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Kapazitätsaufbau für Arbeitnehmerorganisationen: Stärkung des Verhandlungsgeschicks: Win-Win-Verhandlungen

Die serbische Gewerkschaft RS BOFOS (serbische republikanische Gewerkschaft für Arbeitnehmer:innen in Banken, Versicherungsgesellschaften und anderen Finanz-organisationen) hat in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Zentrum für Arbeit-nehmerfragen (EZA) und mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union ein Seminar organisiert zum Thema: „Kapazitätsaufbau für Arbeitnehmerorganisationen: Stärkung des Verhandlungsgeschicks: Win-Win-Verhandlungen“, das vom 21. bis 24. September 2023 in Vrnjačka Banja, Serbien, stattfand.

Am Seminar nahmen mehr als 50 Vertreter:innen von Arbeitnehmerorganisationen aus Serbien, Belgien, Griechenland, Bulgarien, Bosnien und Herzegowina, Nord-mazedonien, Kroatien und Montenegro teil. Der wichtigste Aspekt des Seminars war die Schulung der Teilnehmer:innen in Bezug auf „Win-Win“-Methoden und Verhandlungsstrategien. Ein weiterer wichtiger Teil des Seminars war die Schulung von Gewerkschaftsvertreter:innen in Bezug auf die Anwendung eines durchsetzungs-fähigen Kommunikationsstils während der Verhandlungen. Ein wesentlicher Teil des Seminars war die Schulung von Gewerkschaftsvertreter:innen im Hinblick auf die Entwicklung von Fähigkeiten, mithilfe derer sie sich am Verhandlungstisch als gleichberechtigte Partner:innen fühlen können, selbst wenn ihnen ein:e Arbeitgeber:in in einer Machtposition gegenübersitzt. Das Seminar wurde von Mara Erdelj, Präsidentin der RS BOFOS, eröffnet, und Bjørn van Heusden, Exekutivsekretär der World Organization of Workers (WOW), sprach zu den Seminarteilnehmer:innen. 

Die Seminarthemen waren insbesondere für Gewerkschaftsvertreter:innen wichtig, da die Teilnehmer:innen lernen konnten, wie man sich bei Verhandlungen auf die Interessen der anderen Seite konzentriert, was für diese Art von Verhandlungen entscheidend ist. Die Teilnehmer:innen lernten, die Interessen der anderen Seite zu erkennen. Sie konnten sich über bewährte Verfahren und wertvolle Erfahrungen aus den skandinavischen Ländern in Bezug auf Win-Win-Methoden und Verhandlungs-strategien austauschen. Während des Seminars fanden Workshops statt und die Teilnehmer:innen wurden in zwei Arbeitsgruppen aufgeteilt. Eine Gruppe stellte eine „Win-Win“-Verhandlung nach, eine andere Gruppe eine „Win-Lose“-Verhandlung, bei der es zu einem Streit kommt, woraufhin die Stelle für die gütliche Beilegung von Arbeitskonflikten eingeschaltet werden sollte. Geleitet wurden die Workshops von Olga Vučković Kićanović und Prof. Dr. Zivko Kulic. Was die Ergebnisse des Seminars betrifft, so waren sich die Teilnehmer:innen einig, dass ein „Win-Win“-Verhandlungs-ergebnis nur dann erzielt werden kann, wenn die Verhandlungspartner:innen die Interessen der jeweils anderen Seite kennen. Die gegenseitigen Interessen zu kennen und zu verstehen ist notwendig, um ein für beide Parteien zufriedenstellendes Ergebnis zu erzielen. Darüber hinaus sollten in den Verhandlungen Wissen und Argumente ausgetauscht werden, und bei den Verhandlungsführer:innen sollte es sich um erfahrene, qualifizierte, kompetente und zuverlässige Personen handeln. Die Lösung liegt im Dialog – auf der Suche nach einer für beide Seiten tragfähigen Lösung. Das ist dann genau diejenige Lösung, von der beide Parteien profitieren, d. h. eine Lösung, bei der es keine Verlierer:innen gibt. Sie wiesen auch auf die Notwendigkeit hin, öffentlich für die Bedeutung des sozialen Dialogs auf Unternehmens-, Branchen-, nationaler und vor allem auf gesamteuropäischer Ebene einzutreten, damit die Arbeitgeber:innen, die am längeren Hebel sitzen, sich auf Tarifverhandlungen einlassen und die Gewerkschaft als gleichberechtigten Partner behandeln. Die Teilnehmer:innen des Seminars sind zudem der Meinung, dass es notwendig ist, die Kultur des gegenseitigen Respekts und der Wertschätzung in den Beziehungen zwischen Arbeitgeber:innen und Gewerkschaften zu stärken, um die Interessen beider Parteien während der Verhandlungen zu respektieren und als Ergebnis der Verhandlungen eine „Win-Win“-Lösung erzielen zu können. Eine der Schluss-folgerungen ist, dass die Gewerkschaften sich auf die Stärkung ihrer eigenen Organisationsstruktur konzentrieren sollten, darunter auch die Anwerbung neuer Mitglieder, um die Zahl der Mitglieder zu erhöhen und damit die tatsächliche Stärke zu erreichen, die sie in den Verhandlungen benötigen. Eine weitere wichtige Schlussfolgerung lautete, dass die Gewerkschaften bereit sein sollten, als Unterstützung bei den Verhandlungen auf Institutionen und Einzelpersonen in ihren jeweiligen Ländern zurückzugreifen, die sich mit der friedlichen Beilegung von Arbeitskonflikten und Schlichtungen befassen. Die Seminarteilnehmer:innen verab-schiedeten eine Erklärung, in der sie betonten, dass die Gewerkschaften den sozialen Dialog auf europäischer und nationaler Ebene durch gewerkschaftliche Maßnahmen fördern und die Kompetenzen der Gewerkschaften in ganz Europa aufbauen und stärken sollten. In der Erklärung heißt es ferner, dass die Gewerkschaften sich bemühen sollten, gegenseitigen Respekt zwischen Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen als Grundlage für die weitere gesellschaftliche Entwicklung zu schaffen, den sozialen Dialog auf allen Ebenen zu fördern, Bemühungen um Tarifverhandlungen und den Abschluss von Tarifverträgen zu initiieren, Konflikte zwischen den unterschiedlichen Gewerkschaften zu vermeiden, einen Geist der Toleranz und des Respekts für Argumente sowohl im Alltag als auch bei Tarifverhandlungen zu fördern und die Unabhängigkeit der Gewerkschaften von jeglichem äußeren Einfluss von Politik und Kapital sicherzustellen. Darüber hinaus sollten sie die Zusammenarbeit, die Solidarität und die Vernetzung zwischen den Gewerkschaften unserer Länder durch gemeinsame Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer:innenrechte, der Sicherheit am Arbeitsplatz und der Gleichstellung der Geschlechter weiter ausbauen, die Rechte von Arbeitnehmer:innen, die Mitglieder von Gewerkschaften aus anderen Ländern sind und vorübergehend in unseren Ländern arbeiten, gemeinsam schützen und arbeitsrechtliche Mindeststandards gewährleisten sowie Solidarität, Freiheit und Gleichheit als höchste Werte der Arbeitnehmer:innen-bewegung fördern. „Sozialer Frieden lässt sich nicht durch Herrschaft und Spaltung erreichen, sondern durch das Streben nach globaler Arbeitsplatzsicherheit, durch die Ausweitung der Arbeitsfreiheit und die Beendigung der Dominanz des Kapitals über die Arbeit“, so die Schlussfolgerung der Teilnehmer:innen.