Die Katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB) Deutschlands veranstaltete gemeinsam mit ihren Partnerbewegungen vom 23. bis 28. Juni 2024 ihre Sommerakademie in St. Pölten, Österreich. Unter dem Motto „Fair-sorgen und fair-sorgt-werden: Ein Frauenthema? Realitäten, Modelle und Perspektiven“ bot die Veranstaltung 46 Vertreter:innen von Arbeitnehmerorgansiationen aus Deutschland, Österreich und Südtirol eine Plattform zum Austausch über aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen im Bereich der Sorgearbeit und die Rolle der Sozialpartner. Die Veranstaltung wurde finanziert durch die Europäische Union und in Zusammenarbeit mit EZA organisiert.
Kernthemen und Beiträge
Im Mittelpunkt der Akademie stand die Diskussion über die Ökonomisierung der Pflege und ihre Auswirkungen. Renommierte Expertinnen wie Dr. Brigitte Aulenbacher und Dr. Wasana Handapangoda von der JKU Linz beleuchteten in ihren Vorträgen die Kommerzialisierung von Care-Arbeit, insbesondere im Bereich der 24-Stunden-Betreuung bzw. Live-Ins. Im Vergleich verschiedener europäischer Länder zeigten sich erhebliche Unterschiede hinsichtlich der rechtlichen Regulierung der Personenbetreuung. Hier wurde insbesondere die Rolle der Sozialpartner betont, daran zu arbeiten, auch Live-In Kräfte zu organisieren und die Einhaltung arbeitsrechtlicher Standards einzuhalten. Es wurde diskutiert, dass dies auch eine Veränderung der Pflegebedingungen bedeuten müsste, da bei Einhaltung der Arbeitszeiten keine 24h-Rundum-Betreuung durch eine einzige Person möglich ist; hier sind die Arbeitsnehmerorganisationen gefordert, sich in Diskurse über neue Pflege-Modelle einzuschalten.
Mag.a Heidemarie Staflinger von der Arbeiterkammer gab einen Überblick, wer die Pflege überwiegend leistet und wer die Kosten dafür überwiegend trägt. Es wurde deutlich, dass weiterhin sowohl professionell als auch private Pflege überwiegend von Frauen geleistet wird. Für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege werde häufig das Argument der fehlenden Finanzierung eingebracht. Um dem zu entgegnen, bieten sich für die Länder unterschiedliche Strategien an, unter anderem haben die beteiligten Arbeitnehmerorganisationen eine Vermögenssteuer diskutiert.
Dr. Eva Hänselmann vom Institut für Christliche Sozialwissenschaften an der WWU Münster brachte zudem unter dem Stichpunkt der „doppelten Personenzentrierung“ sozialethische Perspektiven für die Gestaltung der Pflegebedingungen ein. Die Arbeitsbedingungen müssten so sein, dass sowohl eine bestmögliche Versorgung der zu pflegenden Personen unter Berücksichtigung berufsethischer Standards als auch gesundheitswahrende Arbeitsbedingungen für die Pflegenden gewährleistet seien.
Ergebnisse und Forderungen
Die Teilnehmer:innen formulieren klare Forderungen zur Verbesserung der Pflege- und Betreuungssituation. Zentral ist die Anerkennung von Pflege und Betreuung als Staatsaufgabe, die ausreichend öffentlich finanziert werden muss, ohne Gewinnorientierung. Die Teilnehmer:innen fordern eine Stärkung der Pflegeberufe durch bessere Anerkennung, Arbeitsbedingungen und Weiterbildungsmöglichkeiten. Auch für pflegende Angehörige wird mehr Unterstützung gefordert.
Ein besonderer Fokus liegt auf den Rechten der Berufstätigen in Pflege und Betreuung. Angesichts der hohen Belastungen werden eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich und die Möglichkeit eines früheren Renteneintritts ohne finanzielle Einbußen gefordert. Zudem betonen die Teilnehmer:innen die Notwendigkeit der Geschlechtergerechtigkeit in Pflege- und Betreuungsberufen.
Die Teilnehmer:innen planen konkrete Schritte, um diese Forderungen auch in den Strukturen ihrer Arbeitnehmerorganisationen zu verbreiten, damit sie öffentlich sichtbar vertreten.
Praktische Umsetzung und Ausblick
Die Akademie bot nicht nur Raum für akademische Diskussionen, sondern auch für die Entwicklung praktischer Lösungsansätze. Die Teilnehmerinnen werden die gewonnenen Erkenntnisse in ihre jeweiligen Organisationen tragen und sich aktiv für bessere Bedingungen in der Care-Arbeit einsetzen. Durch Workshops und Diskussionsrunden wurden die Teilnehmer:innen befähigt, das Bewusstsein für die Bedeutung von Care-Arbeit zu schärfen und in ihrer täglichen Arbeit umzusetzen.
Fazit
Die Sommerakademie 2024 hat einen wichtigen Beitrag zur aktuellen Debatte über Care-Arbeit geleistet. Sie hat nicht nur die Herausforderungen aufgezeigt, sondern auch Wege zu einer faireren Gestaltung der Care-Arbeit eröffnet. Die Erkenntnisse und Netzwerke, die während der Veranstaltung entstanden sind, werden die Arbeit der beteiligten Arbeitnehmerorganisationen in den kommenden Jahren weiter prägen.