RS BOFOS (Republican Trade Union of Employees in Banks, Insurance Companies and other Financial Organizations of Serbia) organisierte in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Zentrum für Arbeitnehmerfragen (EZA) ein Seminar zum Thema: „Gewerkschaftsbewegung der Zukunft. Die Zukunft ist hier! Lasst uns voneinander lernen!“, das von der Europäischen Union finanziert wurde. Das Seminar fand vom 14.-17. März 2025 in Mećavnik-Mokra Gora/Serbien statt.
Der wichtigste Aspekt des Seminars lag in der Verbesserung und Stärkung der Kompetenzen von Gewerkschaften aus Südosteuropa – in diesem Fall der Gewerkschaften aus dem ehemaligen Jugoslawien –, damit diese die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Einbindung in europäische Strukturen bewältigen und sich effektiv an die Dynamik des Arbeitsmarktes anpassen können. Dies geschieht im Zuge des demografischen, Klima-, sozialen und politischen Wandels und insbesondere durch die Entstehung der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz, die es dringend notwendig machen, die ständigen und beschleunigten Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt vorherzusehen und sich darauf vorzubereiten. Die Befähigung der Gewerkschaften, zu mehr sozialem Dialog, Kommunikation und Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern zu ermutigen, sowie der gegenseitige Erfahrungs- und Lernaustausch durch bewährte Methoden sollen ihre Fähigkeit stärken, Tarifverhandlungen zu führen sowie Arbeitnehmerrechte und soziale Gerechtigkeit wirksamer zu vertreten und zu unterstützen.
Das Seminar ist angesichts der Tatsache, dass die Europäische Kommission am 11. Februar 2025 ihr Arbeitsprogramm vorstellte, in dem Wettbewerbsfähigkeit und Sicherheit eindeutig die Topthemen auf der Agenda waren, von besonderer Bedeutung. Von den 51 neu angekündigten Initiativen beschäftigen sich nur 4 mit sozialen Themen – und keines davon ist legislativ. Gleichzeitig reichen die politischen Beziehungen in den Ländern der Region von Zusammenarbeit bis Angespanntheit und sind durch ihren historischen Kontext, nationale Identitäten sowie gemeinsame Ziele wie der EU-Mitgliedschaft geprägt. Trotz der Herausforderungen sowohl auf europäischer als auch auf regionaler Ebene besteht das Potenzial, durch Dialog und Zusammenarbeit stabilere Beziehungen aufbauen zu können.
Einschließlich der Referent:innen und Moderator:innen nahmen 46 Vertreter:innen von Gewerkschaftsorganisationen am Seminar teil. Zusätzlich zu den Teilnehmer:innen der Republikanischen Gewerkschaft der Arbeitnehmer:innen in Banken, Versicherungen und anderen Finanzorganisationen Serbiens (RS BOFOS) besuchten auch Teilnehmer:innen und Referent:innen aus den folgenden Organisationen das Seminar: von der Unabhängigen Gewerkschaft der Arbeitnehmer:innen in Finanzorganisationen in der Föderation Bosnien und Herzegowina, der Republikanischen Gewerkschaft der Arbeitnehmer:innen (RSR) (Kroatien), der Gewerkschaft der Finanzinstitute Nordmazedoniens (SFOM) (Nordmazedonien) und der Gewerkschaft der Finanzinstitute Montenegros (SFOCG) (Montenegro). Da die Teilnehmer:innen alle aus Ländern des ehemaligen Jugoslawiens stammten, waren keine Dolmetscher:innen erforderlich – die Teilnehmer:innen kommunizierten erfolgreich in der serbischen Sprache bzw. in der sogenannten BKMS-Sprache (Bosnisch-Kroatisch-Montenegrinisch-Serbisch).
Ausgehend von der Initiative der Gruppe „Arbeitnehmer:innen“ des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA), die für die Stärkung der europäischen Säule sozialer Rechte und den am 5. März unterzeichneten „Pakt für den europäischen sozialen Dialog“ notwendig ist, lag der Schwerpunkt des Seminars auf wichtigen und komplexen Themen wie dem Arbeits- und Sozialrecht, Institutionen, die den Schutz der Arbeitnehmerrechte unterstützen, Tarifverhandlungen, Information und Kommunikation, dem Wissensaustausch und dem Networking. Auf diese Art und Weise stärkt das Projekt nicht nur die Kompetenz der Gewerkschaften, sondern bereichert auch das Gesamtumfeld des sozialen Dialogs, was zu verbesserten Beziehungen zwischen den Sozialpartnern und besseren Ergebnissen für Arbeitnehmer:innen, Arbeitgeber:innen und die Gesellschaft als Ganzes führen sollte.
Das Seminar wurde von Mara Erdelj, Präsidentin von RS BOFOS, eröffnet, die die Gewerkschaft RS BOFOS und das EZA vorstellte, während die Vize-Präsidentin Marija Jovanović die Vorstellung der World Organization of Workers (WOW) übernahm. Die Teilnehmer:innen hörten zudem einen Eröffnungsvortrag des Gastgebers des Ethno-Hotelkomplexes Mećavnik-Mokra Gora. Im Anschluss daran stellten sie sich dann schließlich selbst sowie ihre jeweiligen Organisationen vor, teilten ihre Erwartungen und bekräftigten ihre Absicht, jegliches Potenzial auszuschöpfen, um ihre Kompetenzen zu stärken und sich für bessere Bedingungen für Arbeitnehmer:innen einzusetzen. Denn abgesehen von den Gewerkschaften macht sich niemand mehr für sie stark, und ihre Situation hat sich seit der Auflösung des ehemaligen gemeinsamen Staates Jugoslawien nur verschlechtert.
Zu den Referent:innen des Seminars gehörten: Prof. Dr. Živko Kulić, Fakultät für Betriebswirtschaft und Recht, zu den Themen: „Arbeits- und Sozialrecht in den teilnehmenden Ländern und der europäische Rechtsrahmen. Das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung und Tarifverhandlungen. Sozialer Dialog und Umsetzungsinstrumente.“
Olga Vučković-Kićanović, Direktorin des Zentrums für Arbeitsrecht und Humanressourcen, zu den Themen: Kommunikation mit Unternehmen (verbal, nonverbal, Sprechen in der Öffentlichkeit, Konflikte, Verhandlungen), Fragen als Kommunikationsmittel, ein selbstbewusster Kommunikationsstil bei Verhandlungen.
Dr. Ivica Lazović, Direktorin der Nationalen Agentur für die friedliche Beilegung von Arbeitskonflikten, zu den Themen: Was, wenn trotz aller Anstrengungen bei Verhandlungen Konflikte entstehen? Forschungsergebnisse aus dem Projekt „Schutz der Arbeitnehmerrechte in den Republiken des ehemaligen Jugoslawiens – Vier praktische und theoretische Schutzmethoden, darunter die friedliche Beilegung von Arbeitskonflikten.“ Die Rolle der Gewerkschaften.
Alle drei Referentinnen stellten außerdem die folgenden Themen aus unterschiedlichen Blickwinkeln vor: „Der gewerkschaftliche Organisationsgrad und die Zukunft der Gewerkschaften. Die Gewerkschaft als letzte Bastion des sozialen Bewusstseins und Anliegens für die Arbeitnehmer:innen.“ Die Bedeutung eines kontinuierlichen Informationsaustausches auf allen Ebenen und mit allen Interessenvertreter:innen unter Verwendung sowohl der traditionellen als auch der modernen Medien.
Der Referent Ivan Majdak, professioneller Verhandlungsführer und Präsident der Republikanischen Gewerkschaft der Arbeitnehmer:innen (Kroatien), zu den Themen: Wie kann man sich am Verhandlungstisch gleichwertig fühlen? Welche Verhandlungskompetenzen sollten Gewerkschaftsvertreter:innen noch verbessern? Welche innovativen Strategien und Taktiken sollten angewendet werden? Erfahrungen von Gewerkschaften aus den EU-Mitgliedstaaten Kroatien und Slowenien.
Alle Themen wurden von den jeweiligen Referent:innen außergewöhnlich engagiert vorgestellt und mit praktischen Beispielen und Ratschlägen untermauert, was unter den Teilnehmer:innen eine kreative und inspirierende Diskussion entfachte, bei der Ansichten und konkrete Erfahrungen aus ihren eigenen Ländern und Gewerkschaftsmaßnahmen geteilt wurden. All das wurde von allen als wertvolle Erfahrung bewertet, die für die eigene Arbeit übernommen werden und für die weiteren Maßnahmen der Gewerkschaften in den jeweiligen Ländern nützlich sein kann.
Das einstimmige Fazit lautete, dass das Programm präzise, die Themen äußerst relevant und höchst komplex waren und dass der Bedarf besteht, spezifische Schulungssitzungen und Seminare zu jedem dieser Themen individuell zu organisieren.
Gewerkschaftsvertreter:innen aus den teilnehmenden Ländern, darunter Ivan Majdak, Präsident von RSR, Kroatien; Boban Ristevski, Präsident von SFOM; Minka Rešidbegović, Präsidentin von SFOBIH; Krsto Pejović, Berater und ehemaliger Präsident von SFOCG; Mara Erdelj, Präsidentin von RS BOFOS; und Tihomir Jovičić, Vize-Präsident von RS BOFOS, stellten unter anderem die folgenden Themen vor: Inwiefern hat sich der Wandel in Jugoslawien Ihrer Ansicht nach auf die Gewerkschaften und ihre Rolle ausgewirkt? Wie sah die Rolle der Gewerkschaften vor dem Wandel aus? Waren die Arbeitnehmer:innen in einer besseren Position als heute? Warum? Gewerkschaftliche Organisation in den teilnehmenden Ländern (Werte, Aufgabe, Vision, Organisationsgrad, Struktur, Finanzierung, Wahlen, Führung, Entscheidungsfindung, Verhandlungen, Kommunikation, Beziehungen zu den Medien und zur Zivilgesellschaft, Identitätsaufbau, Kampagnen, Gewinnung neuer Mitglieder usw.).
In der Podiumsdiskussion zum Thema: „Wir sind die Gewerkschaftsbewegung der Zukunft“ wurde den Teilnehmer:innen die Aufgabe gestellt, bis zur nächsten Sitzung über die zehn wichtigsten Dinge nachzudenken, die sie gemeinsam tun können, um die Herausforderungen, die sich durch den modernen wirtschaftlichen und technologischen Fortschritt, die Globalisierung, die Digitalisierung und durch künstliche Intelligenz stellen, und um die Dehumanisierung, die durch die Dominanz des Profits über den Wert der menschlichen Arbeit verursacht wird, erfolgreich bewältigen zu können. Durch die Einbindung der höchsten europäischen Werte besteht das Ziel darin, das Gewerkschaftsmitglied – also den Menschen – zurück ins Zentrum der Gewerkschaftstätigkeit zu rücken, als jemand, der bzw. die menschenwürdige Arbeitsbedingungen und eine menschenwürdige Bezahlung verdient, und zwar in einer Gesellschaft ohne Diskriminierung, dafür aber mit Chancengleichheit und sozialer Gerechtigkeit.
Was die Seminarergebnisse betrifft, so verabschiedeten die Teilnehmer:innen eine Kooperationsvereinbarung und kamen zu dem Schluss, dass es notwendig ist, sich mindestens einmal jährlich zu treffen und im nächsten Jahr eine Konferenz zu organisieren, für die sie ein Projekt vorbereiten und um die Unterstützung des EZA bitten werden. Neben der Befassung mit einem Thema, das sie in der Zwischenzeit als gemeinsame Priorität ansehen, werden sie darüber hinaus eine Charta zur Gründung eines gemeinsamen Gremiums verabschieden: den Gewerkschaftsrat südosteuropäischer Länder, die zum ehemaligen Jugoslawien gehörten, in dem Glauben, dass sie durch gemeinsame Maßnahmen ihre Kompetenzen stärken und wiederbeleben sowie den sozialen Dialog, Tarifverhandlungen und den Schutz der Arbeitnehmerrechte fördern können.
Durch all das soll das Projekt zu einem gerechteren und nachhaltigeren Arbeitsmarkt in den südosteuropäischen Ländern beitragen. Darüber hinaus soll es die Arbeitnehmer:innen und Gewerkschaften dazu befähigen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und eine Kultur der gegenseitigen Solidarität zu schaffen, um auch in turbulenten Zeiten das gegenseitige Vertrauen und Verständnis stärken zu können.