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Der grüne Wandel im Westbalkan als Chance für erwerbstätige Menschen

Vom 28. Februar bis 1. März 2024 fand in Sofia / Bulgarien das Evaluierungsseminar im Rahmen des EZA-Sonderprojekts für Arbeitnehmerorganisationen auf dem Westbalkan zum Thema „Der grüne Wandel im Westbalkan als Chance für erwerbstätige Menschen“ statt, das vom Gewerkschaftsbund PODKREPA in Zusammenarbeit mit dem EZA organisiert und von der Europäischen Union finanziert wurde. An dem Seminar nahmen 46 Vertreter:innen von Arbeitnehmerorganisationen aus Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Serbien, Albanien, der Republik Nordmazedonien, Montenegro, Rumänien, Polen und den Niederlanden teil.

Ziele des Seminars

  1. Austausch von Erfahrungen im Bereich des sozialen Dialogs zwischen Gewerk-schaftsvertreter:innen aus der Region und den EU-Mitgliedstaaten mit besonderem Augenmerk auf den grünen Wandel.

  2. Entwicklung umsetzbarer Gewerkschaftsstrategien zur Unterstützung erwerbs-tätiger Menschen in der Region im Zusammenhang mit sämtlichen Heraus-forderungen, die sich aus dem Wandel zu einer grüneren Wirtschaft und einem grüneren Lebensstil ergeben. 

  3. Sensibilisierung und Verbesserung des Verständnisses für die Einbeziehung verschiedener sozialer Gruppen, die besonders anfällig für Klimaänderungen sind, z. B. Frauen, junge Arbeitnehmer:innen.

Beschreibung des Seminars

Das Seminar begann mit Begrüßungsansprachen und politischen Beiträgen zu den strukturellen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt, die durch den grünen Wandel ausgelöst werden, wobei besonderes Augenmerk auf die Möglichkeiten zur Abschwächung der negativen Auswirkungen auf die Beschäftigung gelegt wurde.

Auf die Begrüßung folgte eine Podiumsdiskussion, die sich in zwei Teile gliederte: Runder Tisch zum Thema „Arbeitnehmer:innen als wertvollste Ressource – Politik und Maßnahmen von Gewerkschaften zur Gewährleistung eines gerechten Wandels mit angemessenen Löhnen, guten Arbeitsbedingungen und passenden Ausbildungs-möglichkeiten“ und ein nationaler Vortrag zum Thema „Die bulgarische Wirtschaft und der bulgarische Arbeitsmarkt im Wandel zu einer grünen Wirtschaft – Fortschritte und der Weg in die Zukunft aus gewerkschaftlicher Sicht“.

Das zweite Panel war den regionalen Herausforderungen des grünen Wandels im Westbalkan gewidmet:

- Einführung in die wichtigsten Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Schutz von Arbeitsplätzen

- die größten Hindernisse, Bedrohungen und Chancen für erwerbstätige Menschen aus der Sicht der teilnehmenden Gewerkschaften 

Das dritte Panel enthielt zwei Expert:innenvorträge über die Notwendigkeit einer transformativen Agenda für die Gewerkschaftsbewegung und über die neuen beruflichen Qualifikationen, die dafür erforderlich sein werden:

- für einen Wandel werden innovative Gewerkschaften benötigt, die bereit sind, sich am Transformationsprozess zu beteiligen. 

- Kompetenzen, die für einen grünen und integrativen Wandel benötigt werden: Vorstellung eines praktischen Tools – der Helpdesk des Projekts für einen gerechten Übergang. 

Auf die Expert:innenvorträge folgte eine Diskussionsrunde: Vielfalt gehört zu jeder erfolgreichen Strategie für einen nachhaltigen grünen Wandel mit der folgenden Grundsatzposition: Der vielfältige und integrative grüne Wandel aus geschlechter-gerechter Perspektive und in der allgemeinen Diskussion. Nach jedem Panel gab es die Möglichkeit, Fragen zu stellen und sich mit anderen Teilnehmer:innen auszutauschen.

Das Seminar endete mit einem Abschlusstreffen, in dem Schlussfolgerungen gezogen und die Arbeit der beiden Tage ausgewertet wurde.

Die wichtigsten Ideen

•   Die Grüne Agenda der EU für den Westbalkan hat zwei Hauptziele: die Bewältigung der Herausforderungen des Klimawandels in der Region und die Angleichung der bestehenden Umweltvorschriften an den europäischen Besitzstand. Um erfolgreich sein zu können, müssen die wichtigsten Interessengruppen von Anfang an in den politischen Entscheidungsprozess miteinbezogen werden, um die tatsächlichen Interessen der unterschiedlichen Arten von Arbeitnehmer:innen und der unterschiedlichen sozialen Gruppen zu berücksichtigen. Denn nur durch ein solches gemeinsames Verständnis und Handeln können Kosten und Nutzen des grünen Wandels und der Dekarbonisierung gleichmäßig auf die Gesellschaft verteilt werden und der Wandel zur Klimaneutralität sozial gerecht und inklusiv gestaltet werden.

 •  Da die Region des Westbalkans mit erheblichen wirtschaftlichen Zwängen und politischer Unsicherheit konfrontiert ist, wird die Umsetzung von Maßnahmen zur Einhaltung der Grünen Agenda eine relativ komplexe Aufgabe sein, die mit einer Zunahme vieler negativer Einstellungen einhergeht. Tatsächlich kann niemand bestreiten, dass eine der größten kurzfristigen Auswirkungen des grünen Wandels darin besteht, dass die Beschäftigung in einigen Bereichen zurückgehen und die Produktion auf nachhaltigere Bereiche umgestellt werden wird. Natürlich werden viele Menschen, insbesondere Arbeitnehmer:innen, die wahrscheinlich ihren Arbeitsplatz verlieren werden, dagegen sein. In diesem Zusammenhang ist es nicht nur notwendig, sich alle Meinungen genau anzuhören, sondern auch ein umfassendes Bündel von Maßnahmen zu schnüren, um die Menschen während des gesamten Wandels zu unterstützen und zu vermeiden, dass sich bestimmte Gruppen oder Sektoren unverhältnismäßig stark betroffen fühlen. Darüber hinaus ist eine klare Kommunikationsstrategie zu diesem Thema erforderlich, um die wichtigsten Ergebnisse besser zu erklären. Zweifellos wird der grüne Wandel die Einbeziehung von Gewerkschaften, Wirtschaftsverbänden, lokalen Führungskräften und Nicht-regierungsorganisationen aus der Region erfordern. Kurz gesagt, der Wandel erfordert umfassende politische Maßnahmen und eine umfassende Mobilisierung nicht nur der nationalen Regierungen, sondern auch der Gesellschaft insgesamt. In dieser Hinsicht ist die Umsetzung einer evidenzbasierten, integrativen und überzeugenden Kommunikationsstrategie auf der Grundlage konkreter Fakten und wichtiger Ergebnisse sowie von Erkenntnissen über die Zielgruppe und das Verhalten erforderlich, um das Narrativ des Wandels zu gestalten und verschiedene Bevölkerungsgruppen zum Handeln zu bewegen. 

•  Eine vergleichbare Zusammenarbeit zwischen der Zivilgesellschaft und den Regierungen für einen inklusiveren grünen Wandel sollte einen angemessenen Zugang zu Informationen, die Möglichkeit zur Beteiligung am Politik- und Entscheidungsfindungszyklus und an der Bewertung der Ergebnisse beinhalten. Der Einsatz solcher transparenter und partizipativer Prozesse bietet mehrere Vorteile. Auf der einen Seite kann er dabei helfen, geeignete politische Maßnahmen zu ermitteln, die die Interessen aller Beteiligten wahren. Angesichts des sektorüber-greifenden Charakters des grünen Wandels kann ein Prozess, bei dem viele verschiedene Interessengruppen eingebunden werden, dazu beitragen, unter-schiedliche Interessen zu vermitteln und eine ausgehandelte politische Haltung zu erreichen. Darüber hinaus kann der Prozess des Engagements mit den wichtigsten Interessengruppen dazu beitragen, ein hohes Maß an Unterstützung für die Klimareformpolitik über kurzfristige politische Zyklen hinaus aufrechtzuerhalten, sogar während eines politischen Wandels. So lassen sich Interessenkonflikte vermeiden.

  • Die Vielzahl von Akteur:innen, Sektoren und Arbeitsplätzen, die von der Grünen Agenda betroffen sind, unterstreicht die Notwendigkeit, einen Konsens zu schaffen und ein Verhandlungsverfahren für die politischen Entscheidungsprozesse zu etablieren, um zu verhindern, dass mächtige Eliten die grüne Politik für ihre Interessen vereinnahmen. Hier ist der soziale Dialog das Instrument der Wahl, um die richtigen politischen Maßnahmen zur Unterstützung der am stärksten betroffenen Arbeitnehmergruppen auf dem Weg zum Wandel umzusetzen und gleichzeitig die Bevölkerung bei der Bewältigung der unumkehrbaren und differenzierten Auswirkungen der immer häufigeren und extremeren Wetterereignisse zu unter-stützen. Die nationalen Regierungen und Gewerkschaften der Region müssen insbesondere die Beteiligung von Arbeitnehmer:innen, Bürger:innen und lokalen Gemeinschaften fördern, um deren Wissen optimal zu nutzen und integrative und transparente politische Maßnahmen mit besonderem Augenmerk auf Sektoren und Bevölkerungsgruppen zu entwickeln, die besonders anfällig für Schockerlebnisse sind. Die Beteiligung der Arbeitnehmer:innen und der soziale Dialog sind von großer Bedeutung, wenn es darum geht, wichtige Veränderungen voranzutreiben und die Grüne Agenda zu beeinflussen – ein solch breiter angelegter Dialog wird die Eigenverantwortung für die erzielten Vereinbarungen erhöhen und gewährleisten, dass die Interessen aller Akteur:innen in vollem Umfang respektiert und nicht ignoriert werden.

  • Die EU hat eine umfassende Politik entwickelt, um ihre Grüne Agenda im Westbalkan voranzutreiben, insbesondere durch den Ausstieg aus der Kohle und die Umstellung auf erneuerbare Energien. Doch trotz der engen Abstimmung der Rechtsvorschriften leidet die Region unter einem Umsetzungsdefizit. Zwei Punkte sind dabei besonders hervorzuheben: die starke Abhängigkeit der Region von der Kohle und damit verbunden die Struktur des Energiesektors und die Energiepolitik im weiteren Sinne. Der anhaltende Krieg in der Ukraine hat die schwierige Situation, die durch diese Herausforderungen entstanden ist, noch verschärft. Die beiden wichtigsten Knackpunkte sind die Kohlenstoffpreisgestaltung und der Ausstieg aus der Kohle. Im Großen und Ganzen sind die Energiesysteme des Westbalkans veraltet, durch chronisches Missmanagement und unzureichende Investitionen beeinträchtigt und stark von der Braunkohle abhängig. Dieser Zustand verursacht jedoch auch Kosten. Kohle ist für schädliche Emissionen verantwortlich. Im Grunde genommen lassen diese Probleme die Realität kontrovers und düster aussehen, ähnlich wie die Erfahrungen in Bulgarien. 

  • Trotz der Hindernisse, die der Dekarbonisierung im Wege stehen, ist der grüne Wandel im Westbalkan noch lange nicht verloren. Derzeit verlagert sich der Schwerpunkt auf Solar- und Windprojekte, die umweltfreundlicher und kosten-günstiger sind. Diese Verlagerung auf erneuerbare Energien wirft auch andere Fragen auf, wie die Bereitstellung von Grundlaststrom, die auf perverse Weise die Lebensdauer von Kohlekraftwerken stärkt. Hier muss das Partnerschaftsprinzip verpflichtend sein, um sicherzustellen, dass alle Beteiligten – lokale Gemeinden, Gewerkschaften, Bildungseinrichtungen – auf nationaler Ebene einbezogen werden. Sicherlich werden die Sozialpartner eine wichtige Rolle bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Produktivität spielen, indem sie die Entwicklung von Kompetenzen für den grünen Wandel unterstützen, die soziale Dimension berücksichtigen und gleichzeitig sicherstellen, dass gefährdete Arbeitnehmer:innen geschützt werden. Die Beteiligung der Gewerkschaften ist unerlässlich, denn sie vertreten die Arbeitnehmer:innen, für die neue Arbeitsplätze geschaffen werden müssen. Werden sektorale Umstrukturierungsentscheidungen ohne Rücksprache getroffen, stoßen sie auf Widerstand und erfüllen nicht die Erwartungen der Arbeitnehmer:innen. 

  • Der grüne Wandel im Westbalkan steht vor ernsthaften Hindernissen und erfordert daher ausreichende Überwachungskompetenzen, um einen bedeutenden politischen Wandel in der Region lenken zu können. Um die Chancen des von der EU vorangetriebenen grünen Wandels optimal zu nutzen, sollte sich der Westbalkan auf die regionale Zusammenarbeit konzentrieren, in grenzüberschreitende Infra-strukturen investieren und sich gemeinsam darum bemühen, einen gesellschaft-lichen Konsens für Unterstützungs- und Umschulungsmaßnahmen zu schaffen, wobei die potenziellen Vorteile die kurzfristigen Kosten bei weitem überwiegen. Das wird nicht einfach werden, es wird Kompromisse brauchen und es bedarf einer Kombination aus individuellen und kollektiven Maßnahmen sowie staatlicher Politik, um sicherzustellen, dass wir die natürlichen Ressourcen für künftige Generationen erhalten, damit diese einen gesunden und lebenswerten Planeten erben.

  • Ungleichheit und Klimakrise gehen Hand in Hand, aber Regionen mit niedrigem Einkommen, wie der Westbalkan, gehören zu den am stärksten betroffenen Regionen. Hinzu kommt, dass die Klimakrise auch nicht „geschlechtsneutral“ ist. Frauen und Mädchen sind von den Auswirkungen des Klimawandels am stärksten betroffen, was die bestehenden Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern noch verstärkt. Darüber hinaus wirken sich die vorherrschenden patriarchalischen Normen und die sehr spezifischen regionalen Einstellungen zu den verschiedenen Geschlechterrollen negativ auf Frauen aus dem Westbalkan aus. Laut einer Studie der Weltbank aus dem Jahr 2022 könnte das BIP des Westbalkans im Durchschnitt um 20 % höher sein, wenn Frauen in gleichem Maße wie Männer am Arbeitsmarkt teilnehmen würden. In einer solchen Situation besteht ein Teil der Bemühungen der Arbeitnehmerorganisationen zur Verbesserung der Situation der Frauen darin, ständig Druck auf die Regierungen des Westbalkans auszuüben, damit diese der Gleichstellung der Geschlechter Priorität einräumen. Die Entwicklung verläuft jedoch schleppend, da die Gewerkschaften, die die Hauptakteure bei der Forderung nach Veränderungen in der Region sind, oft nicht gehört oder nicht in den demokratischen Entscheidungsprozess miteinbezogen werden. In diesem Zusammenhang müssen die Arbeitnehmerorganisationen wachsam und aktiv sein und eine sehr sorgfältige Umsetzung der Maßnahmen im Rahmen der Grünen Agenda für den Westbalkan fordern, damit sich die Kluft zwischen der Region und den anderen, reicheren EU-Regionen nach dem Wandel nicht noch weiter vergrößert. 

Schlussfolgerungen und Empfehlungen

•       Der Grüne Deal ist ein Projekt für die Zukunft, aber wir sollten dabei die Gegenwart nicht vergessen – jede Erfahrung im Zusammenhang mit dem Wandel wird anders sein, wobei die lokalen wirtschaftlichen Voraussetzungen dabei eine entscheidende Rolle spielen. Arbeitnehmer:innen, deren Arbeitsplätze in emissions-intensiven Tätigkeiten verloren gehen würden, haben kaum Chancen, von anderen Sektoren übernommen zu werden. Daher ist es an der Zeit, kluge Entscheidungen zu treffen: regionale sozioökonomische Besonderheiten müssen berücksichtigt werden, neue politische Maßnahmen sollten sich auf die Bereitstellung von integrativem Sozialschutz, allgemeiner und beruflicher Bildung, individueller Unter-stützung bei der Wiederbeschäftigung und zeitlich befristeten Beschäftigungs-beihilfen konzentrieren. Andernfalls werden die Kosten der Nichterwerbstätigkeit noch höher ausfallen. 

 • Der grüne Wandel stellt für den Westbalkan eine Chance dar, ernsthafte Schritte in Richtung eines Modells für nachhaltiges Wachstum und zur Integration in die EU zu unternehmen, aber es ist schwierig, das in die Zukunft zu extrapolieren. In der Praxis werden nur kleine Fortschritte gemacht, was vor allem auf das Zusammen-treffen mit strukturellen Veränderungen wie der Globalisierung und der Digitalisierung zurückzuführen ist, aber auch auf fehlende Kompetenzen und einen mangelnden politischen Willen. Um die im EU-Wachstumsplan vorgesehene Klimafinanzierung optimal zu nutzen, müssen alle Beteiligten aktiv einbezogen werden, um einen Konsens über die Art und Weise der Umsetzung einer grünen Politik zu finden und diese an die Realität der erwerbstätigen Menschen in ihren Ländern anzupassen. Deshalb darf der grüne Wandel nicht als isolierter Prozess betrachtet werden, sondern erfordert einen umfassenden Dialog zwischen allen Beteiligten, um einen Konsens über eine umfassende Reformagenda zu erzielen. Ebenso wichtig ist es, dafür zu sorgen, dass die öffentlichen Institutionen in enger Abstimmung mit den Arbeitnehmerorganisationen daran arbeiten, die Grüne Agenda zu einem Kernstück der nationalen und regionalen Entwicklungsstrategien zu machen.

  • Für die Gewerkschaften ist es wichtig vorauszusehen, welche Arbeit-nehmer:innen und Regionen besonders betroffen sein werden, um wirksame politische Maßnahmen ergreifen zu können, die dort ansetzen, wo der größte Bedarf besteht. In Regionen, die besonders vom Strukturwandel und umfangreichen Entlassungen betroffen sein werden (z. B. aufgrund der Schließung von Kohleberg-werken), müssen wirksame Maßnahmen zur frühzeitigen Information der regionalen öffentlichen Arbeitsverwaltungen ergriffen werden. Es wäre sinnvoll, bereits zum Zeitpunkt der Meldung mit Qualifikationsprüfungen und individueller Unterstützung bei der Arbeitssuche zu beginnen. Gezielte und befristete Beschäftigungsbeihilfen können ausgehandelt werden, um entlassenen Arbeitnehmer:innen die Wieder-eingliederung in andere Sektoren und Berufe zu erleichtern. Für Arbeit-nehmer:innen, die ihren Arbeitsplatz verlieren, sollten integrative Sozialschutz-systeme zur Egalisierung der Einkommen sowie Zugang zu unterstützenden Leistungen und Unterstützung bei der Wiederbeschäftigung vorgesehen werden. Gezielte Einkommensunterstützungssysteme müssen vorgeschlagen werden, um die Haushalte bei der Bewältigung der möglicherweise hohen oder weniger vorhersehbaren Energiepreise im Zuge der Energiewende zu unterstützen. 

  • Arbeitnehmerorganisationen aus dem Westbalkan müssen die Fehler, die möglicherweise während des Wandels gemacht werden, berücksichtigen, es ist jedoch besser, aus den Erfolgsgeschichten zu lernen. In diesem Zusammenhang können die Maßnahmen der Gewerkschaften zu einem erfolgreichen Wandel beitragen: konsequentes Engagement und starke Beteiligung, Bemühungen um einen Konsens während der bedeutenden Veränderungen, Bereitstellung von Bildung und Ausbildung, institutionelle Zusammenarbeit auf allen Ebenen bei der Bewältigung der Umstrukturierung.

  •  Angesichts des bereichsübergreifenden Charakters der Grünen Agenda und der Tatsache, dass es dabei Gewinner und Verlierer geben wird, ist die Abwägung der sozialen, wirtschaftlichen und institutionellen Kompromisse, die sich aus dem Wandel ergeben, sowie ihre wirksame Vermittlung von grundlegender Bedeutung für ihren Erfolg. Die Gewerkschaften als verantwortliche Sozialpartner müssen kohärente und integrative politische Vorschläge unterbreiten, die der Schlüssel zu einem geordneten grünen Wandel sind, der die potenziellen kurzfristigen Heraus-forderungen und Kosten berücksichtigt und die schwachen Gruppen und Sektoren während des gesamten Prozesses unterstützt. Nur mit verantwortungsvollen Vorschlägen für eine nationale Politik, die auf Solidarität und Arbeitnehmerrechten basieren, wird der Wandel fair und nachhaltig sein.

  • Um die grüne Agenda des Westbalkans voranzubringen, bedarf es eines angemessenen, rechtzeitigen und transparenten Informationsaustausches sowie der Schaffung von Unterstützung für und der Vermeidung von Widerstand gegen politische Maßnahmen, die starke und differenzierte Auswirkungen auf alle sozioökonomischen Gruppen, Gebiete und Generationen haben. Hier sind die regionale Zusammenarbeit und der Konsens in Bezug auf den Wandel der Mechanismus, um wirklich etwas zu bewirken und alle Akteur:innen effektiv in den Prozess einzubeziehen.

  •  Das Vertrauen in die wichtigsten öffentlichen und politischen Institutionen im Westbalkan ist gering, was darauf zurückzuführen ist, dass Gesetze im Allgemeinen weniger befolgt werden. Das geringe Vertrauen beeinträchtigt die Fähigkeit der Regierungen und der Sozialpartner, Reformen durchzuführen, und stellt eine Herausforderung für die Festlegung einer gemeinsamen politischen Agenda für einen grünen Wandel dar, der von einem breiten und langfristigen Konsens getragen wird. Geringes Vertrauen verlangt, dass der Förderung des institutionellen Wandels sowie spezifischen Maßnahmen zur Verbesserung von Effizienz, Transparenz, Rechenschaftspflicht und politischer Kohärenz der öffentlichen Institutionen Aufmerksamkeit geschenkt wird. Deshalb sollten die Gewerkschaften in der Region die Unterstützung für umweltpolitische Maßnahmen nutzen, um eine breitere Diskussion über die Säulen der Verantwortung und des sozialen Dialogs zu führen. Die Grüne Agenda kann daher dazu beitragen, Koalitionen zur Unterstützung einer umfassenderen Reformagenda in der Region zu bilden. Eine wirksame und faktengestützte Kommunikation rund um die Grüne Agenda kann auch die Glaubwürdigkeit von Gewerkschaftsmaßnahmen stärken und wichtige Triebkräfte für Dialog und Partnerschaft positiv beeinflussen. Denn:

  • um auf dem Weg zu einem grünen Wandel erfolgreich sein zu können, braucht der Westbalkan transparentere politische Prozesse mit einem breiteren sozialen Zusammenhalt und einem Konsens für Nachhaltigkeit. In dieser Hinsicht können stärkere Mechanismen für die Rechenschaftspflicht, die Einbeziehung und Beteiligung der Arbeitnehmer:innen, die Konfliktlösung und die aktive Kontrolle durch die Bürger:innen zu einer grünen, nachhaltigen Zukunft der Region beitragen.