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Der Europäische Grüne Deal: Wie kann man die Wirtschaft nachhaltig machen und was sind die Risiken für die Arbeitnehmenden?

„Der Europäische Grüne Deal: Wie kann man die Wirtschaft nachhaltig machen und was sind die Risiken für die Arbeitnehmenden?“ So lautet der Titel des von Feder.Agri organisierten Seminars, das mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union vom 29. bis zum 31. Oktober in Paestum/Italien stattfand. Die insgesamt 77 Teilnehmer:innen kamen aus Frankreich, Deutschland, Österreich, Belgien, Polen, Litauen, Zypern, Portugal, Bulgarien, aus den Niederlanden und aus Italien.

Alfonso Luzzi, Generalsekretär des FEDER.AGRI., skizzierte in seiner Eröffnungsrede das Seminarthema. Der Bürgermeister von Paestum, Franco Alfieri, erläuterte die von der Gemeinde geplanten Initiativen, die dem Umweltschutz und der Aufwertung dieser archäologischen Stätte verpflichtet seien. Es gab weitere Grußworte, so von der Generalsekretärin des EZA, Sigrid Schraml, die die Bedeutung des Themas für die Zukunft der EU hervorhob und FEDER.AGRI. für die Durchführung des Seminars dankte.

Maria Rosaria Pilla, Provinzpräsidentin des MCL, wies auf die große Aufmerksamkeit hin, die die jungen Menschen den Folgen des Klimawandels widmen. Der Generalpräsident des MCL, Antonio Di Matteo, hob das Engagement seiner Organisation im Bereich der Landwirtschaft hervor. Das besondere Interesse gelte dem Phänomen des „caporalato“, der Anwerbung illegaler Arbeitskräfte in der Landwirtschaft, von dem Regionen wie Kampanien betroffen seien. S.E. Mons. Andrea Bellardi unterstrich, dass die Frage der Umweltressourcen nicht von den wirtschaftlichen Ressourcen und vom Humankapital gesondert betrachtet werden könne. Absolut gesetzte Visionen führten nicht weiter.

In seiner inhaltlichen Einführung erläuterte Alfonso Luzzi, dass sich FEDER.AGRI. entschlossen habe, den Green Deal zum Thema dieses Seminars zu machen, weil man davon überzeugt sei, dass Klimaneutralität, Energieeffizienz, Emissionskontrolle und die gemeinsame Agrarpolitik die Herausforderungen unserer Gegenwart seien.

Matteo Massara, Präsident von Masma Bio in Catania, stellte den Seminarteilnehmern sein Unternehmen vor, das sich mit nachhaltigen Innovationen im Agrarbereich an landwirtschaftliche Betriebe wendet. Anliegen sei die Verbindung von Innovation und Tradition durch die Neuentdeckung von Produkten und die Wiederverwendung von Lebensmittelüberschüssen und -abfällen.

Die Arbeit von Frauen im ländlichen Raum stand im Mittelpunkt des Vortrags von Carmen Quintanilla, Präsidentin von Afammer. Von ihr war zu erfahren, dass seit einigen Jahren in Spanien und insbesondere in Barcelona mehr und mehr Frauen im Bäckerhandwerk tätig sind.

Die qualitätsorientierte Erzeugung von Agrar- und Tiererzeugnissen, die Berufsausbildung sowie die Automatisierung in der Agrar- und Viehwirtschaft standen im Mittelpunkt der zweiten Sitzung des ersten Seminartags.

Vito Busillo, Provinzpräsident der Cordiretti in Salerno, äußerte sich aus der Perspektive des Landwirts zur Frage der im Rahmen des Green Deal angestrebten Klimaneutralität und zu den Auswirkungen des Klimawandels.

Anschließend berichtete Nicola de Leonardis, Regionalkoordinator für den Bereich Landwirtschaft der Confcooperative Campania, dass sich die Errichtung eines Rinderzuchtbetriebs für die Produktion von Frischfleisch mit geschützter geografischer Angabe wie etwa der sog. „Vitellone Bianco“ in einem Gebiet, das nur von landwirtschaftlichen Betrieben lebt, als Entwicklungsmotor in diesem Gebiet erwiesen habe.

Diese Art des Unternehmertums ländlichen Ursprungs, das aus Familienbetrieben hervorgehe, um anschließend zu expandieren, war auch das Thema von Vittorio Gervasi, Agrartechniker aus Bari. Die Zukunft sei grün und bringe den Menschen Wohlstand, wenn man die Risiken für die Arbeitnehmer im Blick behalte.

Ein kultureller Wandel hin zu einem grünen Gewissen, das ein jeder von uns haben müsse, sei Voraussetzung für Klimaneutralität, betonte Paolo Cesana, Direktor der Fondazione Luigi Clerici in Mailand. Dieser Aspekt müsse integraler Bestandteil einer auf die jungen Menschen in der Landwirtschaft ausgerichteten Ausbildung sein.

Zu Beginn des zweiten Seminartags skizzierte Piergiorgio Sciacqua, Co-Präsident des EZA, die Herausforderungen, die der Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft, vor allem aus Sicht von Arbeitnehmerorganisationen, mit sich bringe.

Joseph Thouvenel, Vize-Präsident des französischen Gewerkschaftsverbands CFTC, behandelte in seiner Analyse die Rolle der Arbeitnehmer:innen bei der Verwirklichung der europäischen Strategie für eine inklusive Entwicklung.

Als Herausforderung auch für den Mittelmeerraum stellte Diomides Diomidous, vormaliger Generalpräsident der DEOK Zypern, den Green Deal dar. Das Mittelmeer und seine Anrainerstaaten spielten eine fundamentale Rolle bei der Entwicklung hin zu einer grünen Ökonomie, weshalb sie sich auf erneuerbare Energie umstellen müssten, indem sie auch die natürlichen Ressourcen nutzten.

Das letzte Jahr sei, wie allgemein bekannt, von der COVID-19-Pandemie geprägt gewesen, die sich nicht nur erheblich auf die Gesundheit, sondern auch auf die Umweltfrage ausgewirkt habe, so Veselin Mitov aus Bulgarien in seinem Beitrag.

Der zweite Teil des Tages schloss mit drei Beiträgen aus Italien. Der Schutz der Biodiversität und die Veränderung der Umwelt angesichts der Präsenz des Menschen standen im Mittelpunkt des Vortrags von Danilo Pirola aus Bergamo, der für eine Verbesserung der Systeme zur Wiederverwendung von Gütern plädierte.

Roberto Costanzo, Vertreter von Coldiretti und ehemaliges Parlamentsmitglied, sprach anschließend über den Zusammenhang zwischen Landwirtschaft und Kooperation.

Der aus der Ferne zugeschaltete regionale Landwirtschaftsminister von Kampanien, Nicola Caputo, behandelte das Problem des Wassers und die infolge der Trockenheit immer schwieriger werdende Lage und ging auf die große Diskussion um den nationalen Aufbau- und Resilienzplan PNRR als Instrument für Entwicklung ein.

Schlussfolgerungen

Auf der letzten Sitzung, die in Form eines Runden Tisches stattfand, ging es um das Thema: „Humankapital als zentraler Faktor des Transformationsprozesses: Fortbildung von Arbeitnehmern für neue ökologische Arbeitsplätze und neue Bildungs- und Ausbildungschancen für neue Kompetenzen.“ Leonardo De Marco, Generalsekretär des FEDER.AGRI. und Moderator des Runden Tischs, unterstrich einleitend, dass es keine Innovation gebe, wenn man nicht den Wert des Humankapitals in den Mittelpunkt stelle: Begabung und Kompetenzen seien die Grundlagen, auf die sich der Fortschritt stütze. Erst an zweiter Stelle stehe die sich immer mehr ausbreitende Technologie – als da sind das Quantencomputing, die Künstliche Intelligenz und die Cybersicherheit -, welche unsere Lebensweise ebenso wie das Geschäftsleben von Grund auf verändert hätten.

Vanja Gavran, Mitglied des Rats für die elektronischen Medien in Kroatien, skizzierte die derzeitige Lage der Landwirtschaft und den Stand der nachhaltigen Entwicklung in Kroatien, einem Land, das reich an Wasser und Ackerboden ist und somit günstige Bedingungen für die Landwirtschaft bietet.

Portugal sei eine reine Agrarwirtschaft und achte sehr auf sein Territorium, auf dem und von dem das Land lebe, betonte Maria Reina Martin, Vizepräsidentin des EZA. Es könne keine nachhaltige Gesellschaft ohne eine grüne Kultur geben und deshalb müsse die Ausbildung des Humankapitals gefördert werden.

Polen sei, wie Aneta Szczykutowicz schilderte, derzeit im Begriff, sich von der schwarzen Lunge Europas zu einem Land zu entwickeln, das mit massiven Investitionen in die Windenergie und mit Solaranlagen allerorten und sogar auf den Kirchdächern eine grüne Transformation angestoßen habe.

Jovita Pretzsch erläuterte die Fortschritte bei der Modernisierung der elektrischen Energie in Litauen. Es gäbe dort einen Plan, der auf Investitionen und Reformen setze, um die digitale und die grüne Transformation zu beschleunigen. Dazu gehörten auch Investitionen in saubere Energie und in das Hochgeschwindigkeitsinternet, damit die litauische Wirtschaft nachhaltiger, dynamischer und innovativer werde.

Die Herausforderungen, vor die uns der Klimawandel stellt, verlangen eine globale Antwort und die EU bemüht sich zusammen mit ihren Partnerländern intensiv um Unterstützung bei der Bewältigung der klimatischen energetischen Transformation weltweit. Dieses Seminar in Paestum bot die Gelegenheit, über die Rolle zu diskutieren, die dem europäischen Sozialen Dialog innerhalb des Green Deal zufällt, denn die Europäische Union in eine moderne Wirtschaft zu verwandeln bedeutet, alle am Nutzen teilhaben zu lassen und das so schnell und so gerecht wie möglich. Gleichzeitig stärken wir unsere Wettbewerbsfähigkeit und schaffen Arbeitsplätze, die auf die Zukunft ausgerichtet sind, und gehen effizient die Kosten und die Auswirkungen des Übergangs an.

Der Green Deal ist zusammen mit dem Sozialen Dialog der Weg, der zu beschreiten ist, um diesen tiefgreifenden Wandel zu bewältigen.