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Der europäische Grüne Deal – die sozial-ökologische Transformation zu einem Zukunftsprojekt für alle machen

Vom 23. bis 27. August 2023 fand in Podgorica / Montenegro, ein Seminar zum Thema „Der europäische Grüne Deal – die sozial-ökologische Transformation zu einem Zukunftsprojekt für alle machen“ statt, organisiert von NBH (Nell-Breuning-Haus), in Zusammenarbeit mit EZA und finanziert durch die Europäische Union.

Über 40 Vertreter:innen von Arbeitnehmerorganisationen aus Belgien, Deutschland, Bulgarien, Rumänien, Moldau, Nord-Mazedonien und Montenegro sammelten gewerkschaftliche Positionen zum Grünen Deal, Informationen zum Stand der Transformation und nationaler Strategien und Konzepte.

In den Grußworten von Silviu Ispas (IFAS), Veselin Mitov (PODKREPA), Jochen Mettlen (CSC), Slobodan Antovski (UNASM), Rainer Rißmayer (NBH) betonen diese die Wichtigkeit des Themas, die Dringlichkeit der sozial-ökologischen Transformation und bei allen Schwierigkeiten vor allem die Chancen für die Zukunft, die in diesem Wandel hin zu einer umweltfreundlichen Lebensweise und Arbeitswelt liegt. Der europäische Green Deal soll den ökologischen Umbau der EU-Staaten unterstützen und beschleunigen. Dabei zeigt sich vor allem, dass es ein Gefälle und unterschiedliche Geschwindigkeiten in und zwischen den Ländern gibt. Vor allem die sozialen Auswirkungen auf die arbeitenden Menschen stehen bisher nicht im Mittelpunkt dieses Wandels. Denn Arbeitsplätze gehen bereits jetzt da verloren, wo umweltschädliche Industrien und Energieproduktionen stillgelegt oder umgebaut werden. Gleichzeitig wird dieser Umbau mit der Digitalisierung in allen Bereichen des Lebens verknüpft. Und nicht zuletzt müssen sich die Menschen auch ökologische Erneuerung, wie zum Beispiel Solarkollektoren, E-Mobile und umweltfreundliche Heizsysteme leisten können. Alles ist verbunden mit guten sozialen Bedingungen für die Menschen, mit dem Erhalt und der Neuschaffung von Arbeitsplätzen und guten Arbeitsbedingungen. Diese Forderungen sind zurzeit in Gefahr, nicht realisiert zu werden. Aus den Eingangsstatement lassen sich erste wichtige Aspekte für das Seminar erkennen:

1. Nach wie vor verhindert und verlangsamt das ökonomische Ungleichgewicht in den EU-Ländern den ökologischen Wandel mit sozialem und menschlichem Antlitz. Dieses Ungleichgewicht betrifft vor allem die südost- und osteuropäischen Nationen.

2. Vor allem dort ist in den Bevölkerungen das Bewusstsein für diese sozial-ökonomische Transformation noch nicht sehr entwickelt.

3. In den westlichen EU-Nationen geht der ökologische Wandel schneller, weil mehr Kapital, Wissen und Bewusstsein vorhanden sind.

4. Der Dialog zwischen den Sozialpartnern und der Politik entwickelt vor allem in den südöstlichen EU-Nationen sehr schleppend.

5. Die Sozialpartner stehen in der Verantwortung, den Strukturwandel in besonders gefährdeten Regionen der EU sozial zu gestalten und die Menschen nicht im Stich zu lassen.

6. Vor allem die Gewerkschaften in den südöstlichen EU-Ländern sind verstärkt bemüht, die Menschen von der Notwendigkeit der sauberen Energieformen, dem Klimaschutz und den damit verbundenen sozialen Folgen und vor allem auch Chancen zu überzeugen und Informationen zu liefern.

Daniel Freund (MeP) erläutert in einer Videobotschaft die Struktur und Ziele des europäischen Grünen Deals. Dabei geht es vor allem um die verschiedenen Gesetze in allen Bereichen (z.B. Verkehr, Gas, Öl, Kohle, Wärme, Strom, Bau, Landwirtschaft), die die Wirtschaft umbauen sollen und sie von diesem Wandel profitieren lassen. Dies bewirkt Innovationen, neue Technologien wie die Digitalisierung und dadurch gute Arbeitsplätze. Es geht auch um viele EU-Zertifizierungen für ökologische Maßnahmen im nationalen und EU-Raum. Ein Beispiel ist das Ende des fossilen Verbrennungsmotors ab dem Jahr 2035, für das bereits eine EU-Verordnung vorliegt. Insgesamt ist ein EU-Fond von zirka einer Billion Euro für die Transformation bereitgestellt. Bei allen Gesetzen und Konzepten gehe es um den gerechten Ausgleich zwischen Arbeitnehmer:nnen, Wirtschaftsinteressen, Gesellschaften und den Erhalt hoher und sogar gesteigerter Sozialstandards insgesamt.

Sandra Obradovic (UFTUM) erläutert in ihrem Grußwort, dass die 2008 gegründete Union of Free Trade Unions of Montenegro (UFTUM) mit dem sozialen Dialog begonnen hat und mittlerweile ein wichtiger und erfolgreicher Akteur für die Rechte der arbeitenden Menschen ist. Vor zirka 30 Jahren unterzeichnete Montenegro eine Deklaration für einen ökologischen Staat. Ziel: Höchste Öko-Standards und Normen für den Lebensstandard und Naturschutz. Leider wurden diese Standards bis heute nicht eingehalten. Zum Beispiel werden Naturschutzgebiete bebaut. Die Landwirtschaft wird geschwächt sein, wenn sich Montenegro nicht an diesen Prinzipien und dem Europäischen Grünen Deal orientiert. So hat die Politik im letzten Jahr einvernehmlich beschlossen, das Pariser Abkommen, den UN-SDGs und den Europäischen Grünen Deal konsequent anzuwenden und das Bewusstsein hierfür in der Bevölkerung nicht nur zu schaffen, sondern sie auch daran zu beteiligen. So werden zum Beispiel alle Baumaßnahmen auf diese ökologischen Prinzipien hin geprüft und verboten, wenn sie nicht erfüllt sind. Die Gewerkschaften sind sehr an einer EU-Mitgliedschaft Montenegros interessiert und analysieren zurzeit den Paragraph 27 im Cluster 4 (Green Deal, Energie, Verkehrspolitik und Kapitel 21, das so genannte Transeuropäische Netz). Für die montenegrinischen Gewerkschaftsvertreter:innen ist es sehr wichtig, im Austausch mit den Kolleg:innen aus den europäischen Ländern zu stehen und Erfahrungen auszutauschen.

Frederik Mochs (DGB Bund - Deutschland) Hauptthema und These ist, dass nur dann, wenn alle Europäer aus Nord, Ost, Süd und West zusammenarbeiten, dieser Grüne Deal erfolgreich sein kann. Da braucht es einen langen Atem für die nächsten zirka 30 Jahre. Und dabei stehen vor allem die sozialen Fragen im Vordergrund. Nur dann, wenn die für die Menschen positiv gelöst sind, kann es überhaupt eine soziale, ökologische und gerechte Wirtschaft in Europa geben. Die multidimensionalen Krisen (Covid 19, Krieg in der Ukraine, Energiekrise, Preissteigerungen etc.) verzögern die Umsetzung des Grünen Deals, zeigt die fehlende Einstimmigkeit in der Europäischen Union und bindet zusätzliche Finanzmittel auf Kosten der sozialen Entwicklung. Die deutschen Gewerkschaften haben im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes Einfluss auf die Unternehmen, wenn es um den sozialen Ausgleich der sozial-ökologischen Transformation geht. Und der wird auch genutzt. Die Transformation betrifft alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens. Das Ziel, bis 2030 eine bestimmte Menge an CO2 einzusparen, ist äußert ambitioniert. Zum Teil hat die Europäische Kommission ihre Vorgaben und Gesetze auf Grund der momentanen Krisen sogar verschärft, um auch das Ziel „fit for fifty-five“ (Klimaneutralität Europas im Jahre 2055) zu erreichen. So wird der Emissionshandel 1 die Industrie in ihrem Wandel und in der Produktion von zum Beispiel grünem Stahl oder grüner Energie erheblich beschleunigen. Dabei dürfen die Arbeitsplätze und der Arbeitsschutz nicht verloren gehen. Dies ist eine große Herausforderung für die Gewerkschaften. Der so genannte Emissionshandel 2 betrifft dann Gebäude im privaten und öffentlichen Bereich. Der birgt große soziale Risiken für die Menschen, die die höheren Energiepreise zahlen müssen. Zumal die Gebäude energetisch und wärmetechnisch mit alternativen Energien ausgestattet werden müssen. Hier fehlen den Menschen in der ganz Europa und vor allem in den südosteuropäischen Ländern die finanziellen Mittel. Daher will die Europäische Kommission einen so genannten Klimasozialfonds einrichten, um die Menschen in Ost- und Südosteuropa finanziell zu entlasten. Leider ist der Fonds mit zu wenig finanziellen Mittel ausgestattet und muss daher wesentlich erhöht werden.

Im Umbauprozess im Rheinischen Braunkohlerevier wird vor allem mit den Menschen vor Ort über den klimaneutralen Einstieg in neue Energieformen, über neue Infrastrukturen, über die Ansiedelung von Firmen, über kultur- und bevölkerungsrelevante Projekte und über neue Arbeitsplätze gesprochen. An den Gesprächen sind alle Sozialpartner beteiligt.

Miladin Sekulić (UFTUM, NN-SSCG) kommt aus einem Kohlerevier in Montenegro. Das einzige Kohlekraftwerk in der Kleinstadt Pljevlja versorgt Montenegro zu 40 % mit Energie. Es ist für die kleine Region ein wichtiger Arbeitgeber und Finanzfaktor. Zirka 1400 Menschen sind in diesem Kraftwerk beschäftigt. Weitere 1200 Beschäftigte zählt der Bergbau. Außerdem gibt es noch zwei Wasserkraftwerke in Perućica und Piva. Es gibt zudem Wind- und Solarenergie. Aber die macht nicht mehr als 12 % der Energieproduktion aus. Windkraftwerke sind in Montenegro zu teuer. Wenn das Kohlekraftwerk sofort schließt, hat Montenegro ein massives, existenzbedrohendes Problem mit der Stromversorgung. Auch bezogen auf die Arbeitsplätze. Ein Vergleich: Das Kohlekraftwerk verbraucht in einem Jahr so viel Kohle wie deutsche Kohlekraftwerke an einem Tag. Der Beitrag zur globalen Luftverschmutzung ist da also gering. In Podgorica heizen etwa 5000 Häuser im Winter vorwiegend mit Kohle. Da ist die Luftverschmutzung hoch. Im Sommer wird nicht geheizt, die Luftbelastung ist gering. Die Stahl- und Aluminiumindustrie ist bereits geschlossen. Die Europäische Kommission verlangt von der montenegrinischen Regierung bis Ende 2023 eine Antwort auf die Frage, wann die Kohleproduktion endet. Einige Staaten haben eine Antwort geben können. Montenegro kann dies nicht. Niemand bietet eine Alternative zu dieser Energieproduktion und zur Sicherung der Arbeitsplätze an. Wind- und Solarenergie wird in Montenegro sehr wenig verwendet. Die Gewerkschaft Montenegros erwartet von den Ministerien eine feste Antwort auf die Frage, wann die Kohleproduktion endet. Manche Länder schließen im Jahre 2030 oder 2033, manche erst im Jahre 2049. UFTUM hat sich dem südosteuropäischen Verbund der „Gerechten Transition“ angeschlossen. In einer Umfrage durch die Regierung hat sich die Mehrheit der Beschäftigten für den Erhalt dieser Arbeitsplätze in der Kohleproduktion ausgesprochen Und die Gewerkschaft muss die Interessen der Beschäftigten schützen. Leider verfügt sie nicht über umfassende Informationen zum Europäischen Grünen Deal. Selbst die Regierung weiß nicht, woher die Energie in der Zukunft kommen soll. Klar ist jedoch, dass die Bevölkerung von Montenegro importierten Strom nicht bezahlen kann. Trotzdem sind die Menschen und die Regierung von Montenegro positiv gestimmt und begrüßen die Klimaneutralität für ihr Land. Gemeinsam mit den Balkanstaaten und mit der Hilfe der EU wird diese Transformation auch gelingen.

Chris Löw (Demokratiewerkstatt Rheinisches Revier) stellt das Projekt vor, das die betroffenen Menschen aller Altersgruppen und sozialem Stand an der Gestaltung ihres Lebensraumes beteiligt. Dialog, demokratische Teilhabe an der Versöhnung mit den Verhältnissen stehen dabei im Vordergrund. Betroffene sind vor allem Bewohner der an den Tagebau angrenzenden Dörfern wie zum Beispiel Kukum, Berverath, Ober- und Unterwestrich, Holzweiler, Keyenberg, und natürlich die Menschen, die in „neue“ Dörfer umgesiedelt sind. Dabei fördert das Projekt aktiv die Vernetzung von engagierten Menschen und Initiativen. Dabei ist die Transformation hin zu einer ökologisch geprägten Industriegesellschaft eine Art Pilotprojekt für das zukünftige, demokratische Zusammenleben und Zusammenarbeiten von Menschen. Die Demokratiewerkstatt Rheinisches Revier ist ein Projekt von Nell-Breuning-Haus und der Landeszentrale für Politische Bildung.

Vladimir Topalov (Bulgarische Bergarbeiterverband in PODKREPA) und Dimitar Cholakov (Bulgarische Energiearbeiter-Gewerkschaft bei MINI Marits Iztok EAD) berichten über den ökologischen Umbau von Kohlekraftwerken. Die energieerzeugenden Kohlekraftwerke sind zwar seit Jahrzehnten mit Abluftfiltern ausgestattet. Aber das reicht nicht. Die Europäische Kommission gibt nur Finanzmittel für den kompletten Umbau in eine ökologische Energieerzeugung frei. Dies erzeugt bei den in der Energiebranche arbeitenden Menschen Angst vor ihrer Zukunft. Die so genannten Heranführungs-Fonds müssen dafür sorgen, dass die Menschen in den Regionen nach der Schließung von Kohlekraftwerken und Kohlebergbau noch vorhanden sind, nicht abwandern, neue Berufe in diesen Branchen lernen können und bleiben. Die Regierungsseite hat bisher keine Initiative in diese Richtung erkennen lassen. Unsere Aufgabe ist es, die ökologischen Zukunftsideen zum Beispiel aus Deutschland aufzunehmen und in unsere Transformation für unsere Industrieregionen und ländlichen Gebiete umzusetzen. Die bulgarischen Gewerkschaften sind Bindeglied zwischen Wirtschaft, Regierung und den arbeitenden Menschen. Die Bevölkerung muss von allen Sozialpartnern davon überzeugt werden, dass saubere Energie preislich günstiger sein wird als die fossile Energie. Das geht aber nur, wenn auch genügend saubere Energie produziert wird. Darin liegt zurzeit ein großes Vermittlungs- und Informationsdefizit. Es gibt ein Kraftwerk nach aktuellen Öko-Standards, doch es liegt in einer Industrieregion, jenseits der ländlichen Gebiete. Aber auch privatwirtschaftliche Initiativen tragen endlich zur Klimaneutralität bei. So bauen große Speditionen Bahnterminals, um ihre Güter vom LKW auf die Schiene umzuladen. Der Staat selbst unterstützt diese Initiativen zurzeit nicht.

In Bulgarien findet sich ein großes Braunkohlebecken. Mit den dort angesiedelten Kohlekraftwerken wird insgesamt zirka 3500 MW Strom vor allem für die Ballungsräume produziert. Im Sommer erreicht die Produktion 40 %, im Winter bis zu 60 %. Das sind die Fakten. Allerdings erfüllt Bulgarien die Energieziele der EU für das Jahr 2030. Bulgarien ist führend im Aufbau von Photovoltaikanlagen. Das ist eine gute Entwicklung. Bulgarien schaut neidvoll auf die deutsche Politik, die sehr eng mit der Wirtschaft, den Gewerkschaften und der Bevölkerung zusammenarbeitet und enorme Finanzmittel für die Transformation bereitstellt. Das findet in Bulgarien nicht statt. Es bestehen Absichtserklärungen der andauernd wechselnden Regierungen. Für die Gewerkschaften ist es ein zähes Ringen um Dialog und Teilhabe.

Dennoch begrüßt die Bevölkerung die grüne Energie. Aber ein Haus kann erst dann zerstört werden, wenn ein neues Haus gebaut wurde. Kiril Binev (Bulgarische Gewerkschaft der Kulturschaffenden PODKREPA) ergänzt, dass bei diesem Übergang in eine ökologische Zukunft Kultur eine große Rolle spielt. Dazu gehört auch Bildung, Wissen, Gesundheitswesen zum Beispiel. Im Bildungsbereich sind die Menschen davon zu überzeugen, dass es viele Möglichkeiten gibt, um Energie zu sparen und die Natur zu schützen. Zusätzlich gibt es Planungen und einige Umsetzungen zur Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung unter ökologischen Gesichtspunkten. Die Menschen stehen bei dieser Transformation im Mittelpunkt. Und dieser Wandel muss gerecht sein.

Florin Hossu, (Rumänische Gebietsgewerkschaft Cartel Alfa Maramures), Iulian Gavrila (Rumänisches Jugendkomitee Cartel Alfa Brasoc), Marian Apostol (Rumänisches Cartel Alfa Caras-Severin) und Alin Munteanu (Cartel Alfa Gorj) berichten über Kohlereviere, Energie und Bildung in ihrem Land. In den letzten Jahren wurden Infrastrukturmaßnahmen aus ökologischer Sicht durchgeführt, um das Verkehrsnetz zu modernisieren, Energieinfrastruktur zu verbessern oder das Gesundheitssystem auszubauen. Rumänien verfügt über bedeutende Wasserressourcen, Geothermie für erneuerbare Energien und ist bemüht, diese Ressourcen für alternative Energien zu nutzen. Das Problem ist nach wie vor die Finanzierung. Daran hat sich auch in den letzten 12 Monaten nichts verändert. In den westlichen EU-Ländern steht scheinbar mehr Geld für die Transformation zur Verfügung als in den osteuropäischen Ländern. Dieses Ungleichgewicht verlangsamt den Wandel. Und nach wie vor ist Rumänien ebenso wie Bulgarien auch für die Zukunft abhängig von den fossilen Energieträgern. Durch die Stilllegung von Kohlebergwerken und deren Kraftwerke besteht jedoch nach wie vor keine eigene garantierte Energieversorgung. So muss Rumänien ebenso wie der Nachbarstaat Bulgarien Strom aus den EU-Ländern importierten. Der ist teuer und belastet die Bevölkerung. Durch die heutigen multiplen Krisen wird sich dies auch nicht so schnell ändern. Und die Umwelt ist im stillgelegten Bergbau nach wie vor geschädigt. Die ökologische Bildung wird in Rumänien immer wichtiger. Denn Klimaneutralität herzustellen, richtet sich in die Zukunft, an die Kinder und Enkel. Diese Aufklärung über den Grünen Deal und den Klimawandel muss bereits in den Schulen angeboten und diskutiert werden, aber auch im Elternhaus und im täglichen Leben. Und mit Beispielen vorleben. Zum Beispiel die Mülltrennung, die in Rumänien sehr gut funktioniert.

Divna Zmejkovska und Slagjana Milivojevic (UNASM) stellen fest, dass der Grüne Deal, Nachhaltigkeit und alternative Energien bisher kein sehr großes Thema in der Bevölkerung und Regierung ist. Die Regierung hat im Jahre 2020 einen Vertrag mit der EU zum Thema Grüner Deal unterschrieben, aber ihre eigene Bevölkerung, Wirtschaft und die Gewerkschaften bis heute nicht über den Inhalt informiert. Erst hier auf dieser Konferenz hören wir von den anwesenden EU-Staaten die Tragweite des Grünen Deal, ein großes Ärgernis. Die Gewerkschaften sind bemüht, ein breites Bewusstsein und Wissen zum Klimawandel, den Folgen zu schaffen. Die Transformation ist für Nordmazedonien eine große Herausforderung. Aber birgt auch Chancen für neue Berufe, Arbeitsplätze und gute Arbeitsbedingungen. So sind in den letzten Monaten einige Bürgerinitiativen entstanden, die sich mit dem Grünen Deal befassen. Die Regierung hat endlich den „Ausschuss für die Zukunft“ gegründet. Diese Koalition finalisiert zurzeit die Online-Plattform „Die Grüne Stimme“. Die Bevölkerung hat jetzt die Möglichkeit, ihre Meinungen und Vorstellungen zum Grünen Deal zu äußern, in Dialog zu treten und Informationen auszutauschen. Natürlich können die Vorgaben zum Grünen Deal nur erreicht werden, wenn auch das Wirtschaftswachstum gewährleistet ist und er wird in Nordmazedonien nur dann implementiert, wenn alle Sozialpartner und die Öffentlichkeit sich an diesen Dialog beteiligt haben.

Sergiu Cocos (Moldawische Gewerkschaft PPA) erklärt die Situation in Moldau. Zirka 35 Millionen Gebäude müssen energieeffizient und ökologisch umgebaut werden. Moldau plant die Reduzierung der CO2-Belastung um 310 Millionen Tonnen bis 2030. Und bis zum Jahr 2035 könnten in Moldau zusätzliche Arbeitsplätze entstehen. Die EU unterstützt finanziell und mit Know-How. Die moldawische Bevölkerung begrüßt die Ziele des Grünen Deals. Natürlich gibt es auch eine fachliche und kritische Auseinandersetzung. So wird die mangelnde Transparenz der Kennzahlen beklagt und die zu geringe Kohäsion innerhalb dieser Ziele. Problematische Punkte sind auch die Kreislaufwirtschaft und die Landwirtschaft. Das Institut für Europäische Studien legt dar, dass es zu weiteren Ungleichgewichten zwischen den westlichen und östlichen EU-Staaten kommen wird, wenn der Grüne Deal nicht gerecht ausgestaltet wird. Die Grüne Agenda ist auch für Moldau eine große Herausforderung. Sie soll – so ist es die Auffassung der Bevölkerung und der Regierung – zur ökologischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und sozialen Erholung der östlichen Länder führen. Aber auch hier ist der zentrale Punkt die geringe finanzielle Ausstattung, die diese Transformation begleiten soll. Und es braucht fähige Menschen, die in den moldawischen Regionen das Thema kommunizieren und Vorschläge machen können. Das alles ist für ein kleines Land wie Moldau eine komplexe Materie.

Der Besuch des Energiemuseums „Muzej energetike“ in Cetinje/Montenegro regt Diskussionen über den Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Energieversorgung unter den Gewerkschaftsvertreter:innen an.

Erkenntnisse/Konsequenzen/Forderungen/Umsetzung/Beschlüsse/Empfehlungen

Für die Veranstalter und Teilnehmenden dieses Seminars ist die Erkenntnis gereift, dass

1. in den teilnehmenden Ländern Initiativen ziviler, wirtschaftlicher und staatlicher angelaufen sind, um die Transformation sozial und ökonomisch voranzutreiben.

2. die Gewerkschaften sich ihrer Rolle immer stärker bewusst und bemüht sind, die arbeitende Bevölkerung über den Grünen Deal aufzuklären und gleichzeitig für den Erhalt der Arbeitsplätze in einer ökologischen Gesellschaft einzustehen.

3. die soziale Lage der der Menschen durch den Grünen Deal nicht weiter verschlechtert werden darf.

4. die Preise für nachhaltige und umweltfreundliche Energien für alle Menschen bezahlbar sein müssen.

5. die Gewerkschaften nach wie vor klarmachen müssen, dass die Menschen im Mittelpunkt dieses Wandels stehen und dies auch im Rahmen der Sozialpartnerschaft durchsetzen.

6. die Sozialpartner auch zum Dialog bereit sein müssen.

7. sich vor allem die ost- und südosteuropäischen Nationen zur Gestaltung der Transformation zu gewerkschaftlichen und zivilen Verbänden zusammenschließen, um den Wandel gerechter zu machen.

8. Aufklärung, Kommunikation, Dialog mit der Bevölkerung und Bildung für die Kinder von entscheidender Bedeutung sind.

9. die Regierungen die Informationen transparenter machen und beschlossene Gesetze auch wirklich umsetzen müssen.

10. der Grüne Deal nicht zu einem sozialen Gefälle zwischen West- und Osteuropa führen darf. Vor allem in den südosteuropäischen EU-Ländern nimmt der soziale Abstieg der Menschen durch die geforderten Grüner Deal-Prozesse zu.

11. Rumänien und Bulgarien sich durch die Maßnahmen des europäischen Grünen Deals benachteiligt und im Stich gelassen fühlen. Sie fühlen sich in einer „ideologischen Falle“ der EU gefangen, die darauf aus ist, erst einmal alles Umweltschädliche zu zerstören (zum Beispiel in Regionen ausschließlich mit Kohleindustrie), ohne gleichzeitige Hilfe für den ökologischen Neuaufbau anzubieten. Die in diesen zerstörten Industrien arbeitenden Menschen verlieren ihren Arbeitsplatz und die soziale Absicherung.

12. Arbeitswelt, Grüner Deal, Ökonomie, soziale Gesellschaft kein Widerspruch sein dürfen. Es geht nur mit den Menschen.

13. auch klar geworden ist, dass zum Beispiel in der nordmazedonischen Öffentlichkeit und Politik das Thema bisher kaum ein Gewicht hat. Erst durch dieses Seminar haben die Gewerkschafter:innen die Tragweite des Grünen Deals anhand der Berichte und Dialoge der am Seminar Teilnehmenden erfasst.

14. der gegenseitige Erfahrungsaustausch auf diesem Seminar wichtig ist und Erfahrungen bestätigt oder widerlegt hat. Es geht nur gemeinsam im Sinne der Menschen.

15. es erste Erfolge hin zu einer klimafreundlichen Welt gibt. Zivile Initiativen bilden sich, Pläne werden ausgearbeitet, Windräder gebaut, Bildung vermittelt, Arbeitsschutz vorangetrieben, Wasser und Geothermie als mögliche Energieträger ausgewählt, Speditionen bauen Bahnterminals, um ihre Güter klimaneutral zu transportieren, Dialogplattformen laden die Bevölkerung ein, sich über den Klimawandel, den Grünen Deal zu informieren und Vorschläge einzubringen etc.

16. trotz der großen Herausforderung für diese Transformation die Zuversicht gewachsen ist, diesen Wandel bewältigen zu können. Insbesondere Montenegro und Moldau sehen der Entwicklung auch positiv entgegen.