Einschnitte bedeute.

Wir müssen Eigentum neu überdenken, das Bankensystem auf das Gemeinwohl ausrichten, einer ethischen Wirtschaft mehr Bedeutung beimessen, die würdige und sichere Arbeit für alle, insbesondere für Frauen, anerkennt und schützt. Die Ökonomie-Konzepte von Papst Franziskus sei zu kurz gekommen. Nichts deute heute auf eine größere Umverteilung des Reichtums hin, und wenn der Besitz von Gütern ein bestimmtes Niveau übersteige, werde dies unwürdig.

In der dritten Sitzung, die von Rui Lavoura, dem nationalen Schatzmeister von LOC/MTC, moderiert wurde, fand ein RUNDER TISCH zum Thema " Inflation und Kaufkraftverlust: Wie wirken sie sich auf die Arbeitsbeziehungen und das Leben der Arbeitnehmer in den einzelnen Ländern aus?" statt. Wilfried Wienen von der KAB Deutschland reflektierte über die Realität in Deutschland und sagte, dass die Inflation dort traditionell sehr niedrig gewesen sei. Im Zuge des nun starken Anstiegs der Teuerung habe die Regierung verschiedene Maßnahmenpakete zur Unterstützung von Arbeitnehmern und Rentnern, etwa durch Senkung der Steuern und Abmilderung des starken Anstiegs der Kraftstoffpreise aufgelegt. Er stellte fest, dass die Preise in Deutschland so hoch seien, dass eine bestimmte Anzahl von Menschen nicht vor Armut geschützt seien. Gleichzeitig haben beispielsweise auch Besserverdienende von den Kraftstoffsubventionen profitiert und Erzeugerfirmen sich wiederum dumm und dämlich verdient.

Ricardo Coelho von LOC/MTC in Portugal wies darauf hin, dass die heutige Inflation vor allem mit dem Krieg in der Ukraine, dem Anstieg des weltweiten Konsums und der Ressourcenknappheit zusammenhänge. Die Einkommen in Portugal und Europa haben mit der Teuerung nicht Schritt gehalten und die Menschen seien im Rahmen der kalten Progression effektiv ärmer geworden. Der Euribor-Satz, der zuvor fast negativ war, sei stark angestiegen, was das Leben für diejenigen, die ihre Hypotheken abstottern müssen, sehr schwierig mache. Er sagte, dass ein Vergleich mit anderen Ländern immer hinke, da dieser stark von den Preisen der Dienstleistungen in jedem Land abhänge, trotzdem nutzte er die Gelegenheit, einen vergleichenden Überblick zu geben, damit man die Unterschiede nachvollziehen könne.

Josep Bonastre Alemany und Jordi Soriano der spanischen ACO haben kundgetan, dass verschiedene Maßnahmen in Spanien ergriffen wurden, da die Schwierigkeiten der Mittelschicht erheblich zugenommen haben. Ob auf Druck der sozialen Bewegungen oder aus wahltaktischen Gründen, Tatsache sei, dass verschiedene Maßnahmen ergriffen wurden. Diese Realität habe alle beeinträchtigt, aber nicht alle in gleicher Weise, ganz besonders seien junge Leute negativ betroffen, für die es sehr schwierig sei, eine Wohnung zu finden oder ihre Hypotheken abzuzahlen. Vielen blieb nur die Möglichkeit der Hausbesetzung. Viele Personen seien in der derzeitigen Situation nicht in der Lage, der Armut zu entfliehen.

Karl Brunner der EBCA erörterte einige Aspekte, die das Leben in Südtirol und ganz Italien betreffen. Man könne sagen, dass es in Südtirol kaum Arbeitslosigkeit im klassischen Sinne gebe, dasselbe könne man von Italien nicht behaupten. So sei das Wohnen im Oberetschland mittlerweile sehr teuer, fast auf dem Niveau von London, Paris und München. Unter diesen Bedingungen sei es schwierig, Kinder zu haben und eine Familie zu gründen. Die Wirtschaft in Südtirol boome derzeit, aber die Arbeitnehmer profitieren nicht viel davon, vielmehr haben sie es immer schwerer. Viele Unternehmen haben ihren Sitz in dieser Region, um in Italien zu operieren, daher werden die Steuern, die sie zahlen, von Südtirol selbst verwaltet. Die Frage der Durchschnittswerte sei sehr kompliziert, denn wenn eine Person beispielsweise 2 Euro und eine andere 10 Euro verdiene, liegt der Durchschnitt zwar bei 6 Euro, aber es gebe immer noch nicht wenige Arbeitende, die weit unter dem Mittelwert liegen. 

Diese Diskussionen erweis sich als guter Raum für Debatten, in dem viele Fragen und Bedenken ausgetauscht wurden. 

Die vierte Sitzung fand in Gruppen statt und wurde von José Augusto Paixão von LOC/MTC koordiniert. Drei Gruppen arbeiteten in verschiedenen Sprachen, um die Übersetzung zu erleichtern, zum Thema " Preisauftrieb, steigende Mieten und Bankzinsen, sinkende Kaufkraft der Arbeitnehmer". Die übergeordnete Frage lautete: "Welchen Einfluss hat das bereits in den Sitzungen Gesagte auf die Würde der Arbeit und die Lebensqualität der Arbeitenden".

Es war eine gute Gelegenheit für alle, einen Beitrag zur Vertiefung des Themas zu leisten. So wies man auf die Schwierigkeit der Bürgerbeteiligung in der heutigen Zeit hin, auf die Schwierigkeiten, Menschen zu mobilisieren; zu klären, was zur Lebensqualität jedes Einzelnen beiträgt; auf Aspekte, bei denen der Staat eingreifen sollte, und auf Herausforderungen für die Organisationen, denen wir angehören. Es wurde Besorgnis über geringe Zinserträge aus kleinen Sparguthaben geäußert. Es bedürfe einer Ausweitung der Diskussion über diese Arbeitsfragen auf die gesamte Gesellschaft. Unsere Konsumentscheidungen und unser Sinn für Anspruchslosigkeit seien wichtig. Wir müssen dafür kämpfen, dass die Renten erhöht werden, insbesondere die niedrigsten. Es sei ein Skandal, dass viele Menschen heute mit einer Rente von etwa 300 Euro darben müssen. Die Gewerkschaften müssen gestärkt werden und mehr Gewicht bei Verhandlungen haben, ein eindringlicher Appell an alle Arbeitnehmer. Sie müssen ihre Glaubwürdigkeit, ihre Interventionsfähigkeit und die Einbindung der Gewerkschaftsmitglieder wiedererlangen.

In der fünften Sitzung, die von Fátima Pinto, der stellvertretenden Koordinatorin von LOC/MTC, moderiert wurde, stellte René Bertail der CFTC in Frankreich die Europäische Union, ihre Stärken und Zukunftsaussichten vor unter dem Thema: "Wie sind die wirtschaftlichen, politischen und finanziellen Institutionen auf die Grundbedürfnisse der Bevölkerung, auf den Umweltschutz und die nachhaltige Entwicklung eingegangen?“

Ferner präsentierte er die Funktionsweise, Vorschläge, Entscheidungen und Umsetzung der Politiken in der Europäischen Union. Die Verteilung der Fonds und ihre Verwendung, Nettozahler und Nettobegünstigte wurden ebenso thematisiert.

Er erwähnte, dass Europa auch seine Schwächen habe. Bedeutende Unternehmen verlassen Europa oder werden von Firmen aus Drittländern übernommen, insbesondere aus Amerika und China.

Er zeigte uns einen globalen Überblick über die bevorstehenden Veränderungen, bei denen mittlerweile auch Zweifel an den Folgen des von uns eingeschlagenen Kurses bestehen. Er forderte uns ferner auf, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und nicht nur an den Fortschritt auf Teufel komm raus zu denken. Wir müssen die Regierungen und die Abgeordneten des Europäischen Parlaments ständig zur Rechenschaft ziehen, damit sie ein wahres soziales Europa verteidigen.

An alle Sitzungen schloss sich jeweils eine Debatte mit den Teilnehmern an, die es ihnen ermöglichte, verschiedene Standpunkte auszutauschen und die aufgekommenen Fragen zu klären.