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Sozialer Dialog in multinationalen Unternehmen in der Baustoffindustrie und im Baugewerbe

Eine Konferenz mit dem Titel „Sozialer Dialog in multinationalen Unternehmen in der Baustoffindustrie und im Baugewerbe“ wurde mit finanzieller Unterstützung von EZA und der Europäischen Union vom 11. bis 12. September 2018 von BIE Int. (Bouw-Industrie & Energie International), der serbischen Gewerkschaft für Arbeitnehmer im Baugewerbe und der Baustoffindustrie und von der serbischen unabhängigen Gewerkschaft für Arbeitnehmer aus dem Bereich der Straßeninstandhaltung in Belgrad organisiert. Sie war Teil des EZA-Sonderprojektes für Arbeitnehmerorganisationen im westlichen Balkan.

Zu den Teilnehmern der Konferenz gehörten die Vertreter von Branchen-gewerkschaften und Gewerkschaftsvertreter von CRH, Titan Cement, LafargeHolcim, Carmeuse und STRABAG aus Rumänien, Polen, Frankreich, den Niederlanden, Belgien, Kroatien und Serbien.

Die Aufstellung des Programms sah eine aktive Beteiligung durch Gruppenarbeit und Plenardiskussionen vor.

Auf der Konferenz wurde über den Zustand des sozialen Dialogs in den verschiedenen Ländern und in multinationalen Unternehmen diskutiert. Es wurden verschiedene Hilfsmittel zur Organisation und Förderung eines echten sozialen Dialogs vorgestellt und besprochen. Besondere Aufmerksamkeit galt dem Fall von LafargeHolcim, das sich von einem Beispiel für einen Maßstäbe setzenden sozialen Dialog zu einem Negativbeispiel entwickelt hat. Mit dem Eintritt eines neuen Geschäftsführers brach das Unternehmen sein Versprechen, eine globale Rahmenvereinbarung zu unterzeichnen und sich einem wirklichen und wahrhaftigen sozialen Dialog in Europa zu verpflichten. Für die beteiligten Gewerkschaften innerhalb von LafargeHolcim war das ein großer Schock. CRH ist ein weiteres multinationales Unternehmen, das die rechtliche Mindestanforderung für einen sozialen Dialog in Frage stellt.

Die folgenden Beschlüsse wurden angenommen:

  1. Sozialer Dialog findet in einem spezifischen politischen und sozio-ökonomischen Kontext statt.

In den verschiedenen Regionen Europas kann man verschiedene Modelle eines sozialen Dialogs erleben. Diese Modelle sind durch jahrelange soziale Geschichte entstanden. Es ist wichtig, dass der soziale Dialog genau das leistet, was er auch leisten soll: „Er sollte den Arbeitnehmern und den Unternehmen helfen“.

Für Arbeitnehmer bedeutet das eine gerechte Anteilnahme am Wohlstand, der in der Gesellschaft und im Unternehmen entsteht. Das ist bei einigen Ländern in Mittel- und Osteuropa und auf dem Westbalkan nicht immer der Fall. Das manchmal spektakuläre Wachstum des BIP seit dem Beitritt zur EU hat sich nicht gleichmäßig auf alle Gesellschaftsschichten verteilt. Die Institutionen zur Umverteilung scheinen nicht zu funktionieren. Es wurden viele Beispiele für bestehende rechtliche Hindernisse für eine wirksame Organisation eines echten sozialen Dialogs auf nationaler, sektorieller und/oder Unternehmensebene genannt.

Neben rechtlichen Zwängen fehlen auch sehr häufig repräsentative Sozialpartner.

Die Zwänge und Probleme, die in den verschiedenen Modellen des sozialen Dialogs festgestellt wurden, finden sich auch innerhalb der Gewerkschaftsorganisationen. Sehr häufig sind Gewerkschaften sehr dezentral organisiert und haben den Fokus auf Unternehmensgewerkschaften. Sektorielle Verbände sind sehr schwach: sowohl finanziell als auch politisch.

  1. Gemeinsam mit dem Verband der Europäischen Bauwirtschaft FIEC wird die EFBWW ein Projekt zum Kapazitätsaufbau für Sozialpartner in Mittel- und Osteuropa ins Leben rufen. Das Projekt wurde von der Europäischen Kommission genehmigt und läuft zwei Jahre. Die EFBWW lädt Teilnehmer dieser Konferenz dazu ein, Teil dieser Lenkungsgruppe zu werden.
  2. Es gibt verschiedene Modelle des sozialen Dialogs, sie müssen aber auch zweckmäßig sein. D.h. halten sie ihr Versprechen für eine größere soziale Gerechtigkeit und beteiligen sie Arbeitnehmer gerecht am entstandenen Wohlstand?
  3. Für die Förderung eines sozialen Dialogs auf Unternehmens-, sektorieller und nationaler Ebene besteht die Notwendigkeit für einen festen rechtlichen und organisatorischen Rahmen.
  4. Ein politischer Rahmen zur Förderung eines echten sozialen Dialogs und starker und repräsentativer sektorieller Sozialpartner ist Voraussetzung für die Entwicklung nachhaltiger Beziehungen zwischen den Sozialpartnern und eines sozialen Dialogs. Die Teilnehmer äußerten ihre Bereitschaft, den sozialen Dialog auf allen Ebenen, von der Unternehmensebene über die sektorielle Ebene bis zur nationalen Ebene, weiter zu fördern.
  5. Ein rechtlicher Rahmen, der einen echten sozialen Dialog fördert, ist notwendig. In diesem Sinne verurteilen die Konferenzteilnehmer die anhaltenden neoliberalen Angriffe auf Gewerkschaften und die Institutionen für einen sozialen Dialog, insbesondere in Mittel- und Osteuropa und auf dem Westbalkan.
  6. Die Politik der „Troika“ als Folge der Finanzkrise im Jahr 2008 wirkte sich desaströs auf die Institutionen des sozialen Dialogs aus. Diese Politik sollte rückgängig gemacht werden.
  7. Strukturfonds aus der EU für die Mitgliedsstaaten in Mittel- und Osteuropa sollten auch Kriterien der sozialen Gerechtigkeit berücksichtigen.
  8. Weitverbreitete Korruption führt zum Fehlen einer „Rechtsstaatlichkeit“. Die Bekämpfung von Korruption sollte politischen Vorrang haben.
  9. Mithilfe dieser Konferenzen sind regelmäßige Treffen möglich. So lassen sich Gewerkschaftsnetzwerke innerhalb gezielter multinationaler Unter-nehmen besser knüpfen und weiterentwickeln.
    • STRABAG, CRH und LafargeHolcim gehören zu diesen Zielunternehmen.
    • Durch diese Konferenzen bietet sich die Möglichkeit, Gewerkschafts-netzwerke innerhalb dieser und anderer Unternehmen zu knüpfen und weiterzuentwickeln.
    • Es besteht Bedarf, die Kommunikation zwischen zwei Konferenzen aufrecht-zuerhalten. Das liegt in der Verantwortung der teilnehmenden Gewerk-schaften und jedes einzelnen Teilnehmers.
    • Ein serbischer Vertreter war aktiver Teilnehmer am EBR von STRABAG. Durch Druck seitens der Geschäftsführung geriet er in eine Negativspirale, die schwerwiegende gesundheitliche Probleme zur Folge hatte. Alle Teilnehmer wollten ihre Betroffenheit und Solidarität mit ihrem serbischen Kollegen zeigen. Die EFBWW schlägt der serbischen Gewerkschaft vor, ein Schreiben an die Geschäftsführung von STRABAG zu richten.
    • Solidarität ist ein Kerngrundsatz. Es ist wichtig, auch Gewerkschaftsvertreter aus denjenigen Ländern einzuladen, in denen die multinationalen Unter-nehmen ihren Hauptsitz haben.
  10. Die EU ist die einzige Region auf der Welt mit einem klaren rechtlichen Rahmen, der multinationale Unternehmen zur Organisation eines trans-nationalen sozialen Dialogs verpflichtet, nämlich der Europäische Betriebs-rat.
    • Die Konferenzteilnehmer wurden dazu aufgefordert, sich aktiv an bestehenden Europäischen Betriebsräten zu beteiligen. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei der Ernennung und/oder Wahl von Mitgliedern des Europäischen Betriebsrates. Allzu häufig sind Mitglieder des Europäischen Betriebsrates keine Gewerkschaftsmitglieder und werden von keiner Gewerkschaft unterstützt oder „von der Geschäftsführung ausgewählt“.
    • Es ist sehr wichtig, dass der EBR und alle seine Instanzen – z.B. der Sonderausschuss – auch auf regionaler Ebene vertreten werden können. Wir benötigen positive Beispiele und Vorbilder aus Mittel- und Osteuropa im EBR.
    • Die EFBWW organisiert Schulungen für EBR-Vertreter. Es ist wichtig, dass das EBR-Mitglied EFBWW eine sehr wichtige Rolle spielt.
    • Bei der Aushandlung einer neuen EBR-Vereinbarung ist es wichtig, Gewerkschaften aus Beitrittsländern, wie Serbien, mit einzubeziehen. Das kann durch die Einplanung von Beobachtersitzen im EBR geschehen. Ist das nicht möglich, sollte dennoch nach Möglichkeiten gesucht werden, diese Gewerkschaften in die europäische Gewerkschaftsarbeit in diesen Unternehmen mit einzubeziehen.
  11. Der Sektor des Straßenbaus und der Straßeninstandhaltung ist ein sehr spezifischer Untersektor mit spezifischen Regelungen. Die Teilnehmer sind der Auffassung, dass die Weiterentwicklung des paneuropäischen Netz-werkes für Straßenbau und Straßeninstandhaltung Vorrang haben muss.
  12. CRH ist Zielunternehmen für den Aufbau eines Gewerkschaftsnetzwerkes
    • Nach der Veräußerung von Vermögenswerten durch die Fusion von Lafarge und Holcim wurde CRH zu einem sehr wichtigen regionalen und globalen Akteur in der Baustoffindustrie. Bei CRH gibt es seit 1996 das Euroforum. Die Vereinbarung wurde – ohne Gewerkschaftsbeteiligung – im Jahr 2013 überarbeitet. Gemäß der Richtlinie von 2009 liegen die Vereinbarung und die Praxis des Euroforums weit unter den Mindeststandards. Für die EFBWW und die Konferenzteilnehmer hat die Eröffnung von Verhandlungen mit dem Unternehmen zur Überarbeitung der Vereinbarung und zur Festlegung von Standards, die einen echten sozialen Dialog auf europäischer Ebene ermöglichen, Vorrang.
    • In einigen Ländern der EU und in der gesamteuropäischen Region besitzt  CRH einen sehr schlechten Ruf in sozialen Angelegenheiten. Das Unternehmen blockiert und/oder untergräbt den sozialen Dialog und die Rolle der Gewerkschaften aktiv. Erst vor kurzem kam es in der Ukraine zwischen der Gewerkschaft und der Geschäftsführung vor Ort zu schweren Problemen und Konflikten.
    • In anderen Ländern – z.B. in Serbien – dient CRH als gutes Beispiel für den sozialen Dialog und hochwertige Tarifverträge. In vielen Fällen lassen sich die guten CRH-Beispiele zu den früheren Methoden von Lafarge oder Holcim, die es gab, zurückverfolgen.
  13. Die Teilnehmer begrüßen die Ergebnisse der Konferenz und hoffen, diese Diskussionen und Reflektionen auf struktureller Ebene weiterführen zu können. Es besteht dennoch Bedarf, die Ziele weiter zu erläutern, damit man noch besser auf die Erwartungen reagieren kann.
    • Alle teilnehmenden Gewerkschaften sind aufgefordert, weitere Über-legungen zu dieser Angelegenheit anzustrengen und mit ihrer Position wiederzukommen. Der Fokus sollte dabei liegen auf: Erfahrungsaustausch, Entwicklung gemeinsamer Strategien, Schulungen, Kapazitätsaufbau. Oder auf einer Mischung aus allen diesen Punkten.
    • Es besteht die Notwendigkeit, die „Beschwerdekultur“ und die „Europa muss uns helfen“-Mentalität in eine konstruktive Gewerkschaftspolitik umzuwandeln, die von unten nach oben funktioniert und die Stärken und Kompetenzen jedes Einzelnen ausbaut. Es besteht ein Bedarf an Professionalisierung. Dabei handelt es sich jedoch nicht nur um einen politischen, sondern auch um einen kulturellen Prozess.
    • Man muss sich stärker auf „bewährte Methoden“ und „ergebnisorientierte“ Gewerkschaftsmethoden konzentrieren. Die Kollegen aus Kroatien können gute Ergebnisse z.B. innerhalb von STRABAG und Bouygues in ihrem Land vorweisen. Diese bewährten Methoden sollten weiter analysiert werden, um Erfolgsfaktoren bestimmen zu können.
    • Man sollte sich jedoch auch von dem Grundsatz von Thomas von Aquin leiten lassen, in dem es heißt: „Er, der nicht wütend ist, wenn es einen gerechten Grund für Wut gibt, ist unmoralisch. Warum? Weil Wut dem Wohl der Gerechtigkeit dient. Und wenn Du ohne Wut inmitten von Ungerechtig-keit leben kannst, bist Du sowohl unmoralisch als auch ungerecht“.
  14. Die Teilnehmer wollen der EU und dem EZA sowie der EFBWW, ACV-BIE und CNV Vakmensen, welche die Konferenz finanziell ermöglicht und organisatorisch unterstützt haben, danken.