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Diversifizierung der Altersstruktur – Herausforderungen für und Erwartungen der Sozialpartner

Vom 23. bis zum 25. Mai 2018 fand in Warschau, Polen, ein Seminar zum Thema „Diversifizierung der Altersstruktur – Herausforderungen für und Erwartungen der Sozialpartner“ statt, das mit Unterstützung von EZA und der Europäischen Union von der Nationalen Kommission der NSZZ „Solidarność“ organisiert wurde. Es war Teil der akademisch-praktischen Seminarreihe von EZA zu „Strategien europäischer Institutionen – Kapazitätsaufbau“.

Am Seminar nahmen 51 Vertreter von Arbeitnehmerorganisationen aus den Niederlanden, der Slowakei, Litauen, Ungarn, Belgien, Österreich, Polen, Großbritannien und Spanien teil.

Das Seminar wurde von Józef Mozolewski (Vizepräsident von EZA, Präsident der NSZZ „Solidarność“ für die Region Podlaski) eröffnet. In seiner Eröffnungsrede hob er hervor, dass Altersmanagement keine Wahlmöglichkeit, sondern eine Notwendigkeit darstelle.

Józef Niemiec (Sonderberater beim Europäischen Gewerkschaftsbund, EGB) stellte den Bericht der Europäischen Kommission zur Beschäftigung und Sozial-entwicklungen in Europa (ESDE 2017) vor, der einerseits über gute Wirtschaftsergebnisse und einen Beschäftigungsanstieg berichtete, aber andererseits auch einen Wandel des Arbeitsmarktes aufzeigte. Dieser Wandel führt unter anderem zu einem Anstieg befristeter Arbeitsverträge und zu einer hohen Beschäftigungs-losigkeit bei jungen Arbeitnehmern. Die Situation junger Menschen stellt eine Bedrohung für die Zukunft eines gerechten und auf Solidarität basierenden sozioökonomischen Modells dar. Darin wird betont, dass eine Strategie in alle Richtungen notwendig ist, wenn der Arbeitsmarkt durch Integrität und generations-übergreifende Solidarität verbessert werden soll. Hier muss der soziale Dialog eine entscheidende Rolle spielen.

Die Vorstellung nationaler Erfahrungen im Zusammenhang mit der Arbeitsmarktpolitik für das Altersmanagement übernahmen geladene Vertreter der Wissenschafts-gemeinde: Matt Flynn (Professor an der University of Hull, England) und Izabela Warwas (Professorin der Universität Lodz, Polen) führten das Projekt „Aktives Altern durch soziale Partnerschaften und Beziehungen zwischen Sozialpartnern in Europa ASPIRE“ ein. Auch Gewerkschaftsvertreter waren vor Ort: Milan Toth (Vizepräsident von ZO NKOS USSKE, Slowakei), Lucian Vasilescu (CNSLR Fratia, Rumänien) und Martin Hermoso (UGT, Spanien).

In den Länderberichten wurde ein gemeinsames Merkmal der nationalen Arbeits-märkte besonders hervorgehoben: das Auftreten eines Generationenkonflikts und die Überraschung von Arbeitgebern hinsichtlich des „Alterns ihrer Mitarbeiter“ sowie die Einbindung aller Beteiligten in eine aktive Politik zum Altersmanagement unter Berücksichtigung und in Erfüllung der Bedürfnisse älterer und junger Arbeitnehmer.

Verschiedene Situationen in den Arbeitsmärkten im Zusammenhang mit dem Altersmanagement, die sich unter anderem aus den Folgen der Krise und anschließender Strukturreformen, Kulturunterschiede und der Rolle der Frauen im Sozialleben ergeben, standen im Fokus. Betont wurde, dass die Wirklichkeit trotz einer eventuell vorhandenen Politik zum Altersmanagement unzureichende Maßnahmen und eine geringe Lebensdauer der im Bereich des aktiven Alterns und der Solidarität zwischen den Generationen unternommenen Initiativen aufzeige.

Da dieses Projekt Teil eines akademisch-praktischen Bildungs- und Ausbildungs-projektes über „Strategien der europäischen Institutionen – Aufbau von Kapazitäten“ war, stellte Dr. Karin Schönpflug (Institut für Höhere Studien in Wien) das Forschungs-projekt zum Thema „Aufbau von Kapazitäten für den sozialen Dialog: Arbeitnehmer-organisationen in einer sich verändernden Welt“ vor. Durch diese Präsentation ergab sich ein interessantes Bild von den Auswirkungen einer alternden Bevölkerung. Sie hob hervor, dass die aktuelle Situation eine Herausforderung für Arbeitnehmer-organisationen darstelle und es wichtig sei, Gewerkschaftsmitglieder in Maßnahmen einzubinden, die Arbeitsplätze für ältere Arbeitnehmer ausarbeiten und Synergien aus dem Potential der älteren Generation sowie junge Arbeitnehmer im Arbeitsumfeld fördern.

Juliane Bir (EGB-Beraterin) beschrieb den Prozess des Erzielens einer unabhängigen Rahmenvereinbarung der Sozialpartner zum aktiven Altern und zu einem generationsübergreifenden Ansatz, die am 08.03.2017 unterzeichnet worden war. Sie betonte die Wichtigkeit dieser Vereinbarung. Der Vertrag wurde nach einer über 7 Jahre anhaltenden Stagnation im europäischen sozialen Dialog unterzeichnet. Er enthält eine Klausel, in der steht, dass die europäischen Partner nach 4 Jahren den Fortschritt der Umsetzung bewerten werden, wenn in einzelnen Ländern die Sozialpartner die Bestimmungen des Vertrages nicht umsetzen. Frühere Vereinbarungen enthielten keine derartigen Sätze.

Am Diskussionsforum der Sozialpartner, das sich mit den Bedingungen für die Umsetzung der europäischen Rahmenvereinbarung der Sozialpartner zum aktiven Altern in Polen beschäftigte, nahmen folgende Personen teil: Bogusława Urbaniak (Professor der Universität Lodz, Polen), Olga Scott (Expertin, Pracodawcy RP, Polen), Edyta Doboszyńska (Expertin, polnischer Handwerksverband ZRP), Renata Górna (Beraterin, OPZZ) und Sławomir Adamczyk (Nationale Kommission der NSZZ „Solidarność“).

In den Bewertungen hinsichtlich des Bedarfs zur Ergreifung von Maßnahmen, die in der Vereinbarung enthalten sind, vereinbarten die Arbeitgebervertreter und Gewerkschaften das, was in der Vereinbarung festgehalten wurde. Sie erklärten, dass es sich bei dieser Vereinbarung um eine Art Fahrplan für Bereiche handelte, in denen es gemeinsame Initiativen von Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften geben könnte. Dazu gehören unter anderem: Mentoring, Änderungen in der Arbeitszeit-organisation. Es wurden Probleme im Zusammenhang mit der Möglichkeit der Ausarbeitung von Gesetzesempfehlungen und Probleme beim Ausbau von Schulungsmöglichkeiten für ältere Arbeitnehmer für den Erwerb von Qualifikationen genannt.

Die Gewerkschafter Diederik Brink (CNVO-Koordinator CVNO, Niederlande), Rudolf Grec (Präsident der NSZZ „Solidarność“ bei Philip Morris Polska SA, Polen), Teresa Kowalska (Präsidentin der NSZZ „Solidarität“ bei Agros Nova Sp. z o.o., Polen) und Andrzej Kuchta (Fluggesellschaft Leonardo) teilten bei Verhandlungen zu Strategien oder Vereinbarungen zum Altersmanagement in Unternehmen ihre Erfahrung.

Aus der Präsentation ergab sich ein vielfältiges Bild des Problems.

In den Niederlanden ist es möglich, mit einer niedrigeren Rente früher in den Ruhestand zu gehen, die Entscheidung darüber fällt der Arbeitnehmer. Auf dem niederländischen Arbeitsmarkt verursacht allerdings die Selbstständigkeit Probleme. Selbstständige Menschen haben keinen Zugang zu Leistungen der Altersversorgung, ihre zukünftige Pensionssicherung ist daher ungewiss.

Beispiele aus polnischen Arbeitsstätten:

- bei Philip Morris Polska S.A enthält das Programm innerhalb einer Strategie zum Altersmanagement in einem Unternehmen eine Vielzahl von Anreizen und wird mit einem hohen Maß an Arbeitnehmervertrauen umgesetzt.

- bei Agros Nova Sp. z o.o. wurden vor einigen Jahren guten Lösungen gefunden, um die Arbeitsbedingungen für ältere Arbeitnehmer in verschiedenen Bereichen zu verbessern, z.B. hinsichtlich der Arbeitszeit, Zusatzboni, Urlaubstage und Urlaubsgeld. Leider war der neue Eigentümer nach der Privatisierung nicht an einer Fortführung des Programms interessiert.

- das Unternehmen Leonardo erkannte nach der Analyse des Alters seiner Mitarbeiter ein Problem. Es stellte sich heraus, dass in naher Zukunft 20 % der Mitarbeiter in Rente gehen werden. Der Arbeitgeber war überrascht.

In den Diskussionen innerhalb der beiden Foren wurde Folgendes hervorgehoben:

- das Altersmanagement auf dem Arbeitsmarkt sollte ab dem ersten Arbeitstag beginnen und es sollte versucht werden, Bedingungen zu schaffen, die ein aktives Altern und eine Solidarität zwischen den Generationen ermöglichen,

- die Schaffung von möglichst breitgefächerten Partnerschaften im Zusammenhang mit dem aktiven Altern und dem Aufbau von Solidarität zwischen Generationen wäre zweckdienlich,

- eine Partnerschaft mit öffentlichen Behörden sollte es Sozialpartnern erlauben, nach umfassenden Lösungen zu suchen.

Die Rolle der Sozialpartner bei der Entwicklung geeigneter Strategien, Hilfsmittel und bei der Verbreitung bewährter Methoden auf nationaler, industrieller und Arbeitsplatz-ebene wurde herausgestellt. Das wachsende Bewusstsein unter den Sozialpartnern bezüglich des Bedarfs an einem generationsübergreifenden Management hat viel Bedeutung dazugewonnen.

Am Ende des Seminars sprachen die Teilnehmer folgende Empfehlungen aus:

- Durchsicht der Übersetzung der unabhängigen europäischen Rahmenvereinbarung zum aktiven Altern und zum generationsübergreifenden Ansatz in der Muttersprache der EU-Länder, wie in der Vereinbarung geregelt,

- Verbreitung der unabhängigen europäischen Rahmenvereinbarung zum aktiven Altern und zum generationsübergreifenden Ansatz unter Gewerkschaftsmitgliedern, Gewerkschaftsführern und Vertretern von Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-organisationen.

- Aufbau einer Plattform zum Altersmanagement auf europäischer Ebene mit einer Zusammenarbeit auf lokaler Ebene unter Hinzuziehung der Erfahrungen der Partner.