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KGZE – Wie können wir nach Überwindung der weltweiten Corona-Pandemie in einer „neuen Balance“ eine zukunftsfähige Gesellschaft bauen? Kann verstärkter Dialog zwischen Gewerkschaften und Akteur:innen der Zivilgesellschaft helfen?

Vom 30. Juni bis 2. Juli 2022 fand in Ljubljana / Slowenien die 33. KGZE 2022 statt, mit dem Thema „Wie können wir nach Überwindung der weltweiten Corona-Pandemie in einer „neuen Balance“ eine zukunftsfähige Gesellschaft bauen? Kann verstärkter Dialog zwischen Gewerkschaften und Akteur:innen der Zivilgesellschaft helfen?“. Sie wurde organisiert von ÖZA (Österreichisches Zentrum für Arbeitnehmerbildung), mit Unterstützung von EZA und finanziert von der Europäischen Union.

55 Vertreter von Arbeitnehmerorganisationen aus Bulgarien, Deutschland, Italien, Kosovo (als Gäste), Litauen, Luxemburg, Nord-Mazedonien, Montenegro, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Serbien, Slowakei und Slowenien nahmen an der Veranstaltung teil.

Donnerstag, 30. Juni 2022

Eröffnung der KGZE 2022 und Begrüßung durch die Veranstalter: Für den Veranstalter ÖZA weist Präsident Norbert SCHNEDL in seinem Grußwort auf den optimistischen Titel dieser KGZE hin, der uns in die Lage versetzen soll, die derzeitigen Krisen (Corona, Krieg, Klima) zu überwinden. Das Bewusstsein der EU als Friedensunion ist deutlich gestiegen. Zugleich sind die Medien mit ihrer Berichterstattung als 4. Macht im Staat wesentliche Mitgestalter der Gesellschaft. Ein großes Dankeschön für die gemeinsame Organisation und die hervorragende Zusammenarbeit mit ZD-NSi, unserem Partner in Slowenien. Der ehemalige Minister für Arbeit und Soziales in Slowenien, Janez CIGLER-KRALJ, begrüßt alle Teilnehmer/innen der KGZE in Ljubljana herzlich. Er beschreibt die Bekämpfung der steigenden Armut als größte derzeitige Herausforderung. Die Kennzahlen sind dramatisch. Dazu muss der soziale Dialog, der zuletzt stark gebremst wurde, wieder verstärkt werden. Dazu braucht es faire Beziehungen zwischen Arbeitgebern, Arbeitnehmern und dem Staat (Tripartite).

Freitag, 01. Juli 2022

Wie können wir als AN-Organisationen in der dreifachen Krise: Pandemie, Klimakrise und Krieg in der Ukraine eine neue Balance für eine zukunftsfähige Gesellschaft finden?

Dr. Karin PETTER-TRAUSZNITZ moderiert den ersten Seminarblock am Freitag.

In seinem Referat beschreibt Andreas GJECAJ, ÖZA die aktuelle Ausgangslage als sich gegenseitig verstärkende „multiple Krisen“. Diese sich verstärkenden Krisen (Corona, Krieg, Klima) haben tiefe Risse in unserer Gesellschaft verursacht. Dazu gibt es keine einfachen Lösungen, es gibt „keine Tricks“. Als Gewerkschaften können wir unsere Verhandlungserfahrung in den gesellschaftlichen Diskurs einbringen und Verhandlungskompetenz für den sozialen Dialog stärken. Als Repräsentant von ZD-NSi Slowenien beschreibt Klemen STIBELJ die dramatischen Veränderungen durch die aktuellen Krisen. Er sieht eine Aufwertung des Handwerks und damit verbunden eine Förderung der Lehre als höchst notwendig um auch in einer veränderten Arbeitswelt zu bestehen.

„Welche Orientierung können uns christlich-soziale Werte beim Aufbau einer zukunftsfähigen Gesellschaft bieten?“

Als Expertin für Sozialethik liefert Dr. Karin PETTER-TRAUSZNITZ einen inhaltlichen Einstieg und moderiert den zweiten Seminarblock. In seinem Referat beschreibt Alfred ZANKANELLA, ÖZA die letzten Jahrzehnte – vor allem in Westeuropa – mit einem Irrtum: „Wir haben Wohlstand mit Demokratie verwechselt!“ Er weist auch darauf hin, dass Europa größer ist als die EU. Derzeit gibt es in Teilen der Bevölkerung eine Neigung zu autoritärem Populismus nationalistischer Prägung. Dazu braucht es eine klare Haltung zur Einhaltung von Vereinbarungen (Völkerrecht), damit nicht ein mittelalterliches Faustrecht um sich greift. „Der Bauch ist ein Zeichen des Wohlstands, aber der Rücken hält uns aufrecht!“ Da Matej CEPIN kurzfristig ausgefallen ist, führen die drei Referenten eine Podiumsdiskussion mit den Teilnehmer/innen: Andreas GJECAJ, Klemen STIBELJ, Alfred ZANKANELLA. Als Forderung fällt der Satz: Wir müssen Politik zur Sozialpolitik machen!

„Wie kann der Dialog zwischen Gewerkschaften und Akteuren der Zivilgesellschaft verstärkt werden. Gelungene Beispiel der Vernetzung von Jugendorganisationen.“

Diese Seminareinheit wird von Alex JANSA, Österreich, Generalsekretär der FCG-Jugend moderiert. Von der EZA-Jugendplattform und als Jugendvertreter von UNIAE präsentiert Thomas CAPONE, Italien seine Power-Point. Darin wird sehr lebendig dargestellt, wie es in der Internet-Welt gelingt, immer wieder über Informationen und Dienstleistungen auf junge Arbeitnehmer/innen zuzugehen, aber auch ganz grundsätzliche Anregungen zu geben: „How to learn to work!“ Die Präsidentin der FCG-Jugend, Desislava Fatahi, Österreich spricht die – besonders für die Jugend – völlig für unvorstellbar gehaltene Kriegssituation in der Ukraine an. Weil im Krieg immer auch mit Lüge und Propaganda gearbeitet wird, legt die FCG-Jugend großes Engagement in die Bekämpfung von „Fake-News“ über eigene „social-media-Kanäle“. Hier gibt es gute Steigerungen in der Reichweite.

„Nach Bewältigung der Corona-Pandemie und der Auswirkungen des Ukraine-Kriegs muss sich die EU mit voller Kraft dem „green deal“ widmen. Wo stehn wir auf dem steinigen Weg zur Klimaneutralität?“

Diese Seminareinheit wird von Dr. Marija ROGLAR, Slowenien, moderiert. Der Präsident von LCGB, Patrick DURY, Luxemburg, weist in seinem Referat darauf hin, dass bei allen Schwierigkeiten der Covid-Pandemie auch manches innerhalb kurzer Zeit umgesetzt werden konnte, z.B. gesetzliche Regelungen für das „Home-Office“ innerhalb weniger Wochen. Bei der Strategie zur „grünen Transformation“ müssen die Bürger/innen mitgenommen werden, z.B. Fristen für Verbrennungs-Motoren. Die Nationalratsabgeordnete Romana DECKENBACHER, Österreich, berichtet von zahlreichen Initiativen der österreichischen Bundesregierung um die Folgen der Krise abzufedern, z.B. Klima-Ticket für den öffentlichen Verkehr, welches in ganz Österreich für alle öffentlichen Verkehrsmittel (Bus, Bahn, …) gültig ist. Auch zahlreiche Unterstützungen für Berufs-Pendler/innen, die zur Erreichung des Arbeitsplatzes auf ein Fahrzeug angewiesen sind.  

Samstag, 02. Juli 2022

Länderberichte aus den teilnehmenden Ländern:

Zum aktuellen Status der multiplen Krisenbewältigung und deren Auswirkung auf unsere Organisationen

Moderation: Andreas GJECAJ, ÖZA

In einem Einführungsstatement zeigt Mara ERDELJ, Serbien ihr Power-Point über die BOFOSJADA und weitere Aktivitäten u.a. zur Verwendung alternativer Baustoffe, die ökologisch, natürlich und gesund sind. Mit einer weiteren Power-Point schildert Jelena SOMS, Litauen, die Rolle der Gewerkschaften und die  Zusammenarbeit mit NGOs; z.B. mit dem Roten Kreuz. In den Länderberichten erfolgt ein Austausch über ihre jeweilige Situation.

Der ÖZA-Präsident, Dr. Norbert SCHNEDL, Österreich, zieht sechs Schlussfolgerungen aus der KGZE: Wir leben im Zeitalter der multiplen Krisen; Der „soziale Dialog“ macht uns zukunftsfähig; Unsere christlich-sozialen Werte sind gültig; Wir wollen den Dialog mit der Zivilgesellschaft fördern; Mit unserer Jugend neue Wege gehen; Gemeinsam im EZA-Netzwerk aktiv sein.

Schlussfolgerungen

ERSTENS: Wir leben im Zeitalter der multiplen Krisen

Europa ist aktuell mit den höchsten Preissteigerungen seit über 40 Jahren konfrontiert. Preistreiber sind vor allem Treibstoff und Haushaltsenergie, was sich aber in der Folge in fast allen Wirtschaftsbereichen auswirkt: Preise für Lebensmittel, Mieten, Strom und Heizung, Diesel und Benzin sowie Güter des täglichen Bedarfs sind in im Jahr 2022 extrem stark gestiegen und stellen die Bevölkerung insgesamt vor große finanzielle Herausforderungen und bringen einkommensschwächere Schichten in echte Notsituationen.

Zusammen mit der noch nicht endgültig überwundenen Corona-Pandemie, dem leider in der Ukraine tobenden Angriffskrieg Russlands mit Millionen vertriebener Menschen und der notwendigen Transformation unseres „way of life“ – unserer Art zu leben und zu wirtschaften – Stichworte: Klimakrise, Globalisierung, Digitalisierung und Altersstruktur sind all diese Krisen nicht voneinander getrennt zu sehen, sondern stehen in sich verstärkender Wechselwirkung – es sind: multiple Krisen!

ZWEITENS: Der „soziale Dialog“ macht uns zukunftsfähig

Am Beginn des 21. Jahrhunderts scheint immer mehr Menschen auf der ganzen Welt und in Europa zu dämmern: Die Welt ist nicht mehr, wie sie in unserer Kindheit war. Und mehr noch: sie wird nie mehr so sein! Es scheint fast, als wären die immer stärker um sich greifenden Krisen nicht mehr die Ausnahmen zur „normalen Welt“, sondern die neue Normalität. Immer zahlreicher werden die Versuche, unsere Gegenwart und vor allem unsere Zukunft zu beschreiben: Vom digitalen Zeitalter ist die Rede, von der Globalisierung, die unsere Welt zu Dorf mache und von künstlicher Intelligenz oder virtuellen Realitäten … übrig bleibt die Erkenntnis, dass mit jeder Beschreibung nur eine neue Unübersichtlichkeit entsteht.

Und doch geht unser Leben weiter. Auch am Beginn des 3. Jahrtausends sind Gewerkschaften und Arbeitnehmerorganisationen dabei, die Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten, um die Rechte von Arbeitnehmer/innen zu kämpfen und mit Verhandlungen im sozialen Dialog einen Ausgleich zu schaffen, der durch Kollektivverträge und Gesetze abgesichert wird. 

DRITTENS: Unsere christlich-sozialen Werte sind gültig

Allen Mitgliedsorganisationen von EZA ist gemeinsam, dass sie sich selbst als – von politischen Parteien – unabhängig und werteorientiert bezeichnen. Das gemeinsame „Wertefundament“ auf dem die Gewerkschaften und Arbeitnehmerorganisationen als Mitglieder von EZA stehen, ist die Orientierung an der „Christlichen Soziallehre“ – wobei dies in einzelnen Ländern sehr unterschiedlich deutlich ausgeprägt ist. Dies wird durch zwei in der Öffentlichkeit und in den Medien weitverbreite Ansichten in Frage gestellt:

  • Erstens ginge es im internationalen Wettbewerb – der mittlerweile durch die Globalisierung der Wirtschaft uns alle betrifft – vor allem um Konkurrenz und Wettbewerbsfähigkeit. Wer sich dabei auf Werte berufe, habe schon verloren, scheint dabei das Credo des 21. Jahrhunderts zu lauten.
  • Zweitens sollen Gewerkschaften ausschließlich die Interessen ihrer Mitglieder vertreten und Weltanschauungen oder Religionen, wie das Christentum, werden zur „Privatsache“ erklärt, die in der modernen Arbeitswelt nichts verloren hätten.

Wir stellen uns entschieden gegen so eine Weltsicht und meinen:  „Gewerkschaften werden durch ihre Werte motiviert und inspiriert. Diese bilden das Grundgerüst ihrer Strukturen. Ganz bestimmte Werte zu haben ist motivierend und bestärkt die Aktivitäten. In den letzten Dekaden wurde immer klarer, dass es für Gewerkschaften sehr herausfordernd ist, ihre Aktivitäten und Strategien an diese Werte anzupassen.“ (EZA-Seminar, Valencia, 2022)

VIERTENS: Wir wollen den Dialog mit der Zivilgesellschaft fördern

Wenn wir wieder „zukunftsfähig“ werden wollen, müssen wir Fahrt aufnehmen in Richtung einer weltweiten „ökosozialen Marktwirtschaft“, die eine neue Balance zwischen einem fairen Wettbewerb, einem gerechten Ordnungsrahmens im Sozialstaat und dem lebensnotwendigen Schutz der Umwelt sucht und findet. Nur so werden wir von einer „Zivilisation des Raubbaus“ zu einer „Zivilisation der Nachhaltigkeit“ gelangen! Nur so kann der „Green Deal“ in der EU gelingen!

Diese Balance wird, lediglich um den Knoten “Erwerbsarbeit“ geknüpft, immer schwieriger. Vielmehr sind am Beginn des 21. Jahrhunderts zivilgesellschaftliche Kooperationsstrukturen und Solidaritätsbeziehungen entstanden, die darauf hinweisen, dass eine Neuorganisation der gesellschaftlichen Arbeitsteilung in vollem Gange ist. Daher wollen wir kritisches Denken nicht nur in unseren Arbeitnehmerorganisationen fördern, sondern auch den Dialog mit Akteuren der Zivilgesellschaft stärken.

FÜNFTENS: Mit unserer Jugend neue Wege gehen!

Um nach der weltweiten Corona-Pandemie eine „neue Balance“ zu finden, müssen tiefe Risse in der Gesellschaft überwunden werden. Die weitverbreitete Unversöhnlichkeit der Standpunkte, der zunehmende Verlust von Fakten, die von Verhandlungspartnern „außer Streit“ gestellt werden können, weil sie von beiden Seiten akzeptiert sind, führt zu gegenseitiger Blockade und gesellschaftlicher Lähmung. Hier ist der Dialog ein unverzichtbares Instrument. Nicht nur die klassischen Interessensvertretungen, sondern alle Bürgerinnen und Bürger werden in Zukunft für den Fortbestand und die Weiterentwicklung der Demokratie ihre Stimme erheben müssen. Mit der Einbindung von Akteuren der Zivilgesellschaft in den sozialen Dialog kann dieses wichtige und unverzichtbare Werkzeug einer zukunftsfähigen Gesellschaft weiterentwickelt werden.

Eindrucksvoll wurde diese Vernetzung im Beitrag der EZA-Jugendplattform dargestellt. Es wird in Zukunft notwendig sein, alle technischen Möglichkeiten und das „world-wide-web“ einzusetzen um erfolgreich zu sein. Die Lebendigkeit unserer Jugend ermutigt uns, trotz aller Krisen, mit Zuversicht und Optimismus in die Zukunft zu schauen!

SECHSTENS: Gemeinsam im EZA-Netzwerk aktiv sein!

Die Länderberichte haben einmal mehr aufgezeigt, wie sehr – trotz der unterschiedlichen Ausgangslagen – die Krisen und die möglichen Lösungen uns alle betreffen. Das Corona-Virus macht keine Unterschiede und trifft alle gleich, die Klimakrise endet nicht an Landesgrenzen, sondern wirkt weltweit und der russische Angriffskrieg in der Ukraine macht uns alle betroffen.

Gerade im Jahr 2022 erweist sich das EZA-Netzwerk als hilfreich, um uns im persönlichen Austausch zu bestärken. Der Hinweis, dass nicht „der Mensch den Planeten Erde bewohnt, sondern Menschen (Mehrzahl!)“ soll uns bestärken, auf das Gemeinsame zu schauen und nicht Wohlstand mit Demokratie zu verwechseln. An der Stärkung unserer demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung wollen wir mit dieser KGZE 2022 in Ljubljana weiterbauen.