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Mehr als eine Realität: Jungsein auf dem Europäischen Arbeitsmarkt von heute!

Das Nell-Breuning-Haus hat sich als Gastgeber auch in diesem Jahr gefreut, die internationalen Mitglieder der EZA-Plattform für junge Arbeitnehmer*innen (PYW – Platform for Young Workers) zur jährlichen Konferenz begrüßen zu dürfen, unterstützt von EZA und der Europäischen Union. 26 junge Vertreter*innen von Arbeitnehmer*innen - Organisationen aus Portugal, Belgien, Polen, Deutschland, Nord-Mazedonien, Bulgarien, Österreich, Slowenien, Albanien, Rumänien, Ukraine, Litauen und der Slovakei nahmen an der Konferenz teil.

Diese 9. Konferenz konnte dank moderner Technik am 23. und 24. Oktober 2020 im virtuellen Raum stattfinden. Unter dem Titel „Mehr als eine Realität: Jungsein auf dem Europäischen Arbeitsmarkt von heute!“ konzipierte das Nell-Breuning-Haus mit Unterstützung von Bonn.digital ein Online-BarCamp. Bonn.digital stellte für die virtuelle BarCamp-Methode eine Konferenz-Plattform mit verschiedenen Räumen zum Erfahrungsaustausch, Ideenentwicklung und Diskussion zur Verfügung und betreute diese. Die Mitglieder der PYW stellten in Form von sogenannten „Pitches“ verschiedene Themen zur Verfügung. Diese wurden in die verschiedenen virtuellen Räume auf der Konferenzplattform zugewiesen und in anschließenden Sessions diskutiert. Folgende Themenschwerpunkte wurden diskutiert:

Themenschwerpunkt Covid-19

Wie schon bei der Vorbereitung vermutet, waren Themen rund um den Schwerpunkt Covid-19 sehr prominent vertreten. Die Mitglieder der EZA-Plattform stellten fest, dass besonders für Jugendliche im Übergang zwischen Schule und Beruf die aktuelle Lage sehr herausfordernd ist. Die ohnehin prekäre Situation von jungen Arbeitnehmer*innen in Europa wird durch die globale Pandemie ebenfalls verschärft. Allgemein tragen unbezahlte Praktika dazu bei, dass eine Vielzahl junger Menschen in kurzfristigen und unsicheren Arbeitsverhältnissen tätig sind. Die Mitglieder der PYW stellten fest, dass aufgrund der aktuellen Lage sowohl die Zahl der Praktikumsplätze als auch die Zahl der Arbeitsstellen stark zurückgegangen ist und viele bestehende Arbeitsverhältnisse junger Arbeitnehmer*innen gekündigt wurden. Außerdem kritisierten die Mitglieder der PYW, dass finanzielle Unterstützung noch längst nicht alle Menschen erreichen und besonders die junge Generation nicht im Fokus von Rettungsschirmen steht. Sie forderten, dass Jugendliche bei der Berufssuche stärker unterstützt werden, da Beratungsangebote und Netzwerkbildung nur noch eingeschränkt möglich sind. Weiter verlangten die Mitglieder der PYW, dass junge Arbeitnehmer*innen stärker im Fokus der internationalen Politik stehen sollten und ihre prekäre Situation nicht unbeachtet gelassen werden kann. Die Etablierung von Selbständigkeit und der Verbleib im Erwerbsleben gelten noch mehr als zuvor als eine der großen Herausforderungen für junge Menschen. Einige Teilnehmer*innen der diesjährigen Konferenz kritisierten außerdem, dass verschiedene Landesregierungen falsche Signale setzen würden, indem sie vermehrt junge Personen dazu aufrufen, unentgeltlich Senioren zu unterstützen. Allgemeiner Tenor bei der Konferenz war jedoch, dass die aktuelle Zeit genutzt werden sollte, um Jugendliche bei der Selbstreflexion ihrer Fähigkeiten, „Welche Kompetenzen habe ich bereits erworben?“ und dessen Entwicklung, „Wie kann ich das Spektrum meiner Fähigkeiten erweitern?“, zu unterstützen.

Außerdem wurde festgestellt, dass die Meinung zum Corona-Virus auch bei jungen Menschen sehr heterogen ist. Missachtung von Hygienevorschriften führten die Mitglieder der PYW in einigen europäischen Ländern auf eine allgemein misstrauische Haltung gegenüber Regierungsvertreter*innen zurück. Ein weiterer Grund könnten fehlende Kenntnisse im Umgang mit Medien sein. Die Teilnehmer*innen waren sich darüber einig, dass der kritische oder reflektierte Konsum von Medien länderübergreifend, als fester Bestandteil in den Schullehrplan integriert werden sollte. Des Weiteren muss auch die Bildung der Eltern im großen Themenfeld der Medienkompetenz in Betracht gezogen werden. Eine Überlegung war ein Zusammenschluss von Eltern, Jugendlichen und Medienexperten in verschiedenen Lernsettings zu ermöglichen. Als weitere Problematik wurde der fehlende digitale Zugang von vielen Jugendlichen in Europa diskutiert und die Erkenntnis festgestellt, dass immer mehr junge Menschen aufgrund ihrer ökonomischen Situationen in der Bildung abgehängt werden. 

Die Pandemie habe gezeigt, dass im Bereich der Jugendarbeit ein großer Nachholbedarf im Umgang und Einsatz von digitalen Medien besteht. Allgemein wurde von einem historischen Wandel in Arbeit, Schule und Sozialleben gesprochen. Die Mitglieder der PYW sahen im Einsatz von moderner Technik viele Chancen, wie eine bessere internationale Vernetzung und ein schnellerer Informationsaustausch. Jedoch betonten sie auch Problematiken wie beispielweise den beschränkten Zugang zu moderner Technik und zu sozialen Kontakten. 

Themenschwerpunkt PYW

Ein wichtiger Diskussionspunkt bezog sich auf die Gewinnung von jungen Menschen als Gewerkschaftsmitglieder. Die Mitglieder der PYW stellten fest, dass viele junge Menschen ein altmodisches Bild von Gewerkschaften und oft wenig Kenntnisse von deren Funktionen haben. Die Teilnehmer*innen einigten sich darauf, dass junge Menschen breitflächiger über ihre Rechte als Arbeitnehmer*innen informiert und über die unterstützende Wirkung von Gewerkschaften aufgeklärt werden müssen. Insgesamt fordern die Mitglieder eine Optimierung des Einblicks und ggf. Einstiegs in Gewerkschaften. Es soll nicht über, sondern mit jungen Menschen gesprochen werden.

Themenschwerpunkt EU und Europa

Die Teilnehmer/innen waren sich darüber einig, dass die öffentliche Meinung über die EU, trotz wirtschaftlicher und sozialer Krisen, eher positiv ausfällt. Des Weiteren wurde auch eine generationenbedingte Haltung gegenüber der EU diskutiert. So stellten die Mitglieder der PYW fest, dass junge Menschen eher dazu geneigt sind, die Vorteile zu sehen, und ältere Menschen sich eher auf die Nachteile der EU fokussieren. Die Teilnehmer/innen betrachteten die EU weniger als Wirtschaftsprojekt und wünschten sich mehr Einigkeit und Würdigung europäischer Werte. 

Schon vor der Corona-Pandemie waren die Voraussetzungen und Herausforderungen junger Menschen in Nordeuropa, Südeuropa und Osteuropa unterschiedlich. Unter dem Motto „Mehr als eine Realität: Jungsein auf dem Europäischen Arbeitsmarkt von heute!” konnten zahlreiche Aspekte der genannten Themenschwerpunkte diskutiert und ausgetauscht werden.