Im EZA-Bildungsjahr fand ein Projekt zum Thema „Europäische Säule sozialer Rechte: Förderung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer:innen als Grundrecht“ statt, das federführend von CFTL (Centro de Formação e Tempos Livres) organisiert wurde, an dem aber auch andere EZA-Mitgliedzentren beteiligt waren, nämlich LOC/MTC (Liga Operária Católica - Movimento de Trabalhadores Cristãos), FIDESTRA (Associação para a Formação, Investigação e Desenvolvimento Social dos Trabalhadores), USO – CCFAS (Unión Sindical Obrera – Centro Confederal de Formación y Acción Social), CEAT (Centro Español para Asuntos de los Trabajadores), CFTC (Confédération Française des Travailleurs Chrétiens) und IFES (Institutul de Formare Economică şi Socială). Im Rahmen dieses Projekts fand am 8. November 2024 ein erstes Treffen statt, am 13. Februar 2025 ein zweites und am 1. März 2025 ein Abschlusstreffen.
Der vorliegende Bericht enthält die wichtigsten Ideen und Empfehlungen, über die in den einzelnen Ländern Konsens erzielt wurde, zu den als kritisch erachteten Punkten.
1.1. Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten – Empfehlungen:
1. Die Debatten über Sozialversicherungsreformen, die in einigen Ländern wie Portugal und Frankreich stattfinden, sollten auch die Beschwerlichkeit und Schwere der Arbeit sowie die Senkung des Rentenalters und der Arbeitszeit berücksichtigen, da diese Themen eng miteinander verbunden sind.
2. Die Rechtsvorschriften zur Prävention von Berufsrisiken müssen aktualisiert werden, insbesondere unter Berücksichtigung des Geschlechts, des Alters und psychischer Probleme. In einigen Ländern, wie beispielsweise Portugal, muss jedoch auch die Liste der Berufskrankheiten aktualisiert und die Gesetzgebung zur Entschädigung bei Arbeitsunfällen verbessert werden, insbesondere durch die Angleichung der Renten für Unfallopfer an den nationalen Mindestlohn.
3. In mehreren Ländern, insbesondere in Portugal und Spanien, müssen die Mechanismen zur Meldung und Zertifizierung von Berufskrankheiten verbessert werden.
4. Es muss eine Einigung über den Begriff „beruflicher Burnout“ und „rascher beruflicher Burnout“ erzielt werden, der von mehreren Berufsbranchen, insbesondere in Portugal, gefordert wird.
5. Es ist dringend erforderlich, die Statistiken über Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sowie die Systeme für deren Meldung, Bescheinigung und Entschädigung auf europäischer Ebene zu harmonisieren.
6. Durchführung nationaler Erhebungen über die Arbeitsbedingungen, die äußerst wichtige Instrumente für geeignete Präventivmaßnahmen sind. Förderung und Unterstützung von Universitäten bei der Durchführung von Studien über die Arbeitsbedingungen.
7. Die Gesundheits- und Sicherheitsdienste für Kleinst- und Kleinunternehmen im Rahmen des nationalen Gesundheitsdienstes verbessern oder sogar wie in Portugal regulieren.
1.2. Rechtsvorschriften: Aktualisierung und Umsetzung zur Bewältigung neuer Herausforderungen – Empfehlungen:
1. Vereinfachung durch Verbesserung der europäischen Rechtsvorschriften und Regelungen im Bereich der Prävention unter Einbeziehung neuer Herausforderungen.
2. Verbesserung der offiziellen Inspektions- und Präventionsdienste, damit die Rechtsvorschriften am Arbeitsplatz umgesetzt werden können. Es ist von entscheidender Bedeutung, die Arbeitsaufsicht mit personellen und finanziellen Mitteln zu stärken, um die Zahl der Besuche am Arbeitsplatz erheblich zu erhöhen.
Kulturelle und pädagogische Arbeit ist zwar wichtig, aber es ist von entscheidender Bedeutung, dass Arbeitgeber das Gefühl haben, dass sie bestraft werden können, wenn sie gefährliche und ungesunde Arbeitsbedingungen aufrechterhalten, die den wirtschaftlichen Wettbewerb und menschenwürdige Arbeit beeinträchtigen!
1.3. Psychosoziale Risiken, Digitalisierung und KI – Empfehlungen:
1. Bei der Überarbeitung der europäischen und nationalen Rechtsvorschriften müssen psychosoziale Risiken, insbesondere Stress und Belästigung, berücksichtigt werden. Alle Länder müssen dringend das Übereinkommen 190 der IAO über Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz ratifizieren.
2. Diese Probleme müssen insbesondere durch die Medien und die Gewerkschaftspresse sichtbar gemacht werden.
3. Die Prävention psychosozialer Risiken muss in Tarifverhandlungen gefördert und die Verhandlungsführer in diesem Bereich vorbereitet werden.
4. Prekäre Arbeitsverhältnisse und Niedriglöhne müssen bekämpft werden.
5. Arbeitszeitverkürzung, digitale Abschaltung, Zugang zu Meldestellen und psychologischer Unterstützung.
6. Stärkung der Arbeitsaufsicht durch technisches und Inspektionspersonal, das für die Prävention psychosozialer Risiken geschult ist.
1.4 Schulung, Beratung, Sensibilisierung und Information zu Sicherheit und Gesundheit – Empfehlungen:
1. Die öffentliche Verwaltung muss obligatorische Schulungsmaßnahmen im Bereich Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz fördern und unterstützen.
2. Die öffentliche Verwaltung und andere Stellen müssen Sensibilisierungs- und Informationskampagnen für alle Bürger fördern, insbesondere in den Medien und sozialen Netzwerken.
3. Die Gewerkschaften müssen obligatorische Schulungen sowie eine verstärkte Information und Konsultation der Arbeitnehmer in Tarifverhandlungen aufnehmen.
4. Die Wahl der Vertreter für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz muss vereinfacht werden, da sie derzeit übermäßig bürokratisch ist.
5. Es wäre wichtig, die paritätischen Ausschüsse für Sicherheit, Hygiene und Gesundheit am Arbeitsplatz durch zu prüfende Anreize zu erneuern und zu unterstützen.
1.5. Die Rolle der öffentlichen Verwaltung und der EU – Empfehlungen:
1. Stärkung und Unterstützung der Modernisierung der öffentlichen Politik im Bereich Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz mit mehr technischen und finanziellen Mitteln;
2. Stärkung der Unterstützung der Sozialversicherung und der Rentenfonds für Prävention, da diese eine wichtige Investition und keine Kosten darstellen;
3. Unterstützung der Forderung der Gewerkschaften nach einer EU-Regelung zu Stress, KI und Muskel-Skelett-Erkrankungen;
4. Durchführung öffentlicher Kampagnen zur Stärkung der Kultur der Prävention von Berufsrisiken und der Sicherheit und Gesundheit als Grundrecht.
1.6. Die Rolle der Arbeitnehmerorganisationen – Empfehlungen:
1. Das Grundrecht auf ein sicheres und gesundes Arbeitsumfeld zu einer Priorität der Gewerkschaften zu machen;
2. Ausweitung der Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer durch Tarifverhandlungen, insbesondere durch Gewährung von mehr Zeit für die Arbeitnehmervertreter, um im Bereich Gesundheit und Sicherheit tätig zu werden;
3. Verbesserung der Ausbildung von Gewerkschaftsführern und -aktivisten;
4. Forderung nach Beteiligung der Arbeitnehmerorganisationen an der Festlegung öffentlicher Maßnahmen zur Prävention und Förderung der Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer als Grundrecht.
5. Entbürokratisierung und Vereinfachung der Rechtsvorschriften für die Wahl von Arbeitnehmervertretern für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz.
6. Gesetzliche Verpflichtung zur Einrichtung von Ausschüssen für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz in Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten, insbesondere in Portugal, während die USO in Spanien diese Verpflichtung bereits für Unternehmen mit mehr als 25 Beschäftigten fordert.
1.7. Risikoprävention im Gesundheitswesen – Empfehlungen:
1. Einführung von Gesundheits- und Sicherheitsdiensten am Arbeitsplatz im gesamten Gesundheitswesen, im öffentlichen, privaten und sozialen Sektor, vorzugsweise intern oder gemeinsam, mit einer ausreichenden Anzahl von Fachkräften, einschließlich Fachkräften für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz;
2. Gewährleistung der Qualität der Pflegeeinrichtungen, die thermischen Komfort und eine gute Beleuchtung sowie spezielle Räume für die Arbeitnehmer ermöglichen.
3. Es müssen Präventionspläne erstellt werden, um biologische, chemische, radiologische und psychosoziale Risiken zu vermeiden.
Wichtigste kritische Punkte bei der Prävention und Förderung von Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, die dringende Maßnahmen erfordern
Im Bereich der Arbeitsunfälle ist es wichtig, die Gesetzgebung zu verbessern, um den neuen Herausforderungen der Digitalisierung, der KI, der psychosozialen Probleme und des Klimawandels Rechnung zu tragen. Die Prävention in kleinen und mittleren Unternehmen und Maßnahmen für Zeitarbeitskräfte und prekär Beschäftigte sind in der Praxis nach wie vor sehr schwer umzusetzen.
Im Zusammenhang mit Berufskrankheiten wurden mehrere Fragen angesprochen, aber wir halten die Erfassung und Untererfassung dieser Krankheiten sowie die steigende Zahl von Muskel-Skelett-Erkrankungen, die neben berufsbedingten Krebserkrankungen die häufigste Berufskrankheit in der EU sind und insbesondere Frauen betreffen, für die kritischsten Punkte. Auf EU-Ebene sind Maßnahmen erforderlich, damit wir in allen Ländern über entsprechende Maßnahmen verfügen.
Die Bewertung psychosozialer Risiken ist in Unternehmen, öffentlichen Diensten und im sozialen Sektor nach wie vor wenig verbreitet. Die Ermittlung und Bewertung psychosozialer Risiken muss intensiviert und geeignete Präventionsmaßnahmen, insbesondere für Stress, Burnout und Mobbing, gefördert werden. Das Übereinkommen 190 der IAO darf nicht vergessen werden.
Obwohl in allen Ländern Schulungen zum Thema Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz angeboten werden, sind diese nicht immer angemessen (eher theoretisch als praktisch) und sollten in allen Unternehmen in der EU obligatorisch sein.
Schlussfolgerung
Es ist unbestreitbar, dass die wichtigsten sozialen, politischen und wirtschaftlichen Akteure, die für die Förderung eines sicheren und gesunden Arbeitsumfelds in der EU verantwortlich sind, ihre Maßnahmen weiterentwickelt haben, um Verbesserungen und neue Fortschritte zu erzielen. In den letzten Jahren wurden jedoch in den Ländern, die an dieser Arbeitsgruppe beteiligt sind, keine nennenswerten Fortschritte im Bereich des sozialen Dialogs zu diesem Thema erzielt.
Man kann sagen, dass die Impulse der Europäischen Säule sozialer Rechte vor acht Jahren und die Erklärung der IAO von 2022 zu Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz als Grundrecht noch nicht die notwendige Wirkung auf die Wirtschaft, einschließlich des öffentlichen Sektors, gezeigt haben! In Portugal wurde die letzte Sozialvereinbarung zu diesem Thema von allen Sozialpartnern im Jahr 2001 unterzeichnet. Die nationale Strategie für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, die aus der EU-Strategie 2021-2027 hervorgegangen ist, ist nach wie vor auf Eis gelegt, obwohl sie für 2023 versprochen wurde.
In Spanien wird derzeit über eine Überarbeitung des Rechtssystems zur Prävention diskutiert, um den Veränderungen in der Arbeitswelt und den neuen Herausforderungen im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz Rechnung zu tragen.
In der EU selbst hat dieses Thema derzeit keine Priorität, und viele Gewerkschaftsführer befürchten angesichts des politischen Kontexts und der Umschichtung von EU-Mitteln und -Investitionen einen sozialen Rückschritt.
Der vielleicht entscheidende Faktor sind jedoch die geringen Investitionen der Unternehmen in diesem Bereich. Es sind nicht so sehr die großen Unternehmen, die bereits eine Sicherheits- und sogar Gesundheitskultur etabliert haben, sondern vielmehr die kleinen und mittleren Unternehmen, die, um auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig zu sein, nicht in Löhne und Arbeitsbedingungen investieren.
Das Ergebnis ist ein sehr großer Anteil von Selbstständigen, Schwarzarbeitern und Migranten, die als Subunternehmer unter gefährlichen und unhygienischen Bedingungen arbeiten und dieses Grundrecht vorenthalten wird. Noch gravierender ist, dass Tausende dieser Arbeitnehmer keiner Gewerkschaft angehören.
Wir haben daher enorme Anstrengungen im Bereich der Arbeitnehmerorganisationen und des Netzwerks der EZA-Zentren vor uns. Es muss viel mehr in die politische und technische Ausbildung von Führungskräften und Aktivisten, insbesondere der jüngeren Generationen, investiert werden.
Investitionen sind auch in Mittel zur Information und Sensibilisierung für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, Publikationen, Blogs, Videos usw. erforderlich.
Für ein Bildungsnetzwerk, das sich wie EZA zu den christlichen Werten der Solidarität, Brüderlichkeit und Förderung des Lebens bekennt, ist die Arbeit zur Prävention und Förderung der Sicherheit am Arbeitsplatz, der Nachhaltigkeit der Gesundheit und des Lebens zweifellos eine vorrangige Aufgabe mit Zukunft!