EZA MAGAZINE
EZA PODCAST

Angemessene Mindestlöhne - der Weg in die Zukunft

Am 30. November und 1. Dezember 2023 fand ein Seminar zum Thema „Angemessene Mindestlöhne – Der Weg in die Zukunft“ statt, das von UHM (Union Ħaddiema Magħqudin) in Zusammenarbeit mit dem EZA organisiert und von der Europäischen Union finanziert wurde. Insgesamt 41 Vertreter:innen von Arbeitnehmer-organisationen aus 11 europäischen Ländern sowie 17 Referent:innen nahmen daran teil.

Wichtige Aspekte im Blickfeld 

Auf der Veranstaltung wurden Fragen im Zusammenhang mit der laufenden Debatte über den Anstieg der Lebenshaltungskosten und die Angemessenheit von Mindest-löhnen analysiert. Die Konferenz befasste sich auch mit den sozialen und wirtschaft-lichen Aspekten des Themas, die sich wiederum unmittelbar auf die Lebensqualität auswirken. Die folgenden Themen standen im Blickfeld:

  • Vergleich und Gegenüberstellung der aktuellen Situation in den verschiedenen Ländern in Bezug auf das Mindesteinkommen

  • Darstellung möglicher Szenarien für die Auswirkungen einer derartigen Richtlinie

  • Erfahrungsaustausch darüber, wie die Herausforderungen, mit denen Arbeit-nehmer:innen mit niedrigem Einkommen konfrontiert sind, bewältigt werden können, und wie man dem rasanten Anstieg der Lebenshaltungskosten begegnen kann

  • Vorlage konkreter Vorschläge zur Umsetzung dieser Richtlinie, zur Bekämpfung der Inflation und zur Stärkung von Tarifverhandlungen

  • Verschiedenen Modelle von Mindestlohnstrukturen und Tarifverhandlungen in der EU sowie eine vergleichende Analyse

  • Vorlage von Studien über den Anstieg der Lebenshaltungskosten für lebens-notwendige Güter seit dem Ausbruch des Ukrainekrieges und des Coronavirus

  • Untersuchung von Mitteln und Wegen, wie das Problem von Trittbrett-fahrer:innen angegangen werden kann

  • Erörterung zu den Auswirkungen höherer gesetzlicher Mindestlöhne und stärkerer Tarifverhandlungen auf die wirtschaftliche Erholung, das Beschäftigungsniveau und die Inflation

  • Debatte darüber, ob das Lohngefälle letztlich dazu führen würde, dass die Abwanderung von bestimmten Fachkräften in Bereichen, in denen ein akuter Mangel an qualifizierten Arbeitskräften besteht, umgekehrt werden kann

  • Untersuchung und Erörterung von Konzepten wie existenzsichernder Lohn, existenzsicherndes Einkommen und Mindestlohn sowie Erörterung darüber, welches das beste Modell für die langfristige Gewährleistung eines ange-messenen Lebensstandards ist, anstatt sich auf Einmaleffekte zu verlassen

Ergebnisse und Handlungsaufforderungen:

  • Der Mindestlohn ist der niedrigste Betrag, den ein Arbeitgeber bzw. eine Arbeitgeberin seinen bzw. ihren Arbeitnehmer:innen gesetzlich zahlen darf. Er dient zwar als Richtwert, entspricht aber nicht immer den tatsächlichen Lebens-haltungskosten, was zu finanziellen Schwierigkeiten für diejenigen führt, die ihn beziehen.

  • Ein existenzsicherndes Einkommen umfasst den finanziellen Bedarf für ein menschenwürdiges Leben, das über die Grundbedürfnisse hinausgeht und neben dem Lohn auch Einkünfte aus verschiedenen Quellen wie Sozial-leistungen, Renten und andere Formen der Unterstützung umfasst.

  • Mindestlohnempfänger:innen sollten durch Anreize unterstützt werden, sich weiterzubilden, um ihr Gehalt aufbessern zu können.

  • Obwohl es immer noch große Unterschiede zwischen den Bruttomindestlöhnen und den Nettoeinkommen in Europa gibt, hat sich der Abstand in den letzten zehn Jahren verringert.

  • Die EU-Mindestlohnrichtlinie zielt darauf ab, die Armut trotz Erwerbstätigkeit in 8 Mitgliedsstaaten um 20 % zu verringern, die Lohnungleichheit um mindestens 10 % zu reduzieren und das geschlechtsspezifische Lohngefälle in einigen Mitgliedsstaaten um 10-20 % zu verringern.

  • In einigen Ländern hat die Einführung der EU-Mindestlohnrichtlinie bereits zu verstärkten Bemühungen um die Festlegung einer Mindestlohnschwelle geführt.

  • Die zusätzlichen Lohnausgaben, die sich aus dem Mindestlohnmechanismus ergeben, müssen aus den folgenden Quellen finanziert werden:

  • kurzfristig: Gewinne, langsamerer Lohnanstieg auf höherem Niveau, Effizienz-steigerung der Unternehmen, höhere Verbraucherpreise;

  • langfristig: Verbesserungen der wirtschaftlichen und sozialen Rahmen-bedingungen, die die kurzfristigen Transfers ausgleichen würden. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass der Mindestlohnmechanismus nicht zu einem allgemeinen Nettoverlust an Arbeitsplätzen und Unternehmenstätigkeit führt, was möglicherweise Folgendes erfordert:

  • Ausgleichsmaßnahmen zur Beseitigung übermäßiger Belastungen für Unter-nehmen, die in ihrer Tätigkeit stark von einem Niedriglohnsektor abhängig sind

  • Abschwächung der automatischen Relativierung von niedrigen zu höheren Lohnniveaus, wenn diese nicht durch verbesserte Geschäftsbedingungen gerechtfertigt sind

  • Ein Wandel von einer auf billigen Arbeitskräften basierenden Wirtschaft zu einer Wirtschaft, die sich an der Wertschöpfung orientiert, ist wünschenswert, da niedrig bezahlte Arbeitnehmer:innen in der Regel einen geringen gewerk-schaftlichen Organisationsgrad und damit ein höheres Maß an Missbrauch bedeuten. Der Wandel muss jedoch ein schrittweiser Prozess sein, der Jahre dauert und die Mobilisierung von privatem Kapital sowie höhere öffentliche Investitionen erfordert.

  • Tarifverhandlungen sind der richtige Weg, um die Arbeitsbedingungen, einschließlich der Löhne, zu verbessern, im Gegensatz zu sporadischen Mindestlohnerhöhungen, die die Gefahr bergen, die Tarifverhandlungen zu untergraben.

  • Das Problem der Trittbrettfahrer:innen muss angegangen werden, da dies andernfalls die Existenz von Gewerkschaften und Tarifverhandlungen ernsthaft bedrohen würde. Der Vorschlag für eine Pflichtmitgliedschaft für Arbeit-nehmer:innen mit niedrigem Einkommen sollte ernsthaft in Betracht gezogen werden.

  • Ein Ausgleich für den Anstieg der Lebenshaltungskosten sollte nicht besteuert werden, da dies sonst zu einer Doppelbesteuerung führen würde.

  • Seit Beginn der Coronakrise sind die Preise für Lebensmittel und Medikamente in die Höhe geschnellt und haben den Anstieg der Löhne dagegen winzig aussehen lassen, was wiederrum zu einem Anstieg von Armut trotz Erwerbstätigkeit geführt und die Kaufkraft der Bezieher:innen mit mittlerem Einkommen untergraben hat.

  • Investitionen in Bildungs- und Qualifizierungsprogramme ermöglichen den Menschen den Zugang zu besser bezahlten Arbeitsplätzen und tragen so zu einer langfristigen finanziellen Stabilität bei.

Schlussfolgerung

Die zweitägige Veranstaltung bot eine gute Gelegenheit, die wohl größte Heraus-forderung zu erörtern, mit der Arbeitnehmer:innen aktuell und in absehbarer Zukunft konfrontiert sind, nämlich den Anstieg der Lebenshaltungskosten. Die allgemeine Botschaft lautete, dass der beste Weg zum Schutz der Arbeitnehmerrechte, aber auch zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen, insbesondere für Gering-verdiener:innen, über Tarifverhandlungen führt. Jede schnelle Lösung, die eine sporadische Erhöhung der Mindestlöhne vorsieht, birgt die Gefahr, dass Tarif-verhandlungen untergraben werden, das relative Verhältnis der Löhne verzerrt und die Fort- und Weiterbildung für den beruflichen Aufstieg behindert wird. Deshalb sind die Gewerkschaften notwendig, um die Herausforderungen der Inflation bewältigen zu können.