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Ein aussagekräftiger sozialer Dialog als relevantes Instrument, das zum europäischen Einigungsprozess beiträgt

Vom 30. August bis 1. September 2018 fand in Sofia, Bulgarien, eine internationale Konferenz zum Thema „Ein aussagekräftiger sozialer Dialog als relevantes Instrument, das zum europäischen Einigungsprozess beiträgt“ statt, die mit Unterstützung von EZA und der EU von PODKREPA CL organisiert wurde. Das Forum war eine Veranstaltung innerhalb des EZA-Sonderprojekts für Arbeitnehmerorganisationen im westlichen Balkan zur „Sozialen Dialog stärken – Europäische Integration gestalten“ und brachte mehr als 35 Teilnehmer zusammen, darunter auch sieben hochrangige Gewerkschaftsführer aus drei Ländern des Westbalkans sowie der Minister der bulgarischen EU-Ratspräsidentschaft und Vorsitzende und Experten von PODKREPA. Hauptthema der Agenda war die Rolle von Gewerkschaften bei der Förderung des sozialen Dialogs im Kontext der Integration des Westbalkans in die EU.

Bei der offiziellen Eröffnung wurden kurz die politischen Kernbotschaften dargestellt. In seiner Ansprache an die Teilnehmer stellte Veselin Mitov, Vizepräsident des EZA und internationaler Sekretär von PODKREPA CL, die allgemeinen Ziele vor und betonte dabei, dass der Erfolg jedes Beitrittsprozesses in die EU die Umsetzung einer starken, zielgerichteten Politik verlange, die auf die Demokratisierung der Gesellschaft und auf Rechtsstaatlichkeit ausgerichtet sei. Eine derartige Politik könne nur erfolgreich sein, wenn sie auf Vertrauen unter den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen aufgebaut sei und sie kompetente Partner aus der Zivilgesellschaft einbinde. In diesem Kontext sowie mit der Absicht, ausführliche und umgehende Informationen zur Rolle von Gewerkschaften im Beitrittsprozess zu liefern, organisiert PODKREPA CL die aktuelle Konferenz.

In seiner Eröffnungsansprache fügte Präsident Dimitar Manolov hinzu, dass das heutige Forum äußerst wichtig sei - PODKREPA beginne damit, seine bewährten Methoden und Erfahrungen mit anderen Partnern des Westbalkans zu teilen, da es nur aufgrund seiner Gründung und seiner Ursprünge ein Sprungbrett für die bulgarische Integration in die EU gewesen sei.

An die Teilnehmer gerichtet sagte Minister Pavlova, dass die bulgarische Ratspräsidentschaft einige vorrangige Prioritäten zum Ziel hatte, jedoch einen Durchbruch in der Sozialpolitik und in der Beschäftigung erreicht hatte. Bulgarien habe sich hohe Ziele gesetzt und die Erwartungen sogar übertroffen. Eine dieser Errungenschaften ist, dass Bulgarien das Thema der Länder des Westbalkans erfolgreich reaktiveren konnte und es auf die EU-Agenda gebracht hat. Sie betonte, dass das Gipfeltreffen in Sofia als erneute Bestätigung der uneingeschränkten Unterstützung für die europäische Perspektive der Länder des Westbalkans gelte. Die Sofia Agenda verpflichtet sich der europäischen Perspektive des Westbalkans – als strategische Wahl, stärkende Verbundenheit, gegenseitige Unterstützung und Kommunikation in der Region.

Zu diesen klaren Botschaften für Zusammenarbeit und Partnerschaft fügte Norbert Klein die Erfahrungen aus dem Sonderprojekt des EZA hinzu, das insbesondere darauf abzielte, Vertrauen zwischen den Partnern zu schaffen, darunter auch die Förderung eines gemeinsamen Verständnisses für Herausforderungen, in Verbindung mit der Einbeziehung der EU-Dimension in die Denkweise und die Handlungswege der Gewerkschaften. Er hob hervor, dass eine neue Kultur für die Erzielung eines Konsenses’, von Unterstützung und Respekt übernommen werden sollte. Zudem sollten auch ein kohärenterer Ansatz und konkrete Maßnahmen eingeleitet werden, um den Raum der Zivilgesellschaft zu schützen und auszuweiten und so den Arbeitnehmern aus den Ländern des Westbalkans einen konkreten Nutzen zu bringen. Zunächst schloss das politische Diskussionsforum mit dem Eingreifen des Vizepräsidenten des EAPN, wobei der Fokus auf dem sozialen Kontext der EU, und zwar auf einer erhöhten Armutsquote und einem erhöhten Maß an sozialer Exklusion, lag.

Der außerordentliche Professor Jeliazkova betonte, dass die Qualität des Integrations-prozesses von der internen Umstrukturierung der Gesellschaft abhänge und sich in den sozialen Folgen äußere: Führt sie zur Verschlechterung von Lebensstandards und zum Kollaps sozialer Rechte, ist diese Integration teilweise und unvollständig und weist hauptsächlich elitäre Eigenschaften auf. Daher wurde bei den Teilnehmern eine klare Botschaft eingeführt – EU-Integration kann zur Verbesserung der Lebensqualität und des steigenden sozialen Zusammenhalts beitragen, allerdings nur, wenn sie auf einem echten sozialen Konsens und auf sozialer Partnerschaft basieren – kurz gesagt ist der Dialog in einer demokratischen Gesellschaft die einzige relevante Möglichkeit für einen positiven Wandel.

Nach diesen wichtigen politischen Beiträgen wurde das bulgarische System der Beziehungen zwischen den Sozialpartnern und die aktuelle Entwicklung der Methoden des sozialen Dialogs vorgestellt. Aus der Präsentation wird ersichtlich, dass die soziale Partnerschaft, Beratungen und Verhandlungen in Bulgarien eine entscheidende Rolle gespielt haben und für den demokratischen Wandel des Landes symbolisch waren, wodurch die Grundlage für das neue Modell von Beziehungen zwischen den Sozialpartnern gelegt wurde, die später wiederrum die Grundlage für die EU-Integration liefert. In der Praxis war dies kein einfacher Weg. Viele kontroverse Prozesse haben den Weg Bulgariens zur EU-Integration beeinflusst. Sehr häufig findet PODKREPA es schwer, die Interessen der Arbeitnehmer zu schützen, insbesondere während der Privatisierung von Unternehmen und Verfahren zur Rechtsangleichung. Praktisch gesehen eröffnete der EU-Beitritt 2007 den Bürgern viele neue Möglichkeiten, der Beitritt Bulgariens wurde vom Großteil der Bevölkerung unterstützt, es war sogar ein nationales „Ziel“ bzw. ein nationaler „Traum“. Heute allerdings befindet sich Bulgarien durch den von der Krise verursachten Absturz und die anhaltende Abwanderung nicht nur in einem demografischen Kollaps, es ist auch das ärmste und korrupteste Land der EU. Die Überwindung dieser schlechten Situation ist eine sehr schwierige Aufgabe, sie ist gleichzeitig aber auch von entscheidender Bedeutung für Gewerkschaften. In diesem Sinne müssen unsere Bemühungen darin liegen, den sozialen Dialog zu einer stärker aufbauenden Einrichtung zu machen: für eine bessere Anwendung der Pull- und Push-Faktoren des Einkommensanstieges und des Arbeitnehmerschutzes, zur Bereitstellung von Schulungen für Gewerkschaften für eine bessere Fachwissen- und Verhandlungskapazität und zum Schmieden von Allianzen mit anderen sozialen Akteuren – kurz gesagt: um ein wesentlicher Teil der Diskussionsführung zur Zukunft der Arbeit zu werden. Zusätzlich enden heutzutage Arbeit und soziale Probleme nicht an nationalen Grenzen, sondern betreffen alle Menschen über Grenzen hinweg. Deshalb sollten Gewerkschaften für eine spürbare Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen über den auf Beschäftigung zentrierten Ansatz hinausgehen, um auf eine steigende Annäherung und einen steigenden sozialen Zusammenhalt in Europa zu drängen.

Während der Tagung am Nachmittag konzentriert sich die Arbeit der Konferenz auf nationale Berichte aus Serbien, Mazedonien und Albanien, gefolgt von einer von Fragen geleiteten Podiumsdiskussion. Alle teilnehmenden Gewerkschaften leisteten ihren Beitrag bezüglich der Situation des sozialen Dialogs im Kontext der Integration in die EU. Die nationalen Berichte zeigen ähnliche Trends und Probleme: die soziale Partnerschaft in den Ländern des Westbalkans ist nicht gut entwickelt, sein Charakter ist eher formal, nationale Regierungen hatten eine führende Rolle inne, insbesondere betreffend den Beitrittsprozess, Beratungen werden nicht regelmäßig geführt und die Informationsqualität ist sehr gering. Die Ergebnisse der sozialen Partnerschaft sind bescheiden, was die Möglichkeit der Einflussnahme im Entscheidungsprozess begrenzt. Zusätzlich kommt es vor, dass sich Regierungen nicht an einzelne Punkte halten, die bereits zwischen Sozialpartnern vereinbart worden waren. Alle Redner betonten, dass Gewerkschaften aus den Ländern des Westbalkans strategische Unterstützung beim Prozess zur Änderung des Arbeitsrechts unter den Bedingungen für den EU-Beitritt benötigen. Es wurde insbesondere hervorgehoben, dass Rechtsreformen während des Integrationsprozesses nicht von Regierungen oder Parlamenten eingeführt werden sollten, bevor sie nicht zuvor innerhalb der Körperschaften für eine gesellschaftliche und wirtschaftliche Abstimmung besprochen wurden, in denen die Beteiligung von Gewerkschaftsvertretern gewährleistet sein muss. Zusätzlich muss die europäische Säule sozialer Rechte in allen ihren 20 Schwerpunktgebieten im Zentrum des Prozesses zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften liegen, um in den Bewerberländern des Westbalkans ein menschenwürdiges Mindestniveau für den Sozialschutz sicherzustellen. Die allgemeine Botschaft der nationalen Berichte lautet: teilnehmende Gewerkschaften begrüßen und unterstützen die EU-Perspektive und drücken ihre Bereitschaft aus, vollständig in den Integrationsprozess eingebunden zu werden. In diesem Kontext heißen sie den Vorschlag des PODKREPA CL, seine Erfahrungen zu teilen, äußerst gut. Das wäre hilfreich für sie, da es keine leichte Aufgabe ist, in die Festlegung rechtlicher Rahmen eingebunden zu sein. Zweitens drücken Gewerkschaften ihren Bedarf an der Unterstützung des EZA bei Maßnahmen zum Aufbau von Kapazitäten aus, um ihre Einbindung in den Dreiparteiendialog und in Tarifverhandlungen zu verbessern.

Die Arbeit setzte sich mit individuellen Antworten auf drei konkrete Fragen fort und wurde im beigefügten Fahrplan für Gewerkschaftsmaßnahmen zusammengefasst, um einen wirksamen sozialen Dialog und wirksame Beziehungen zwischen den Sozialpartnern in der Region des Westbalkans zu erzielen. Am Ende des Arbeitstages wurde eine bewährte Methode der beiden Gewerkschaftsverbände in Bulgarien vorgestellt. Am 9. Mai, dem Europatag, wurde eine internationale Konferenz abgehalten und die Erklärung „Die Stimme der Integration des westlichen Balkans“ angenommen. Sie wurde unter der Schirmherrschaft der bulgarischen EU-Ratspräsidentschaft angenommen und betonte die Wichtigkeit und Notwendigkeit einer echten Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften in der Region.

Der zweite Konferenztag widmete sich der Zukunft. Er bot jedem Teilnehmer die Möglichkeit, seine Meinung auszudrücken und analysierte mögliche soziale Folgen und den Einfluss auf schwache Bevölkerungsgruppen, Arbeitnehmerrechte, die Systeme des sozialen Schutzes, den sozialen Dialog und die Beziehungen zwischen den Sozialpartnern. Maßnahmen beweisen, dass die Verpflichtung von Gewerk-schaftern aus den Ländern des Westbalkans im EU-Integrationsprozess auf sehr hohem Niveau liegt. In Gesprächen wurde der Rolle des sozialen Dialogs und der Sozialpartner im Integrationsprozess besondere Aufmerksamkeit zuteil. Gewerkschafter stellten erneut dar, dass Regierungen darauf hören sollten, was Gewerkschaften sagen, und den Sozialpartnern alle Dokumente im Zusammenhang mit den Verhandlungen zugänglich machen sollten.

Die wichtigsten Vorschläge der Einzelbeiträge lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

-  Der Balkan ist eine besondere Region, in der die Lebensstandards im Vergleich zu anderen Teilen Europas nicht hoch sind. Das ist für die Bürger, die dort leben, nicht gut, aber es ist auch für Europa als Ganzes nicht gut.

- Wirtschaftliche Entwicklung, die Verbesserung von Lebensstandards, Beschäftigung und soziale Sicherheit sind für eine friedliche regionale Koexistenz förderlich.

- Der Prozess des EU-Beitritts des Westbalkans darf nicht die soziale Dimension untergraben, die von einer angemessenen Finanzpolitik unterstützt werden sollte.

- Die Sozialinvestitionen der EU sollten als Reaktion auf die Herausforderungen, die Mobilität und neue Technologien den heutigen Beziehungen zwischen den Sozial-partnern auferlegen, sichtbarer, effizienter und spürbarer sein.

- Europäische und nationale Rechtsrahmen sollten in unserer sich schnell ändernden Arbeitswelt neue Möglichkeiten für Tarifverhandlungen und Mindestlöhne schaffen.

- Gewerkschaftsorganisationen vom westlichen Balkan sollten in die Feststellung der richtigen Fertigkeiten, die für sich aus der Digitalisierung und der Industrie 4.0 in der Region ergebenden neue Arbeitstätigkeiten, eine bessere Planung und eine Verknüpfung von Politiken im Bereich Bildung, Weiterbildung und Beschäftigung benötigt werden, als aktive Partner eingebunden werden.

- Länder des westlichen Balkans könnten nationale Räte für die europäische Integration einrichten, die hochrangige politische Behörden und die wichtigsten zivilgesellschaftlichen Organisationen regelmäßig zusammenbringen, um den Prozess der EU-Integration transparenter zu gestalten und ihn in einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen.

- Der soziale Dialog in der Region des westlichen Balkans ist schwierig. Es existiert kein politischer Wille für eine wirkliche Partnerschaft und auch Korruption ist ein ernsthaftes Problem, da sie die Gesellschaft verdirbt. Zur Bekämpfung der ausufernden Korruption, des organisierten Verbrechens und von Geldwäsche müsste viel mehr getan werden. Auch die Unabhängigkeit der Justiz ist für eine gesunde Demokratie entscheidend.

 - Darüber hinaus ist der soziale Dialog aufgrund der falschen politischen Maßnahmen nationaler Regierungen begrenzt. In Fällen, in denen die nationale Politik nicht relevant ist, ist auch der soziale Dialog nicht relevant.

- Gewerkschaften aus der Region sollten für eine steigende Abstimmung von Löhnen und Arbeitsbedingungen mit ETUC, ITUC und brüderlichen Strukturen zusammen-arbeiten.

- Gewerkschaften können eine wichtige Rolle spielen, indem sie die jüngeren Generationen aus den verschiedenen Ländern des Westbalkans für eine Öffnung des sozialen Dialogs zu einer Vielzahl von Fragen, die für die Zukunft der Region entscheidend sind, zusammenbringen.

- Gewerkschaften aus den westlichen Balkanländern benötigen Maßnahmen zum Aufbau von Kapazitäten und Finanzierungen zur Unterstützung, Stärkung und (bei Bedarf) zur Gründung wirksamer und anpassungsfähiger Institutionen für Tarifverhandlungen und zur Schaffung entsprechender Beziehungen zwischen den Sozialpartnern, damit Sozialpartner und Vertreter von Unternehmen und Arbeitnehmern unabhängig Lohnerhöhungen und eine Verbesserung der Arbeits-bedingungen verhandeln können.

- Gewerkschaften aus der Region können mit dem anstehenden Wandel in der Arbeitswelt fertigwerden und sollten danach streben, die wachsende Gruppe von Beschäftigten mit einem unklaren Arbeitsverhältnis zu erreichen, und sie sollten sich  im Kampf für dieselben oder für ähnliche Ziele an unterschiedlichen Orten insbesondere der Zusammenarbeit mit Verbündeten aus der Zivilgesellschaft stärker öffnen.

- Die Schaffung struktureller Partnerschaften in der Region kann als Kompass während des Integrationsprozesses dienen.

Abschließend wurden die Maßnahmen zusammengefasst – die Wirksamkeit des sozialen Dialogs wurde durch eine schwache Wirtschaftsleistung und die politische Instabilität in der Region des Westbalkans geschwächt. Der EU-Beitritt ist eigentlich ein langfristiger Prozess, jetzt allerdings dient die klare europäische Perspektive als Katalysator für die Integration. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Sozialpartner in die Förderung der EU-Werte und in den Integrationsprozess eingebunden werden.