Vom 3. bis 5. Oktober 2024 fand in Zagreb/Kroatien ein Seminar zum Thema „Die Auswirkungen des Arbeitskräftemangels auf die gesellschaftliche Stellung der Arbeitnehmer:innen“ statt. Das Seminar wurde von der kroatischen Kulturgesellschaft „Napredak“ (HKD Napredak) mit Unterstützung des EZA organisiert und finanziert von der Europäischen Union. Am Seminar nahmen Vertreter:innen von Arbeitnehmerorganisationen aus acht verschiedenen Ländern teil, darunter auch aus dem Gastgeberland. Nikola Čiča, Präsident von HKD Napredak, wandte sich in seiner Eröffnungsrede an die Zuhörer:innen und erklärte, dass der Mangel an Arbeitskräften in bestimmten Wirtschaftszweigen und der Mangel an bestimmten Berufen, insbesondere an qualifizierten Arbeitskräften, mehr oder weniger allen Ländern der Europäischen Union und den Bewerberländern gemeinsam ist. Er betonte, dass die HKD Napredak genau aus diesem Grund beschlossen hat, ein Seminar zu diesem Thema zu organisieren. Neben dem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften ist das sich daraus ergebende Problem die Abwanderung von Arbeitnehmer:innen aus weniger entwickelten Ländern in höher entwickelte Länder aus wirtschaftlichen Gründen. Hinzu kommt das Problem der Beschäftigung und Integration ausländischer Arbeitnehmer:innen. Dieses Seminar wird versuchen, sich all diesen Fragen zu nähern und Antworten darauf zu geben, schloss Präsident Čiča.
In der einleitenden Podiumsdiskussion wurden die Herausforderungen, Chancen und Grenzen des Arbeitsmarktes erörtert. In diesem Zusammenhang wurde der Tourismus als einer der Wirtschaftszweige genannt, der am meisten unter dem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften leidet. Das Beispiel Kroatiens wurde hervorgehoben, wo der Tourismus einer der wichtigsten Wirtschaftszweige mit einem erheblichen Anteil am BIP ist. Es wurde gesagt, dass es einen ständigen Mangel an Arbeitskräften gibt, der früher mit Arbeitskräften aus dem Landesinneren und der Region ausgeglichen wurde, dass aber jetzt auch ein Mangel an diesen Arbeitskräften besteht, so dass zunehmend Arbeitskräfte aus asiatischen Ländern geholt werden. Dies schafft neue Probleme im Zusammenhang mit der Sprachbarriere, dem Fachwissen und der Lebenskultur. Teilnehmer:innen aus anderen Ländern nannten ähnliche Probleme im Zusammenhang mit dem Mangel an Arbeitskräften, insbesondere den Mangel an einigen Handwerksberufen, Klempner:innen, Zimmerleuten, Bauarbeiter:innen aller Art. In der Podiumsdiskussion mit dem Titel „Programme zur Unterstützung der Entwicklung von Kompetenzen, Ausbildung und Bildung im Zusammenhang mit der Verringerung des Arbeitskräftemangels“ wurde über reguläre Bildungsprogramme, aber auch über das System der lebenslangen Bildung und Umschulung diskutiert, alles im Hinblick auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Es wurde darauf hingewiesen, dass sich die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes in den letzten Jahren stark verändert haben und dass eine große Anzahl von Berufen verschwunden ist, während aufgrund der technologischen Entwicklung ein Bedarf an neuen Berufen entstanden ist. Darüber hinaus wird besonderes Gewicht auf Ausbildungsprogramme für benachteiligte Gruppen und schwer vermittelbare Arbeitnehmer:innen gelegt. Es wurde gesagt, dass diese Gruppen normalerweise nicht genügend Aufmerksamkeit erhalten, aber die Trends in der Europäischen Union zeigen, dass sich diese Situation gerade zum Besseren wendet. Es wurde auch über die Probleme von Arbeitnehmer:innen mit Behinderungen gesprochen, da deren Arbeitsplätze oft nicht an die Bedürfnisse ihrer Behinderung angepasst sind und sie viel seltener eingestellt werden, obwohl sie über alle Berufs- und Bildungsvoraussetzungen verfügen. Darüber hinaus war dieser Vortragsblock vor allem den Problemen von Frauen in der Arbeitswelt gewidmet, mit denen Frauen trotz ihrer gesetzlichen Rechte konfrontiert sind und die mit der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in der Gesellschaft zusammenhängen. Eines der erörterten Themen war die Auswirkung verbesserter Arbeitsbedingungen auf die Gewinnung/Bindung von Arbeitskräften. Die Teilnehmer:innen wiesen darauf hin, dass eine der wichtigsten Aufgaben der Gewerkschaften darin besteht, ihren Einfluss auf Arbeitgeber:innen und Regierungen zu verstärken, um bessere Arbeitsbedingungen zu gewährleisten – höhere Löhne, ein besseres Arbeitsumfeld, die Möglichkeit des beruflichen Aufstiegs, besserer Schutz am Arbeitsplatz usw., alles mit dem Ziel, dass die Arbeitnehmer:innen, insbesondere junge Arbeitnehmer:innen, in ihren Heimatländern bleiben. Die Gründe für die Abwanderung einheimischer Arbeitskräfte sind wirtschaftlicher und politischer Natur. Die Arbeitnehmer:innen wandern vor allem wegen der Politik, der Korruption und der Vetternwirtschaft sowie wegen der schlechten Sozialleistungen (Gesundheit und Bildung) ab. Das Problem, keine geeignete und gut bezahlte Beschäftigung zu finden, ist dabei oft zweitrangig. In einer offenen Diskussion stellten die Vertreter:innen der Arbeitgeber:innen eine Reihe von Problemen vor, mit denen sie konfrontiert sind, um die vorhandenen Arbeitskräfte zu halten, die Abwanderung der einheimischen Bevölkerung zu verhindern und die Fragen im Zusammenhang mit den Arbeitskräften aus anderen Ländern mit niedrigeren wirtschaftlichen Standards anzugehen, deren Anwesenheit für das Funktionieren des Arbeitsmarktes wesentlich ist.
Am zweiten Tag des Seminars wurde darauf hingewiesen, dass die Entvölkerung in Europa bereits in einigen früheren Seminaren erörtert worden war, dass sich dieses Problem aber auch in diesem Seminar nicht vermeiden lässt. Es hat sich herausgestellt, dass dies eines der schwerwiegendsten Probleme ist, mit denen sowohl die Länder der Europäischen Union als auch Drittländer konfrontiert sind, was zum Teil auf den Anstieg des Lebensstandards und die geringere Anzahl von Kindern in den Familien, den Kampf um den beruflichen Aufstieg von Frauen und die Suche nach besseren Arbeitsplätzen in anderen Ländern zurückzuführen ist. Die Bevölkerungsmigration aus armen Ländern führt zu Veränderungen in der Zusammensetzung der Bevölkerung, was eine Reihe neuer Probleme beim Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen verursacht. Es wurden Daten für einzelne Länder vorgelegt, die keineswegs ermutigend sind. In Kroatien beispielsweise hat eine Untersuchung ergeben, dass ein Drittel der jungen und gebildeten Menschen beabsichtigt, nach Abschluss der Schule oder des Studiums das Land zu verlassen. Auch in den Nachbarländern sieht es nicht besser aus.
Am Ende kamen alle Teilnehmer:innen zu dem Schluss, dass alle Sozialpartner zusätzliche Anstrengungen unternehmen sollten, um bessere Bedingungen für die Arbeitnehmer:innen zu gewährleisten. Dies wird sicherlich dazu beitragen, einheimische Arbeitnehmer:innen zu halten. Andererseits sollte die Gesetzgebung der Bewerberländer in Bezug auf die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer:innen geordneter gestaltet werden, denn es gibt viele undefinierte Punkte, die zu Unruhen und zum Abbau der Arbeitsrechte sowohl ausländischer als auch inländischer Arbeitnehmer:innen führen. Die Schlussfolgerung lautete, dass dieses und ähnliche Seminare eine gute Möglichkeit darstellen, Meinungen auszutauschen und bessere Lösungen für diese Fragen zu finden.