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Verständnis von Arbeitswelt und Beschäftigung, in Hinblick auf Lebensqualität und Würde der Arbeitnehmer

Vom 7. bis 10. Juni 2018 fand in Braga, Portugal, ein Seminar mit dem Titel "Verständnis von Arbeitswelt und Beschäftigung, in Hinblick auf Lebensqualität und Würde der Arbeitnehmer" statt, das von LOC/MTC (Liga Operária Católica - Movimento de Trabalhadores Cristãos) initiiert und organisiert wurde. Das Seminar war Teil der EZA-Projektkoordinierung zum Thema „Qualität der Arbeit“ und wurde unterstützt von EZA und der Europäischen Union.

Den Vorsitz bei der Eröffnung übernahm D. Jorge Ortiga, Erzbischof von Braga und Primas von Portugal, der den Teilnehmern seine Sorgen darstellte und bekräftigte, dass “jeder Mensch ein Recht auf Arbeit hat”. Dieses Recht muss mit der Qualität der Arbeit einhergehen, was es heute aber nicht mehr gibt. Die Qualität muss mit der Würde der Arbeit verbunden sein und diese resultiert aus der Arbeit. Das Leben eines Arbeitnehmers und seiner Familie muss menschenwürdig sein und muss Ausbildung, Kultur und Erholung gewährleisten." LOC/MTC muss in der Arbeitswelt in einer Perspektive des Glaubens handeln. Er schlussfolgerte, dass wir vor der Herausforderung stehen, das Evangelium in der Arbeitswelt zu interpretieren.

José Paixão, der nationale Koordinator von LOC/MTC, sagte, dass eines der größten Probleme für Arbeitnehmer in Portugal immer noch die Situation in der Arbeitswelt sei. Die Arbeitslosigkeit ist trotz ihrem Rückgang in den letzten zwei Jahren immer noch hoch, Beschäftigung prekär und es gibt nicht genug Arbeitsplätze für junge Menschen. Diese, die Menschenwürde verletzende Realität hat weiterhin schwerwiegende Auswirkungen auf die Familien. Viele Familien verlieren ihre Wohnungen, können ihre Kinder nicht mehr angemessen ernähren und den Zugang zu Bildung, Kultur, medizinischer Versorgung und Gerechtigkeit gewährleisten, weshalb es umso notwendiger und dringender ist, für eine menschenwürdige Arbeit, Humanisierung und die Würdigung der Arbeitnehmer einzutreten.

Projektkoordinator Pedro Estevão sprach über die Bedeutung der in ganz Europa stattfindenden EZA-Seminare und insbesondere über diejenigen, die er betreut und koordiniert, wie es der Fall von diesem LOC/MTC-Seminar war.

An den nächsten Sitzungen nahmen als Referenten teil: José Castro Caldas, Ökonom und Forscher beim Zentrum für Sozialstudien CES der Universität Coimbra; Wilfried Wienen, Leiter des Europabüros der KAB Deutschland; António Brandão Guedes, Vereins- und Genossenschaftsleiter, Fachverantwortlicher der Behörde für die Arbeitsbedingungen in Portugal; Charo Castello, Psychologin und Arbeits- und Sozialpädagogin aus Spanien.

In der ersten Sitzung gab Castro Caldas einen Rückblick über die industriellen Revolutionen und sagte, dass die Beschäftigungskrisen stets mit Finanzkrisen koinzidierten. Die Zerstörung der Beschäftigung wird apokalyptisch dargestellt. Digitale Plattformen ersetzen Beschäftigung durch Dienstleistungen, d. h. durch selbstständige Kleinunternehmer. Je niedriger die Gehälter sind, desto mühevoller ist die Arbeit. Die Arbeit erhält den Status einer Wertschöpfungsquelle. Die Arbeitskraft selbst verwandelt sich in eine Ware. Die Aversion der Arbeit gegenüber ist normal, sie entstand in einer Phase der Entwicklung der Zivilisation, in der die Menschen Jäger waren. Schlussfolgernd sagte er: Im 20. Jahrhundert haben die Technologien zum Verschwinden unterschiedlicher Berufe geführt, aber nicht zur technologiebedingten Massenarbeitslosigkeit. Arbeit muss für uns mehr sein als nur Schmerz, den man auf sich nimmt, um ein Einkommen zu erhalten.

In der zweiten Sitzung sprach Wilfried Wienen über die Industrie 4.0 - Bedrohung der Arbeit. Er erläuterte, was dies für die Menschen und die Gesellschaften im Hinblick auf den sozialen Dialog, die soziale Kohäsion und die soziale Entwicklung in Europa bedeutet. Er erklärte, dass Industrie 4.0 bereits in Portugal Einzug gehalten hat. Die Bezeichnung wurde in Deutschland geprägt und steht mit einem Programm der deutschen Regierung in Verbindung, die ein Programm zur Unterstützung der kleinen und mittleren Unternehmen eingerichtet hat. Dieses Projekt entstand von oben nach unten. Sensortechnologie, Robotertechnologie, fahrerlose Fahrzeuge - all dies wird durch das Internet gesteuert. Daten werden verarbeitet und in Clouds gespeichert, die nichts anderes als Server sind, sich in den USA befinden können und über die jeder Zugang zu den Daten der Bürger hat. Es handelt sich um digitalen Kapitalismus. Industrie 4.0 ist die Revolution der Kapitalisten.

In der dritten Sitzung erörterte Brandão Guedes das Panorama der digitalen Arbeit und bekräftigte, dass Arbeit nicht von unserem Leben ausgeklammert werden darf. Er wies darauf hin, dass die großen Plattformen die Fähigkeit zur Konzentration und zum Lobbying haben und dass sie, um Kunden billige Produkte anzubieten, die Taktik anwenden, zuerst zu wachsen und danach so wenig wie möglich zu reglementieren. Er zeigte zwei Wege auf: Inklusion oder Kohäsion. - Die mit einer fantastischen technologischen Entwicklung einhergehende digitale Wirtschaft kann zur sozialen Inklusion führen, bei der mehr sozialer Gleichheit für Regionen und Geschlechter herrscht sowie zur demokratischen Kontrolle der Technologie.  Ihre Zugewinne (Einnahmen) und Freizeit könnten so den meisten Menschen zu Nutzen sein, wobei kontinuierlich darauf geachtet werden muss, dass niemand ausgeschlossen wird. Marginalisierung und Ungleichheit.- Die mit Robotik einhergehende digitale Wirtschaft sowie künstliche Intelligenz können Ungleichheiten verstärken, Reichtum konzentrieren, die Arbeitswelt polarisieren, Millionen von Arbeitnehmern in eine Situation ohne einen menschenwürdigen Beschäftigungsstatus führen und sie zu einer Wegwerfware machen. Er schlussfolgerte, dass Arbeitnehmerorganisationen immer noch das wichtigste Werkzeug zur Würdigung der Arbeitnehmer sind. Es hängt von deren Fähigkeit zu einer inklusiven Ausgestaltung, zur Beteiligung, zur Unterbreitung von Vorschlägen und Forderungen ab, ob sich eine ausgewogene und humanisierte Arbeitswelt entwickeln kann, da es keinen technologischen Determinismus gibt.

Die vierte Sitzung war ein Rundtisch, bei dem darüber debattiert wurde, wie Arbeitnehmer mit den neuen Arbeitsformen in ihren jeweiligen Ländern umgehen. Teilnehmer: Maria Martinez, ACO Spanien; Ralf Linnartz, KAB Deutschland; Lidmila Nemcova, KAP Tschechien; José Maria Costa, LOC/MTC Portugal. Sie sagten, dass sich die Mehrheit der Arbeitnehmer dieser Realität normalerweise nicht bewusst ist, und dass leider viele von ihnen nicht bürgerschaftlich aktiv sind. So nehmen andere ihren Platz ein und entfremden die Wirtschaft und die Technologie ihrem eigentlichen Sinn, indem sie sie für den Gewinn einiger weniger einsetzen, dabei der Mensch vergessen und unterdrücken. Die Politik darf sich nicht von der "Wirtschaft, die tötet" anketten lassen und muss in der Lage sein, die neuen Formen der digitalen Arbeit und Technologie mit gesundem Menschenverstand und Ehrlichkeit zu reglementieren. Dabei muss die menschliche Arbeit als Quelle für Reichtum, verantwortlichen Konsum und Umweltschutz hervorgehoben und wertgeschätzt werden. In diesem Sinne wird jeder Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin zur Teilnahme aufgefordert sowie dazu, Sorge für die Schwächsten zu tragen, denn indem wir Sorge für andere tragen, sorgen wir für uns und sind glücklich.

In der fünften Sitzung sprach Charo Castello darüber, dass in Europa menschenwürdige Arbeit für alle gefördert werden muss: Wir dürfen niemals die Hoffnung auf menschenwürdige Arbeit aufgeben und müssen uns bewusst sein, dass wir für die menschliche Würde arbeiten. Solidarität beruht auf Brüderlichkeit und darauf, dass man anderen von seinem Eigentum abgibt. Wir müssen für Gerechtigkeit kämpfen, aber auch Zeugnis ablegen und selbst auf den untersten Ebenen der Gesellschaft solidarisch sein und sämtliche Beispiele für Gemeinschaft sichtbar machen, damit alle Leute sehen, wie wichtig unser Handeln ist. Wir müssen erkennen, dass es bei Armut nicht um Barmherzigkeit geht, sondern um Beschäftigung und dass menschenwürdige Arbeit beim Kampf gegen die Armut an erster Stelle stehen muss. Die Kirche (Bischöfe, Pfarrer und Laien) müssen diese Priorität als Mission annehmen, als dringende Aufgabe der Evangelisierung. Sie muss als Hauptinstrument zum Kampf gegen die Armut, Ausgrenzung und Entsorgung auch auf den politischen, wirtschaftlichen, sozialen und unternehmerischen Tagesordnungen stehen.

Die Kämpfe und Erfolge unserer Vorgänger in der Vergangenheit beweisen uns, dass Träume und Utopien stets eine starke Triebkraft sind und den Wandel anfeuern und stärken.

Die Seminarteilnehmer teilten sich in drei Gruppen auf und besuchten das Unternehmen “CASAIS”, das 3700 Arbeitnehmer hat (davon 700 in Portugal), die Zeitung "Diário do Minho" und ihre Druckerei, bei der ca. 100 Arbeitnehmer arbeiten sowie den Verband der Gewerkschaften von Braga. Es folgte ein Austausch über ihre Beobachtungen über die technologische Entwicklung und die Angaben der Verantwortlichen, dass sie aufgrund der Technologien keine Arbeitsplätze abgebaut hätten, sogar die Stellen erhöhen würden und dass sie überzeugt seien, dass die neuen Technologien in ihren Unternehmen die Arbeit erleichtern, nicht jedoch zu einem Stellenabbau führen würden.