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Europa nach der Corona-Pandemie und vor dem Wirtschaftsboom. Wie kann unsere Zukunft digitaler, grüner und sozialer werden?

Das EZA-Startseminar 2021 zum Thema „Europa nach der Corona-Pandemie und vor dem Wirtschaftsboom. Wie kann unsere Zukunft digitaler, grüner und sozialer werden?“ fand vom 25. bis 26. November 2021 in Wien / Österreich statt und wurde rein digital per ZOOM in ganz Europa vernetzt. Organisator vor Ort war ÖZA (Österreichisches Zentrum für Arbeitnehmerbildung). Das Seminar wurde mit Unterstützung der Europäischen Union realisiert.

111 Vertreterinnen und Vertreter von Arbeitnehmerorganisationen aus 24 Ländern – Albanien (als Gäste), Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Serbien, Slowakei, Spanien, Ukraine (als Gast), Ungarn und Zypern nahmen an dem Seminar teil.

Donnerstag, 25. November 2021

Eröffnung des Startseminars 2021 und Begrüßung durch die Veranstalter

Im ZOOM-Format übernehmen EZA-Generalsekretärin Sigrid SCHRAML und ÖZA-Generalsekretär Andreas GJECAJ die Moderation des Seminars vom Saal in Wien (mit technischer Unterstützung von 2 Firmen für die Live-Schaltungen und Übersetzungen in 8 Sprachen). Denis STRIEDER von ÖZA übernimmt die technische Einführung. In der Einleitung beschreibt Moderator Gjecaj die besondere COVID-Krise und tiefen Risse, die durch unsere Gesellschaft laufen und wie ein „erbitterter Glaubenskrieg“ zwischen Geimpften und Ungeimpften wirken. Arbeitnehmerorganisationen können 3 Lösungsmöglichkeiten einbringen:

  • Dialog: auf Augenhöhe in gegenseitigem Respekt
  • Gemeinsam Dinge außer Streit stellen: Unterscheidung Tatsachen-Meinungen
  • Ein Kompromiss ist keine Niederlage, sondern eine bewährte Problemlösung!

In seinem Grußwort weist ÖZA-Präsident Norbert SCHNEDL auf die Entsolidarisierung in der Gesellschaft hin und dass „Social Media“ wie Echokammern wirkt, wo sich immer radikalere Ansichten verbreiten und zur Gefahr für entwickelte Demokratien werden. Der österreichische Außenminister Dr. Michael LINHART bedankt sich in seiner Video-Botschaft für die Organisation des Seminars trotz des Corona-Lockdowns und fordert, dass wir auch in der Krise weitermachen und zusammenhalten müssen. EZA Co-Präsident Piergiorgio SCIACQUA betont, dass wir die soziale Gerechtigkeit nicht aus den Augen verlieren dürfen, weil Werte heute oft verschleiert werden. „Die EU muss als Gemeinschaft stärker werden. Die Mitgliedstaaten allein können keine globalen Lösungen schaffen“, so Sciacqua.

Erfahrungsberichte: „Auswirkungen der Pandemie auf Wirtschaft, Soziales und Gewerkschaftsarbeit“

Moderation: Andreas GJECAJ, ÖZA – Vorträge und Diskussion

Joseph THOUVENEL, Frankreich: Schildert den Verlust von rund 300.000 Arbeitsplätzen und starke Inflation (Energiepreise). In den Branchen sehr unterschiedliche Situation (Tourismus, usw.). Durch Home-Office neuer Trend zu Stadtflucht (Haus mit Garten), Belastung für Frauen nochmals gestiegen. Laut ILO-Bericht sind 5% der Weltbevölkerung zusätzlich verarmt.

Americo MONTEIRO OLIVEIRA, Portugal: Die staatlichen Stützungen erreichen nur offizielle Arbeit. Schattenwirtschaft, darunter auch kleine Selbständige mussten schließen und haben auch keine soziale Absicherung.

Caroline MOCH, ICAJ: Die CAJ sieht die Pandemie auch als „Weckruf“, weil wir weltweit in einem Wirtschaftssystem arbeiten, welches kein „gutes Leben für alle“ zulässt.

In der Diskussion wird gefordert, dass der Corona-Pandemie eine „Pandemie der Solidarität“ (nach Prof. Zulehner) folgen müsse.

Freitag, 26. November 2021

Die Sehnsucht nach dem „New Normal“ nach der Pandemie. War das Davor normal? Kritische Reflexionen …

Moderation: Dr. Karin PETTER-TRAUSZNITZ, ÖZA

Prof. DDr. Paul ZULEHNER, Österreich: Die Pandemie bewirkt eine immer aggressivere Polarisierung der Bevölkerung in ganz Europa. „Die soziale Frage gewinnt an Schärfe“ (Angela Merkel, 2020). Es gibt enorme Herausforderungen für die Weltgemeinschaft. „Die Freiheit der Reichen ist noch keine Gerechtigkeit der vielen!“(nach Jean B. Lacordaire). Es geht nicht nur darum, was systemrelevant ist, sondern auch relevant für: Menschen, Leben, Existenz! Papst Franziskus lehrt uns: „Niemand kann sich allein retten!“ (Enzyklika Fratelli Tutti)

Jose Luis PEREA BLANQUER, Spanien: Schildert die Situation der Selbständigen in Spanien. Für viele kleine Unternehmer/innen wäre eine Erhöhung der Mindestlöhne nicht zu verkraften. (Diese These wird heftig diskutiert und es gibt auch gegenteilige Meinungen im Seminar)

Horatiu POP, Rumänien: Beschreibt, was vor der Corona-Krise als „normal“ galt, und dass wir zwar einige Verschlechterungen erleben, aber auch Verbesserungen z.B. bei ONLINE-Lösungen.

EU-Aufbau und Resilienz nach der Pandemie – wohin steuern wir?

Moderation: Carien NEVEN, Belgien

Tim Joris KAISER, EU-Kommission: Anhand einer Power-Point beschreibt er aktuelle Projekte der EU, wie z.B. den „Recovery Fonds“, der derzeit in allen EU-Staaten in die Umsetzung kommt. Ebenso das Projekt „Next Generation EU“.

Den Kairos nutzen: eine digitalere und grünere EU … wie gelingt die Transformation sozial gerecht?

Moderation Jan FRANCO, Belgien

Prof. Dr. Anders LEVERMANN, Deutschland: Zeigt in seiner Power-Point zahlreiche Daten zur Klimaänderung. Mit der Erderwärmung steigt die Menge des verdunsteten Wassers, es kommt zu Starkregen-Ereignissen und Überschwemmungen. Die Klimakrise löst auch ökonomische Schockwellen aus.

Diederik BRINK, Holland: Als Mitglied der Bildungsplattform von EZA schildert er die Veränderung in den letzten 20 Monaten, die nicht nur Schüler und Lehrer betrifft, sondern auch Arbeitgeber. Tele-Arbeit betrifft nicht nur Home-Schooling, sondern auch andere Tätigkeiten im Home-Office.

Jörg TAGGER, EU-Kommission: Die EU hat sich sehr ehrgeizige Ziele (z.B. CO2-Reduktion, Klimaneutralität) gesetzt, weil angesichts der Zahlen inaktiv zu sein keine Option darstellt. Die Arbeit für „digitale Plattformen“ führt zu sozialen Verwerfungen – auch hier besteht akuter Handlungsbedarf.

Den Kairos nutzen: eine digitalere und grünere EU … wie gelingt die Transformation sozial gerecht?

Moderation Jan FRANCO, Belgien

Mag. Helga HONS, GPA-Österreich: Nennt zahlreiche Herausforderungen, die sich im Arbeitsrecht durch den digitalen Wandel ergeben: Arbeitsumfeld verändert sich, die Arbeitsleistung ist von vielen Orten aus erbringbar, der Trend geht weg vom kollektiven Arbeitsrecht hin zum individuellen Arbeitsvertrag. Gewinner sind jene, die Neues lernen, Verlierer jene, die von der Veränderung überfordert oder von Künstlicher Intelligenz (KI) verdrängt werden.

Jörg TAGGER, EU-Kommission: Beschreibt noch einmal die zahlreichen Initiativen der EU-Kommission. So hat sich Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sehr aktiv der Problemlage angenommen, die durch Arbeitsvermittlungsplattformen im Internet entstehen.

Dennis RADTKE, MEP: Erinnert daran, dass zahlreiche Initiativen, z.B. die europäische Säule sozialer Rechte, von der EVP eingebracht und umgesetzt wurden (Juncker, Thyssen). Ganz aktuell wurde der Antrag zum Mindestlohn mit deutlicher Mehrheit (37 JA, 7 NEIN, 7 Enthaltungen) angenommen. Eine Regulierung der Plattformarbeit ist dringend notwendig, ebenso die Klärung des Status von Fahrradboten und „Uber“-Fahrern mittels Beweislastumkehr: Hier müssen in Zukunft Unternehmen nachweisen, dass diese keine Beschäftigten sind.

Resümee – Handlungsempfehlungen an Politik und Arbeitnehmerorganisationen: LUC VAN DEN BRANDE, EZA-Präsident

In seiner Zusammenfassung fordert er den „Kairos“, als das Momentum zu nutzen, wenn die Zeit gekommen ist. Mittlerweile ist „digital“ schon „normal“ geworden. Wir müssen eine sozial integrative Gesellschaft schaffen, wo niemand draußen bleibt. Dazu 7 Schlussfolgerungen:

  1. Pandemie als „Weckruf“ verstehen
  2. Nachdenken über wesentliche Aufgaben unserer Gesellschaft
  3. Globalisierung neu denken: Klimawandel, Pandemie, Ökosozial
  4. Grundätze überdenken: Wir sitzen alle im selben Boot – Solidarität
  5. EU-Demokratie basiert auf Werten: Rechtstaatlichkeit, Menschenrechte
  6. Übergang bewerkstelligen: Fairer, sozialer Wandel; schnell handeln
  7. Verpflichtung zu informieren, inspirieren und zu verbinden.

„Wir brauchen eine Weiterentwicklung der globalisierten Welt über reine Geopolitik hinaus hin zu einer Geogesellschaft, die ihre Zukunft neu denkt und die soziale Marktwirtschaft zur öko-sozialen Marktwirtschaft weiterentwickelt. Die Pandemie muss ein Weckruf für uns sein und uns zum Nachdenken über wesentliche Aufgaben unserer Gesellschaft und zum Handeln animieren. Die Werte der EU-Demokratie wie Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde sind dabei primordial. Als christlich-soziale Arbeitnehmerorganisationen ist es an uns, Inspirationsquelle für andere und Stimme der Verlierer und sozial Schwachen zu sein!“

Van den Brande schließt mit der Forderung nach Dialog: „Wir dürfen nicht schweigen!“