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Evaluierungsseminar des EZA-Sonderprojekts für Arbeitnehmerorganisationen im westlichen Balkan

Das Evaluierungsseminar des EZA-Sonderprojekts für Arbeitnehmerorganisationen im westlichen Balkan fand 16. März 2022 online via ZOOM statt, gehostet in Wien / Österreich, organisiert von ÖZA (Österreichisches Zentrum für Arbeitnehmerbildung), in Zusammenarbeit mit EZA, mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union. 33 Vertreter von Arbeitnehmerorganisationen aus Albanien, Belgien, Bulgarien, Deutschland, Kosovo, Kroatien, Montenegro, Nord-Mazedonien, Niederlande, Österreich, Rumänien, Serbien und Ungarn nahmen am Seminar teil.

Eröffnung des Seminars und Begrüßung: In seinem Grußwort weist ÖZA-Präsident Norbert SCHNEDL auf die ganz besondere Zeit hin: Russland hat einen Angriffskrieg in der Ukraine begonnen. Damit rückt die Bedeutung der EU als „Friedens-Union“, die schon fast vergessen schien, wieder ins Zentrum. Wir alle setzen uns für den Frieden ein und verurteilen den Krieg aufs Schärfste. EZA ist auch eine Plattform, um solidarische Hilfe zu koordinieren. Das Sonderprojekt Westbalkan, welches den sozialen Dialog stärken will, ist wichtiger denn je. Dank an das Organisationsteam für die Vorbereitung des Seminars in außergewöhnlichen Zeiten. Die EZA Generalsekretärin Sigrid SCHRAML bedankt sich ausdrücklich beim Team, dass dieses ONLINE-Format trotz des Kriegs möglich wurde. Wir alle lernen gerade die bittere Lektion, dass Krieg nicht der Vergangenheit angehört und müssen fragen: Was kann Frieden garantieren? Ziel des Sonderprojekts ist, dass alle Länder des Westbalkan rasch Mitglieder der EU werden können. Dafür müssen wir gemeinsam Hürden überwinden. Andreas GJECAJ gibt eine Übersicht zum Ablauf des ONLINE-Seminars.

ERSTER SEMINARTEIL: Erfahrungsberichte aus dem Westbalkan

In seiner Einführung erläutert Moderator Norbert KLEIN, EZA, dass dieses Seminar völlig anders geplant war, aber der Krieg hat alles verändert. Wir wollen uns miteinander vernetzen und in Austausch kommen. Wie wird die jeweilige EU-Integration bewertet? Welche Fortschritte und Hindernisse sehen wir? Wie wirkt sich das auf unsere Gewerkschaften aus?

Mara ERDELJ, Bofos und WOW, berichtet mit eine Power-Point und zahlreichen Bildern über die 10-jährige Geschichte und Fortschritte der Westbalkan-Seminare. Unsere gemeinsamen „christlichen Werte“ sind die Basis für Freundschaft, gegenseitiges Vertrauen und Respekt. Björn van HEUSDEN, WOW, berichtet vom Start im September 2012 in Trieste. Seither wurde viel gemeinsam erreicht, aber es ist noch viel zu tun. EZA hat mit Netzwerken bei Schwierigkeiten geholfen. Wir haben voneinander gelernt. Im Westbalkan gibt es ein riesiges Potential. Sasha TORLAKOVIC von der serbischen Bauarbeitergewerkschaft, berichtet von der guten Zusammenarbeit über EZA mit belgischen Gewerkschaften. In Serbien ist der soziale Dialog wegen bevorstehender Wahlen ins Stocken geraten. Er hofft, dass die Westbalkanländer in naher Zukunft EU-Mitglieder werden können.

ZWEITER SEMINARTEIL: EU-Integration aus Sicht der EU-Institutionen

Nach einer Einführung durch Andreas GJECAJ gibt der EU-Parlamentarier Lukas MANDL, aus Österreich mit einem Referat und anschließender Diskussion Einblick aus dem EU-Parlament: Im Krieg, den die russische Führung – also der Kreml, nicht das russische Volk – gegen die Ukraine führt, wurde sämtliche internationalen Vereinbarung zu Erhaltung des Friedens gebrochen. Es gab eine Sonder-Plenarsitzung des EU-Parlaments und es wurden scharfe Sanktionen gegen Russland beschlossen. Diese werden von allen EU-Ländern und auch von der Schweiz und United Kingdom mitgetragen – nur Serbien tut nicht mit. Hier muss Klartext gesprochen werden, weil wir – sowohl EZA wie auch Österreich – einen raschen EU-Beitritt aller 6 Staaten des Westbalkan fordern. In diesem Kontext ist ein solidarisches Zusammenwirken aller Länder Europas und eine Anerkennung aller Staaten – auch der Republik Kosovo – unverzichtbar. In der folgenden Diskussion melden sich vor allem serbische Teilnehmer/innen der Konferenz zu Wort: Serbien ist besonders betroffen, weil ihre Hauptstadt Beograd im den 1990er Jahren von der NATO bombadiert worden ist. Trotz der sehr emotionalen Diskussion über die Kriegsopfer in Ex-Jugoslawien, bleiben wir im Gespräch. Es sollen keine Hass-Ausdrücke im Dialog verwendet werden. Lukas Mandl erinnert zum Abschluss daran, dass auch die Erzfeinde Frankreich und Deutschland nach Jahrhunderten von gegenseitiger Kriegsführung in der EU zu Frieden und Freundschaft gefunden haben.

DRITTER SEMINARTEIL: EU-Integration aus Sicht der Westbalkanstaaten (Botschaften)

Andreas GJECAJ gibt bekannt, dass die Botschaften in Wien wegen des Ukraine-Kriegs eine Teilnahme am Seminar abgesagt haben. Er gibt eine inhaltliche Einführung, wie Krieg und Covid-Pandemie und alle betreffen. Er erinnert in seinem Beitrag an ein Fresko an der Außenwand eines Domes in Österreich. Dort sind bereits vor 500 Jahren drei „Landplagen“ dargestellt: Die Pest als Seuche, die Heuschrecken und die Türkenkriege. Heute gelten die Covid-Pandemie, die Klimakrise und der Krieg noch immer als große Plagen. Wie hat die Corona Pandemie unsere Arbeit verändert? Können wir etwas zur Transformation in eine „grüne Wirtschaft“ beitragen? Was können wir zum Erhalt des Friedens beitragen? Papst Franziskus sagt um Krieg in der Ukraine: „Krieg ist ein Versagen der Politik, eine beschämende Kapitulation!“ In der Diskussion werden Beispiel aus den Westbalkan-Ländern genannt.

VIERTER SEMINARTEIL: EU-Integration und Schlussfolgerungen

Christian SAGARTZ, EU-Parlamentarier aus Österreich hält ein Statement: Der Krieg ist ein Weckruf für Europa, Anfeindung und Ausgrenzung bringen uns nicht weiter. Ohne die Länder des Westbalkan ist die EU unvollständig; die EU muss an Tempo zulegen und Menschen integrieren. Die Verhandlungen werden nun schon seit 20 Jahren geführt, es muss endlich etwas zum Abschluss kommen. Die EU muss raus aus den Regierungsprogrammen und hinein in die Haushalte. Sie muss die Köpfe und die Herzen der Bürger/innen wieder erreichen. Mittlerweile ist viel Glaubwürdigkeit verloren gegangen. Als Beispiele für konkreten Nutzen werden die Vereinheitlichung der Roaming-Gebühren genannt, die eine große Erleichterung für EU-Bürger gebracht hat.

In der Diskussion wird genannt, dass es eine Beitrittsperspektive für alle Länder des Westbalkan geben muss, weil bereits jetzt eine ständige Abwanderung junger und gut ausgebildeter Menschen in die EU stattfindet.

Schlussfolgerungen: Norbert KLEIN und Andreas GJECAJ

  1. Die EU muss die Herzen und Köpfe der Menschen erreichen, nicht nur Regierungsprogramme.
  2. Die Herausforderungen und Fragestellungen der Gegenwart sind sehr vielfältig. Wir sehen uns 3 großen Krisen gegenüber: Klimawandel, Pandemie, Krieg.
  3. Eine Erfahrung aus den EZA-Westbalkanseminaren lautet: Niemand ist nur Lernender, niemand ist nur Lehrender! Nur gemeinsam können wir Ziele erreichen.
  4. Vernetzung stellt sich als enorm wichtig heraus – auf Grundlage gemeinsamer Werte!
  5. Der Krieg in der Ukraine prägt derzeit unser Denken und ist eine schlimme Erfahrung: In der Ukraine fallen Bomben, werden Menschen getötet.
  6. Zugleich ist der Krieg ein Weckruf, auf wichtige Dinge zu schauen und über die Geschwindigkeit von Veränderung nachzudenken. In Krisen sind Handeln und Reflexion gefordert.
  7. Das Projekt „Westbalkan“ wird bei EZA weiter gehen!

Es ist gelungen, trotz sehr schwieriger Gesprächssituationen im Dialog zu bleiben – ein bemerkenswerter Erfolg!