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Gleichheit im Arbeitsmarkt: die Position und Rolle von Frauen

Vom 2. bis 4. Oktober 2018 organisierte die World Organization of Workers (WOW) in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Zentrum für Arbeitnehmerfragen (EZA) und mit Unterstützung der Europäischen Union ein Seminar mit dem Titel „Gleichheit im Arbeitsmarkt: die Position und Rolle von Frauen“. Das Seminar fand in Leiden, Niederlande, statt. Es war Teil der EZA-Projektkoordinierung zum Thema „Qualität der Arbeit“.

Das Streben nach einer gleichberechtigten Stellung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt im Vergleich zur Stellung von Männern wird seit vielen Jahren intensiv diskutiert. Wir erinnern uns sicherlich an die heftigen Debatten zur Frauenquote in Führungs-positionen. Diese Debatte führte zu einer Diskussion, die eher die Charakterzüge von Frauen (weniger ehrgeizig; trauen sich nicht, für sich selbst einzustehen; zweifeln daran, ob sie die Anforderungen einer Funktion erfüllen können) als eine gleichberechtigtere Behandlung von Frauen behandelte (was der eigentliche Grund für den Vorschlag zur Einführung von Quoten war).

Seither hat sich viel geändert, aber immer noch werden Frauen für dieselbe Tätigkeit nicht gleich bezahlt. Das ist ein seltsames Phänomen, da die akademischen Leistungen von Frauen nun schon seit einigen Jahren besser sind als diejenigen der Männer. Warum macht sich das dann nicht auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar?

Island hat einen neuen Ansatz gefunden, der von Magnea Marinósdóttir, leitende Beraterin, Abteilung für Gleichberechtigung, Ministerium für das Gemeinwohl (Island), vorgestellt wurde. Zu einem früheren Zeitpunkt in diesem Jahr wurde Island zum weltweit ersten Land, in dem Unternehmen nachweisen müssen, dass sie Frauen für dieselbe Arbeit nicht schlechter bezahlen als Männer. Das ist ein großer Schritt zu mehr Gleichberechtigung. Island und in diesem Zusammenhang ganz Skandinavien gehörten schon immer zu den Ersten, wenn es um Gesetze zur Gleichstellung von Frauen und Männern und zu Lohngleichheit ging. Aber selbst in diesen Ländern bestand nie eine tatsächliche Gleichstellung. Es bestand immer noch Ungleichheit in der Bezahlung. Ihre Lösung: das Gesetz zur Zertifizierung für Lohngleichheit. Dieses Gesetz wurde im Juni 2017 durch einen Gesetzentwurf für Ergänzungen am Gesetz Nr. 10/2008 zur Gleichstellung von Frauen und Männern eingeführt. In Artikel 19 dieses Gesetzes heißt es: „Frauen und Männer, die für denselben Arbeitgeber tätig sind, sollen für dieselbe Tätigkeit bzw. für Tätigkeiten mit gleichem Wert dasselbe Gehalt und dieselben Beschäftigungsbedingungen erhalten“. Es trat am 1. Januar 2018 in Kraft.

Mit dieser Ergänzung und durch die Nutzung des Standards zur Lohngleichheit, bei dem festgelegt wird, welche Tätigkeiten denselben Wert haben, muss Lohngleichheit garantiert werden. Der Standard zur Lohngleichheit ist ein Klassifizierungssystem. Dabei vergleicht das System Tätigkeiten anhand bestimmter Kriterien, so dass ein Vergleich möglich ist. Seit dessen Einführung hat es gezeigt, dass es tatsächlich funktioniert. Es verlangt jedoch nicht dasselbe Vergütungssystem für alle Unternehmen und Einrichtungen. Und es verlangt auch nicht, dass jeder, der eine Tätigkeit mit demselben oder mit gleichem Wert ausübt, dieselbe Bezahlung erhält. Obwohl das System also noch nicht alles abdeckt, wurde es von vielen Menschen begrüßt, die es für fair halten.

Auf diesen Vortrag folgte ein Beitrag von Maga Manuela Vollmann, Vorstands-vorsitzende, Geschäftsführerin und Gründerin von ABZ*AUSTRIA, einem sozialen Unternehmen für Chancengleichheit für Frauen in Österreich (Österreich) mit dem Titel „Gleichstellung von Frauen und Männern in der neuen Arbeitswelt – Aktueller Status & Zukunftsaussichten“. Frauen hinken in Bezug auf ihr Gehalt immer noch hinterher. In Europa verdienen Frauen 16,2% weniger als Männer. In Österreich liegt dieser Wert sogar noch höher (20,1%). 4 von 10 Arbeitsstunden werden nicht bezahlt. Und Frauen sind in Führungspositionen unterrepräsentiert. Vielfalt fängt allerdings ganz oben an.

Vor einigen Jahrzehnten gab es in Österreich den Ruf nach mehr Teilzeitarbeit. Das hat dazu geführt, dass viele und vorwiegend Frauen in Teilzeit arbeiten. Vollmann hielt fest, dass „es nie so beabsichtigt war, dass Teilzeitarbeit zu einem weiblichen Phänomen wird“.

Vorschläge zu Änderungen des Arbeitsmarktes lauteten beispielsweise Führungs-positionen in Teilzeit; Stellenteilung in Spitzenpositionen; Änderungen bei Einstellungen; Unterstützung von Frauennetzwerken; freiwillige Quoten usw. Die Arbeitswelt 4.0 verlangt neue Fertigkeiten und Kompetenzen. Sie verlangt außerdem Flexibilität bei Arbeitsvereinbarungen. Und Frauen sollten ein wesentlicher Bestandteil im Entscheidungsprozess sein.

Francesca Sanders, stellvertretende Beraterin bei der SEEK Development Strategic and Organizational Consultants GmbH (Deutschland) bestätigte die immer noch bestehende Geschlechtertrennung auf dem Arbeitsmarkt, hob aber auch hervor, warum die Wirtschaftspolitik Männer und Frauen unterschiedlich betrifft. In ihrem Beitrag (Wie wirkt sich ein Sparkurs auf die Gleichstellung von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt aus? Eine Fallstudie aus Irland und Spanien während der Euro-Krise) hielt sie fest, dass Frauen vorwiegend Kinder und ältere Menschen betreuen und die Pflegeberufe, wie Krankenpflege, Gesundheitspflege, Unterrichten und Reinigen, dominieren. Das bedeutet, dass Einschnitte im öffentlichen Sektor sich unmittelbar stärker auf Frauen als auf Männer auswirken. Während der Krise waren jedoch mehr Männer betroffen, da die Branchen, in denen sie arbeiteten, die größten Schläge hinnehmen mussten (Baugewerbe, Transportgewerbe, Bergbau, Wirtschafts-bereiche).

Beim Vergleich von Irland und Spanien lässt sich feststellen, dass die Sparmaßnahmen in beiden Fällen recht geschlechtsspezifisch waren, obwohl die Länder sich ziemlich unterscheiden. Allgemein waren Frauen stärker betroffen als Männer. Die nationale Politik nuancierte jeweils, in welchem Umfang das der Fall war, die Statistiken zeigen jedoch deutlich, dass Frauen im öffentlichen Sektor die größten Verlierer waren.

In einem positiveren Vortrag stellte CNV Vakmensen seine Initiativen zur Integration von mehr Frauen in die Arbeit von Gewerkschaften durch von ihnen organisierte Netzwerktreffen vor. Diese Treffen waren laut Sandra Hendriks-Sneijder, CNV Vakmensen (Niederlande), sehr erfolgreich. Durch die Organisation von Veranstaltungen für Frauen und die Präsenz auf Veranstaltungen, die hauptsächlich Frauen anlocken, versucht CNV Vakmensen mehr Frauen in seine Arbeit einzubinden. Auf Frauen sollte auf andere Art und Weise zugegangen werden als auf Männer, dadurch erweisen sich die Maßnahmen von CNV Vakmensen als großer Erfolg.

Die Stellung und Rolle von Frauen im Baugewerbe, in der Gesundheitsversorgung und intern in der Gewerkschaft CLAC in Kanada unterscheiden sich auch sehr stark. Kanada hat in einer Liste mit 43 Ländern, die vom OECD geprüft wurden (2016), das achtgrößte Lohngefälle zwischen Frauen und Männern. Nicht unbedingt eine gute Platzierung für ein Land, in welchem dem Premierminister für sein Kabinett bestehend aus gleich vielen Frauen und Männern Beifall gespendet wurde. Kanada leidet unter einem Fachkräftemangel, während auf der anderen Seite in Kanada ungefähr 6,2 Millionen Frauen zwischen 20 und 44 Jahren leben. Es gibt allerdings zahlreiche Zugangshindernisse, von denen die von Männern und Frauen vertretene Ansicht, dass das Baugewerbe Männersache ist, und Fragen des Respekts, wie z.B. Vorurteile, Chauvinismus und Diskriminierung, wahrscheinlich am entscheidendsten sind. Das Ziel besteht nun darin, ein Bewusstsein dafür zu schaffen und Einstellungen und die Kultur so zu verändern, dass Frauen in Bereichen leichter Zugang finden, in denen sie traditionell bisher nicht sehr aktiv waren. Und darin, spezifische Plattformen für Frauen aufzubauen. Gesetze zur Lohngerechtigkeit (Gesetze, die es von Arbeitgebern verlangen, Geschlechterdiskriminierung zu erkennen und zu beheben), sind eine andere Lösung. Das Schließen des Lohngefälles kommt Familien, Unternehmen und der Wirtschaft insgesamt zugute.

Auch für Gewerkschaften gibt es Möglichkeiten:

  1. Wiederaufnahme eines Eintretens für Lohngleichheit
  2. Neubenennung der Probleme
  3. Information zu Problemen und Lösungen

Und das sollte auch intern erfolgen, da es auch in den Gewerkschaften selbst kein Gleichgewicht zwischen Männern und Frauen in Führungspositionen gibt.

Der letzte Referent, Dr. Ans Merens, wissenschaftlicher Forscher im Bereich Geschlechterforschung am niederländischen Institut für Sozialforschung – SCP (Niederlande), stellte das Thema „Frauen und Männer auf dem Arbeitsmarkt: der Fall der Niederlande“ vor. Heutzutage erzielen Mädchen in der Schule und in Universitäten bessere Leistungen als Jungen. Mit folgendem Ergebnis: in der Bevölkerung sind Frauen zwischen 25 und 45 Jahren besser gebildet als Männer (in der Altersgruppe von 45 – 65 Jahren sind Männer leicht besser gebildet als Frauen). Die meisten Frauen arbeiten in Teilzeit (unabhängig davon, ob sie Mütter sind). Die Niederlande sind mit 73% Frauen, die in Teilzeit arbeiten, „Teilzeit-Weltmeister“. In den Niederlanden hat Teilzeitarbeit eine lange Geschichte, Studien zeigen jedoch, dass die Entscheidung für Teilzeitarbeit nicht immer freiwillig fällt. Das führt zu wirtschaftlicher Abhängigkeit. Leider hat diese Abhängigkeit von Frauen im Laufe der Jahre noch zugenommen. Trotz allem können wir sehen, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt in vielerlei Hinsicht zugenommen hat. Der Prozess ist allerdings sehr langsam.

Neben den Hauptreferenten wurden auch Länderstudien von Vertretern aus Dänemark, Serbien und Deutschland vorgestellt. Dabei handelte es sich um sehr unterschiedliche Länder mit einem sehr unterschiedlichen Ansatz für die Erwerbstätigkeit von Frauen. Es war interessant zu hören, dass das Lohngefälle immense Auswirkungen hat, da Frauen automatisch weniger Geld für alles im Leben, für ihre Familien und z.B. die private Altersvorsorge zur Verfügung haben. Insbesondere die Frage der Altersvorsorge ist problematisch. Viele Frauen kommen so, auch im Zusammenhang mit einer Scheidung, in finanzielle Schwierigkeiten. Das sollte und kann auch vermieden werden.

Zwei andere Programmpunkte waren informeller und aktiver. Den Teilnehmern wurden Fragen zu Statistiken und historischen Informationen über erwerbstätige Frauen gestellt. Die Fragen zeigten die Erfolge und Errungenschaften von Frauen. Und davon gab es reichlich.

Der letzte Seminarteil bestand aus einer Plenumsdiskussion zur Rolle von Gewerkschaften in Bezug auf die Stellung von Frauen und dazu, wie die Maßnahmen in den kommenden Jahren aussehen werden. Einige Vertreter waren vom isländischen System sehr angetan. Sie waren außerdem begeistert von der praktischen Verbindung zu Frauen auf dem Arbeitsmarkt durch informelle Treffen und Zusammenkünfte. Insgesamt waren die Teilnehmer alle der Meinung, dass mehr für die Frauen getan werden müsse. Gleichstellung kann nicht von heute auf morgen erreicht werden, es sollten jedoch Initiativen ergriffen werden, um diesen Prozess zu beschleunigen.

Nach dem Seminar traf sich ein Teil der weiblichen Teilnehmer im Frauenausschuss des WOW, um die Pläne und Initiativen für die nächsten Jahre zu besprechen.

Eines der wichtigsten Ergebnisse aus dem Seminar ist die Feststellung, dass Frauen die Möglichkeit zu arbeiten gegeben werden müsse, ob nun in Teil- oder Vollzeit. Viele haben diese Möglichkeit heutzutage tatsächlich noch nicht. Sie sind entweder dazu gezwungen, in Teilzeit zu arbeiten (auch wenn sie eigentlich mehr arbeiten wollten) oder sie werden dafür verurteilt, wenn sie in Vollzeit arbeiten (vor allem wenn sie Kinder haben). Am Ende werden sich vielleicht viele Frauen trotzdem dazu entscheiden, in Teilzeit zu arbeiten, aber das muss ihre eigene Entscheidung sein dürfen. Es sollte eine Möglichkeit darstellen. Und diese Entscheidung sollte ihnen nicht von anderen abgenommen werden.

Positiv anzumerken ist die Tatsache, dass es mehr Gleichheit gibt als jemals zuvor. Es ist dennoch immer noch ein langer Weg, bis eine komplette Gleichstellung erreicht ist. Das gilt für die Bezahlung, aber vielleicht sogar noch stärker für das Denken und die Wahrnehmung der Menschen.