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Wachstumsstrategie für Europa: der Europäische Grüne Deal. Sanierungswelle im Bausektor, unmöglich ohne sozialen Dialog und Beteiligung

Mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union und EZA organisierte BIE International ein hybrides europäisches Seminar zum sozialen Dialog im Bausektor, das mit dem spezifischen Thema des Green Deal verbunden war. Titel des Seminars, das vom 18. bis 20. Oktober 2021 in Brüssel und online stattfand, war „Wachstumsstrategie für Europa: der Europäische Grüne Deal. Sanierungswelle im Bausektor, unmöglich ohne sozialen Dialog und Beteiligung“. An dem Seminar nahmen 38 wichtige Branchenakteure aus Gewerkschaften in 10 Ländern (Belgien, Spanien, Italien, Irland, Polen, Deutschland, Österreich, Niederlande, Frankreich, Dänemark und Finnland) teil.

Der European Green Deal zielt mit seiner vorgeschlagenen Renovierungswellen-Initiative darauf ab, die Transformation der Gebäude von heute in die Gebäude der Zukunft anzustoßen. Während die Vorteile eines klimaneutralen Gebäudebestands klar und allgemein bekannt sind, erfordert das Erreichen dieses Ziels sofortiges Handeln und ein beispielloses Maß an gemeinsamen Anstrengungen aller Segmente des breiteren Sektors, mit besonderem Schwerpunkt auf Erschwinglichkeit und Inklusion.

BIE International arbeitete sehr eng mit dem Europäischen Verband der Bau- und Holzarbeiter (EFBH) und seinen Mitgliedern zusammen, um die Qualität des Seminars sicherzustellen. Auch die FIEC, der Verband der europäischen Bauindustrie, war zu dem Seminar eingeladen.

In seiner Eröffnungsrede betonte Patrick Vandenberghe, Sprecher des Bausektors der belgischen Gewerkschaft und Präsident von ACV-CSC BIE (Building, Industry & Energy), die Bedeutung eines dynamischen sozialen Dialogs. Europäische, nationale, regionale und lokale Gewerkschaften müssen zur Gestaltung und Umsetzung der Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik der Aspekte des europäischen Grünen Deals konsultiert werden, da die europäischen Umweltambitionen die Arbeitnehmer stark beeinträchtigen werden. Eine umfassende Einbeziehung der Gewerkschaften in einen strukturierten sektoralen sozialen Dialog auf den verschiedenen Ebenen sollte gewährleistet werden. 

Jozef Mozolewski, Vizepräsident von EZA, begrüßte uns alle herzlich und informierte uns über seine Anwesenheit beim Seminar als aktiver Beobachter mit dem Anliegen, die Qualität von EZA-Projekten zu sichern und weiterzuentwickeln.

Magdalena Sikorowska, politische Referentin der EFBH, erläuterte den Mitgliedern des Europäischen Betriebsrats (EBR) und den Gewerkschaftsfunktionären die technischen Aspekte des europäischen Green-Deal-Instruments sowie die verschiedenen Legislativvorschläge auf EU-Ebene und hob diese hervor und betonte, insbesondere die wichtigsten Chancen und Herausforderungen für den Bausektor zu berücksichtigen. Magdalena betonte, dass der Green Deal und insbesondere die Renovierungswelle große Chancen, aber auch Herausforderungen für die Baubranche mit sich bringen werden. Der Übergang wird grüne Arbeitsplätze schaffen, für die aufgrund der Entstehung neuer Arbeitsbereiche neue Fähigkeiten benötigt werden. Der Sektor hat die Möglichkeit, den Übergang selbst mitzugestalten und gleichzeitig neue Talente anzuziehen, indem er den Sektor attraktiver macht und die Fähigkeiten seiner Arbeitnehmer verbessert. Sie betonte, wie wichtig es sei, die Gewerkschaften bei der Gestaltung und Umsetzung der Wirtschafts-, Sozial- und Beschäftigungspolitik zu konsultieren.

In der interaktiven Diskussion im Anschluss an Magdalenas Präsentation wurde betont, dass die Mitgliedstaaten für die Umsetzung des EU-Rechts verantwortlich sind und dass sie auch nationale Bestimmungen erlassen können, die ehrgeiziger sind als das, was auf europäischer Ebene vereinbart wurde. Sie können günstige nationale Rahmenbedingungen für die Gebäudesanierung in vielen verschiedenen Bereichen schaffen, von der Finanzierung über die Verbesserung der Qualifikation der Arbeitskräfte bis hin zu Regelungen für den sozialen Wohnungsbau.

Mehrere Referenten aus verschiedenen Ländern wie Belgien, Dänemark und Frankreich stellten interessante europäische Infrastrukturprojekte und die daraus resultierenden Best Practices vor, die durch einen effektiven sozialen Dialog zu diesen jeweiligen Infrastrukturprojekten erzielt wurden. Das Oosterweel-Projekt, der Fermern-Tunnel und die Baustellen der Olympischen Spiele 2024 wurden von Ronny Matthysen von ACV-CSC BIE (Belgien), Gunde Odgaard von BAT Kartellet (Dänemark) bzw. Samir Baïri, FNCB-CFDT (Frankreich) vorgestellt.

Adrian Joyce, Generalsekretär von EuroAce, stellte eine sehr interessante Studie vor, die von Renovate Europe über die Rolle der Renovierung in nationalen Wiederaufbau- und Resilienzplänen durchgeführt wurde. Adrian betonte, dass die Renovierung an der Schnittstelle der ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Prioritäten der EU stehe und dass dies eine einzigartige Gelegenheit sei, die Umsetzung der Strategie der Renovierungswelle in Gang zu bringen.

Adrian zeigte uns, dass die Renovierung ein wichtiges Merkmal der nationalen Pläne ist, mit einem erheblichen Betrag an bereitgestellten Mitteln: ~40 Milliarden Euro in 18 Mitgliedsstaaten. Während die meisten Länder 11-14 % der Mittel bereitstellen, gibt es erhebliche Unterschiede: von 86 Millionen Euro in Slowenien und 101 Millionen Euro in Österreich bis zu 7,8 Milliarden Euro in Spanien und 8,6 Milliarden Euro in Italien. Auch pro Kopf gibt es Unterschiede. Der Wohnungssektor führt mit rund 22 Milliarden Euro (56 %) der Finanzierungen; die öffentliche Hand folgt mit knapp 14 Milliarden Euro (34 %). In den meisten Fällen handelt es sich um eine mitteltiefe Sanierung mit einer Primärenergieeinsparung von mindestens 30 %.

Adrians Präsentation gab uns auch die Gelegenheit, die Stärken und Schwächen länderspezifischer Pläne zu diskutieren.

Am zweiten Tag des Seminars gaben uns verschiedene Redner aus Frankreich, Belgien und Polen konkrete Beispiele dafür, was in ihren jeweiligen Ländern vor Ort getan wurde, um den sozialen Dialog zu stärken und mit Politikern zusammenzuarbeiten. Die Referenten hoben die Stärke von Tarifverträgen und sozialem Dialog hervor und sprachen auch über die Herausforderungen der Baubranche in Bezug auf Entsendung und Sozialdumping sowie den Aspekt der Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz. Es wurde auch erwähnt, dass öffentliche Arbeiten eine wichtige Hebelwirkung haben.

Bauunternehmen unterscheiden sich stark sowohl in ihrer Größe als auch in der Art der Projekte, auf die sie sich spezialisieren. Große Unternehmen konzentrieren sich häufig auf gewerbliche Gebäude und Großprojekte, kleine Unternehmen auf individuelle Wohnungssanierungen.

Tom Deleu, Generalsekretär der EFBH, und Domenico Campogrande, Generaldirektor der FIEC, diskutierten in einer Podiumsdiskussion. Ihre Diskussion war geprägt von einer ähnlichen Position zu Chancen und Herausforderungen sowie einem Bekenntnis zur Förderung des sozialen Dialogs im Bausektor.

In seinen Schlussbemerkungen kam Pierre Cuppens, Generalsekretär des ACV-CSC BIE, zu dem Schluss, dass die europäischen Baugewerkschaften, die im europäischen Green Deal festgelegten Ziele uneingeschränkt unterstützen und die europäischen Ambitionen begrüßen, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Er betonte jedoch, dass der Aufbau eines „grüneren“ Europas viele Chancen schafft, aber auch viele Herausforderungen für die Bau-, Holz-, Möbel-, Forstwirtschafts- und Baustoffindustrie. Kein Arbeitnehmer darf zurückgelassen werden, und es muss sichergestellt werden, dass alle Arbeitnehmer und Bürger das Recht auf angemessene Löhne, angemessene Arbeitsbedingungen und angemessenen Sozialschutz haben. Fazit: Kein Green Deal ohne sozialen Dialog und Partizipation.