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Gleicher Lohn für gleiche Arbeit! Zwischen hoher Zustimmung und mangelhafter Umsetzung. Die Rolle der Arbeitnehmerorganisationen für die Ausgestaltung eines herausfordernden gesellschaftspolitischen Veränderungsprozesses

In München fand vom 19. bis 21. September 2024 ein Seminar zum Thema „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit! Zwischen hoher Zustimmung und mangelhafter Umsetzung. Die Rolle der Arbeitnehmerorganisationen für die Ausgestaltung eines herausfordernden gesellschaftspolitischen Veränderungsprozesses“, statt, organisiert von der ECWM - EBCA - MTCE (European Christian Workers Movement), in Zusammenarbeit mit EZA und finanziert durch die Europäische Union.

43 Vertreter von Arbeitnehmerorganisationen aus Österreich, Deutschland, Italien, Spanien, Frankreich, Belgien, Luxemburg, Tschechien, Litauen, Portugal sowie als Gäste aus der Schweiz und aus Ruanda haben an dem Seminar teilgenommen bzw. mitgearbeitet. 

Im Zentrum des Seminars stand die Auseinandersetzung mit dem Gender Pay Gap, dessen unmittelbaren und tiefgreifend kulturellen Gründen, sowie mit aktivierenden Handlungsoptionen für die Teilnehmer:innen, um zum Schließen desselben beitragen zu können. Es wurde der Rahmen dafür geschaffen, dass die Expertise der Teilnehmer:innen, die alle in Arbeitnehmer:innenorganisationen entweder ehren- oder hauptamtlich aktiv sind, anhand konkreter Fragestellungen in gegenseitigen Austausch gebracht werden konnte. Andererseits referierte Frau Heike Lehmann (DGB - Deutschland) und nahmen folgende Personen an einem runden Tisch teil: Maite Valdivieso (Direktorin des Sekretariats für Arbeiter:innenpastoral in der Diözese Bilbao – Spanien), Renate Gebhard (Parlamentarierin der Südtiroler Volkspartei – Italien) und Inès Minin (Generaldirektorin von CCFD-Terre solidaire – Frankreich). 

Bereits im Vorfeld wurde eine umfangreiche Datenanalyse durch eine Umfrage in den Teilnehmerländern Deutschland, Österreich, Italien, Frankreich, Spanien und Portugal durchgeführt. Diese wurde in einem einführenden Referat von Stefan B. Eirich (KAB-Deutschland) zusammenfassend dargestellt und in einem ersten Gruppenaustausch vertieft. Die Analyse hat Gemeinsamkeiten und Differenzen in den Ländern und teilweise auch Binnendifferenzen (z.B. alte und neue Bundesländer in Deutschland) verdeutlicht. Es ging darum die landesspezifischen und die übergreifenden Gründe in größerer Klarheit voneinander abzugrenzen, ohne einen Anspruch auf absolute Trennschärfe zu stellen. Der Vortrag der DGB-Gleichstellungsbeauftragten Heike Lehmann stellte neben einer fundierten Analyse der deutschen Situation, den konkreten gewerkschaftlichen Aktionsrahmen, die Chancen und Grenzen von rechtlichen Absicherungen im Einsatz für das Schließen des Gender Pay Gap in den Mittelpunkt. Ein großer Ansatzpunkt war die strukturelle Sichtbarmachung von CareArbeit und die Notwendigkeit einer Neubewertung der bezahlten Care- und Sozialarbeit. Die Arbeitsgruppe im Nachgang reflektierte auf den daraus resultierenden konkreten möglichen Einsatz zum Schließen des Gender Pay Gap. 

Ein besonderer Akzent auf das Thema wurde durch die thematischen Begegnungen in drei Einrichtungen gesetzt. Die Exkursionen zum DGB in München, zu den Betriebsrät:innen von Siemens und zum KAB-Diözesanverband mit dem Schwerpunkt „Erzieherinnen – SOS Kita“ haben die Überlegungen durch konkrete Einblicke positiv geerdet und dienten zum Knüpfen eines solidarischen Netzwerkes. 

Der Runde Tisch mit Renate Gebhard, Südtiroler Abgeordnete zum italienischen Parlament, Inès Minin von CCFD-Terre solidaire (online per Zoom aus Paris zugeschaltet) und Maite Valdivieso von der Arbeiter:innenpastoral in Bilbao verdeutlichte konkrete Fortschritte in den letzten Jahrzehnten und aktuelle Herausforderungen im konkreten Einsatz für die Gleichstellung der Frauen in unseren Gesellschaften. Außerdem wurden konkrete Ansätze vorgestellt, die zum Handeln inspirieren und die Sichtbarkeit der Arbeit und Expertise von Frauen fördern. Der dritte Austausch in den Gruppen schloss unmittelbar an den Runden Tisch an und erörterte konkrete Ansatzpunkte für das individuelle und kollektive Handeln, sodass die Teilnehmer:innen selbst und gemeinschaftlich sachkundig aktiv werden können. Die Ergebnisse der Gruppenarbeiten wurden jeweils gesammelt und flossen – ebenso wie die Anregungen der Referate und des Runden Tisches – in die Abschlusserklärung ein, die weiter unten zu finden ist.

Das Seminar hat sowohl allgemein-kulturelle Gründe für den Gender Pay Gap als auch spezifisch arbeitsrechtliche Aspekte verdeutlicht. Es bot die Möglichkeit einer vertieften Analyse, die Möglichkeit wesentliche Zusammenhänge zu erkennen und gleichzeitig konkrete Ansatzpunkte für den eigenen Einsatz zu finden. Es ist davon auszugehen, dass der fruchtbare Austausch im Rahmen des Seminars durchaus mehrere derartige Initiativen in diversen Ländern zur Folge haben dürfte. 

Abschlusserklärung 

Umsetzung 

Wir als Verantwortliche der Bewegungen der christlichen Arbeitnehmer:innen aus Portugal, Spanien, Frankreich, der Schweiz, Tschechien, Österreich, Deutschland, Südtirol und Litauen sind zusammengekommen, um über die Situation der Frauen in der Arbeitswelt und in unseren Gesellschaften zu reflektieren und gemeinsame Schlüsse für unser Engagement zu ziehen. 

Wir stellen fest: 

  • Die Lohnlücke (Gender Pay Gap) ist mit bis zu 20% nach wie vor skandalös hoch und schließt sich kaum merkbar. Im öffentlichen Dienst ist sie deutlich geringer. 

  • Obwohl Frauen und Mädchen in unseren Schul- und Ausbildungssystemen oft die besseren Ergebnisse erzielen sind sie in allen Ländern in Spitzenjobs und Führungsaufgaben unterrepräsentiert. In einigen Ländern sind junge Frauen überproportional stark von der grassierenden Jugendarbeitslosigkeit betroffen.

  • In allen Ländern leisten Frauen mit bis zu 85% den Löwenanteil an der häuslichen unbezahlten Carearbeit (Haushalt, Kindererziehung, Altenbetreuung). In Folge sind Frauen sind sie weniger verfügbar und daher stark in Teilzeitarbeit, prekären und/oder befristeten Beschäftigungs-verhältnissen und Minijobs beschäftigt. 

  • Frauen sind in allen Ländern im gesamten Spektrum der Care-Berufe und im Erziehungsbereich mit einem Anteil von bis zu 80% absolut überrepräsentiert. Berufe, in denen überwiegend Frauen arbeiten, sind nach wie vor deutlich schlechter bezahlt und weniger geachtet. 

  • Durch die Gebundenheit der sozialen Absicherung an Erwerbsarbeit erleiden Frauen einen Verlust an Einkommensmöglichkeiten. Frauenarmut im Alter ist für viele bittere Realität. 

  • In allen Ländern ist durch den Aufstieg rechter und rechtsextremer Parteien ein neuer Antifeminismus merkbar, der sich militant gegen Frauenrechte richtet. Auch Frauenmissachtung aus religiösen Gründen ist ein relevantes Problem. 

  • In vielen Ländern in Afrika sind Frauen als Hauptversorgerinnen ihrer Familien am meisten von Klimakatastrophen betroffen und gefährdet.   

Als EBCA engagieren wir uns im Sinne der Katholischen Soziallehre für eine Gesellschaft, die ein gutes Leben für alle ermöglicht. Die Menschen müssen im Mittelpunkt des Wirtschaftens stehen und in Freiheit und sozialer Unabhängigkeit ihr Leben gestalten können. 

Wir treten entschieden ein für die personale Würde aller arbeitenden Menschen, weltweit, unabhängig von deren Geschlecht, Herkunft, Muttersprache oder Ethnie. 

Wir sind solidarisch mit den arbeitenden Menschen – insbesondere auch mit denen, die Care Arbeit verrichten oder im informellen Arbeitsbereich beschäftigt sind. 

Wir setzen uns daher ein für Maßnahmen zur umfassenden Gleichstellung von Frauen in allen Ländern und Gesellschaften. Das betrifft die staatliche und privatwirtschaftliche Ebene ebenso sowie die katholische Kirche. 

In unseren persönlichen Engagements in Gewerkschaften und Verbänden und in unseren Bewegungen verpflichten wir uns, das Bewusstsein aller zu schärfen und die folgenden Themen voranzutreiben: 

  • Die Verpflichtung von Unternehmen zu gleichem Lohn für gleiche Arbeit.  

    Niemand, der eine Teilzeitbeschäftigung hat, darf aufgrund dieser Tatsache benachteiligt werden. 

  • Wir fordern die Unternehmen auf, Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass Familie und Beruf für Männer und Frauen vereinbart werden können. 

  • Es braucht eine existenzsichernde Absicherung im Alter, unabhängig von Arbeitseinkommen und Erwerbsbiografie 

  • Die Sorgearbeit muss gerecht zwischen Männern und Frauen aufgeteilt werden  

  • Wir fordern eine generelle Arbeitszeitverkürzung für alle bei entsprechendem Lohnausgleich, um für alle Lebensbereiche – insbesondere den Bedürfnissen von Familien, Kulturarbeit, Gemeinwohltätigkeiten – die nötige Zeit zu haben. 

  • Es braucht die Legalisierung des Aufenthaltsstatus von Beschäftigten in der „Schattenwirtschaft“. Insbesondere Migrant:innen sollen durch sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse angemessene Löhne erhalten. Wir fordern die Sozialversicherungspflicht ab der 1. Arbeitsstunde. 

  • Alle Gewerkschaften müssen die Anliegen der Beschäftigten in Betreuungs- und Pflegeberufen solidarisch und konsequent unterstützen. 

  • Wir fordern eine klare Positionierung aller politischen und kirchlichen Akteur:innen gegen den neu aufkommenden Antifeminismus. 

  • Es braucht umfassende Unterstützung von Frauen in den südlichen Ländern, in Programmen zur generellen Bildung sowie als Akteurinnen im Kampf gegen Klimaveränderung und Naturzerstörung, als Grundlage ihrer Existenzsicherung. 

Machen wir die Unsichtbaren sichtbar. Verlieren wir nicht unsere Fähigkeit, von einer Welt zu träumen, in der alle Menschen – Kinder, Frauen und Männer - an erster Stelle stehen und anerkannt werden. Bauen wir durch unser Engagement mit am Reich Gottes. Durch unser Handeln wissen wir dass es Realität wird.