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Die Europäische Säule sozialer Rechte: Auf dem Weg zu einem gerechteren und sozialeren Europa

Vom 9. bis 10. November 2018 fand in Vilnius eine internationale Konferenz zum Thema „Die Europäische Säule sozialer Rechte: Auf dem Weg zu einem gerechteren und sozialeren Europa“ statt. Sie wurde mit Unterstützung von EZA und der Europäischen Union von LDF Education Center  (VsI Lithuanian Labor Federation Education Center) organisiert.

An der Konferenz nahmen mehr als 50 Leiter von Gewerkschaften und Arbeitnehmerorganisationen (5 Teilnehmer von der EZA-Plattform für junge Arbeitnehmer) aus Belgien, Spanien, Lettland, Estland, Polen, der Slowakei, Serbien, Albanien, Deutschland und Litauen teil. Sie war Teil der EZA-Projektkoordinierung für die „Europäische Säule sozialer Rechte“.

Die erste Sitzung des Seminars fand mit dem Ziel statt, die Mitglieder von Gewerkschaften und anderen Arbeitnehmerorganisationen über die von der Europäischen Union ins Leben gerufene Initiative zu informieren, eine Europäische Säule sozialer Rechte aufzubauen. Nach der Vorstellung der Seminarziele stellte Janina Švedienė, Vize-Präsidentin des EZA und Generalsekretärin des LDF, den Aufbau des EZA vor, berichtete von den neuesten Entwicklungen und lieferte die aktuellsten Informationen zu dessen Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Seminarthema. Die Rednerin betonte, dass das Seminar unmittelbar vor dem 1. Jahrestag der Europäischen Säule sozialer Rechte organisiert wurde.

Katrin Stancheva präsentierte als Koordinatorin der EZA-Projekte zu diesem Thema das Projektkoordinierungssystem sowie die wichtigsten Ergebnisse des Seminars aus der Projektgruppe.

Marius Vaščega, stellvertretender Leiter für wirtschaftspolitische Steuerung bei der Vertretung der Europäischen Kommission in Litauen, hielt einen Vortrag zum Thema „Zwanzig Grundsätze der Europäischen Säule sozialer Rechte. Handelt es sich dabei um völlig neue Aufgaben für Europa und Litauen?“ Der Redner betonte die wichtigste Priorität der Europäischen Kommission, nämlich die Erreichung eines sozialeren und gerechteren Europas. Die Europäische Säule sozialer Rechte wird vorangetrieben und soll als Kompass für einen Prozess dienen, der zu einer erneuerten sozioökonomischen Annäherung führen soll. In dem Dokument werden 20 Grundsätze und Rechte dargelegt, die auf die Unterstützung von gerechten und funktionsfähigen Arbeitsmärkten und Sozialsystemen abzielen. Die Verantwortung für die Umsetzung dieser Grundsätze und Rechte tragen die Mitgliedsstaaten, die EU-Institutionen und die Sozialpartner gemeinsam. Die Umsetzung der sozialen Säule richtet sich jetzt und in der Zukunft an die EU- und nationale Gesetzgebung, an die Wirtschafts- und Sozialpolitik, an die Finanzierung und an sonstige Initiativen. Auch Gewerkschaften und Arbeitgeber spielen dabei eine Rolle, insbesondere durch den sozialen Dialog und Tarifverhandlungen.

Bert Van Caelenberg, Generalsekretär der Eurofedop, analysierte in seinem Vortrag die Entwicklung der sozialen Sicherung in Europa: von der Europäischen Sozialcharta bis zur Europäischen Säule sozialer Rechte. Der Redner hob die Position der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) zur Europäische Säule sozialer Rechte hervor und stellte die wesentliche Arbeit der EUROFEDOP zu diesem Thema vor.

Der Leiter des Arbeitsmarktinstituts, Professor B. Gruževskis, konzentrierte sich auf die Situation in Bezug auf die soziale Gerechtigkeit in Litauen und Europa. Er analysierte die wesentlichen Aspekte eines sozialen Europas, die Notwendigkeit für Reformen im Bildungssektor, das Einkommensgefälle, die Flexibilität und Sicherheit (Flexicurity) sowie die Erwartungen der Menschen im Land. Die Kernaussage seines Vortrags lautete: Die Europäische Säule sozialer Rechte ist hilfreich, es muss allerdings ein neuer Umsetzungsmechanismus für neue Leitlinien entwickelt werden! Das aktuelle System ist unwirksam, es sichert keine nachhaltige soziale Entwicklung.

Dr. Tadas Leončikas, leitender Forschungsmanager im Referat für Sozial-politik der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeits-bedingungen, präsentierte die wichtigsten Ergebnisse der EUROFOUND-Forschung: „Leben und Arbeiten in Europa im Jahr 2017“. Er stellte die wichtigsten Erkenntnisse in den Bereichen Arbeitsplatzqualität, Lohngefälle, Beschäftigungsentwicklung und sozialversicherungsrechtliche Verhältnisse in verschiedenen EU-Ländern vor.

Janina Švedienė, Vize-Präsidentin des EZA, hielt einen Vortrag über das Lohngefälle in den Ländern der Europäischen Union. Sie referierte über das Lohngefälle zwischen Ost- und Westeuropa, über Lohnkürzungen während der Wirtschaftskrise und über die wichtige Rolle von Tarifverhandlungen, um diese Lücken schließen zu können. Die Rednerin stellte die Kampagne „Europe needs a pay rise“ (dt.: Europa braucht höhere Löhne) des EGB vor, die noch bis Mitte 2018 läuft und in enger Zusammenarbeit mit nationalen Mitgliedern ins Leben gerufen worden war. Sie sprach außerdem über die Position des EGB zur Europäischen Säule sozialer Rechte.

Tomas Tomilinas, Vizepräsident des Sozial- und Arbeitsausschusses im litauischen Parlament und Mitglied des litauischen Parlaments, sprach über die Änderungen, die vom litauischen Parlament im Zusammenhang mit der Verringerung von sozialer Ausgrenzung und Armut angenommen wurden. Er referierte zudem über die Rentenreform und über Steueränderungen. Die Mitglieder des Seimas beantworteten Fragen und Kommentare, diskutierten mit den Teilnehmern über die soziale Situation in Europa und äußerten ihre Meinung zu der Frage, wie soziale Gerechtigkeit in Europa erreicht werden könne. Er betonte die Wichtigkeit des sozialen Dialogs und der sozialen Partnerschaft auf dem Weg zu einem gleichberechtigteren und sozialeren Litauen.

Daiva Kvedaraitė, Mitglied des Europäischen Wirtschafts- und Sozial-ausschusses, wollte die Position des Ausschusses zur Europäischen Säule sozialer Rechte vorstellen. Sie präsentierte die Initiativen der Europäischen Sozialpartner und ihre Rolle beim Aufbau der Säule. Es wurden vom Ausschuss erarbeitete Stellung-nahmen und Dokumente vorgestellt. Die Rednerin betonte, dass die Umsetzung der sozialen Säule die Situation in den Mitgliedsstaaten verbessern werde. Die Zusammenfassung der sozialen Indikatoren des Europäischen Semesters (Entwurf) zeigte die Defizite und Unterschiede zwischen den EU-Ländern auf. Die Zusammenarbeit aller (Politiker, Sozialpartner, zivilgesellschaftliche Organisationen) ist sowohl in den Mitgliedsstaaten als auch auf EU-Ebene notwendig.

Dr. Christina Herman hielt als Vertreterin des Nell-Breuning-Hauses in Deutschland einen Vortrag, in dem die Situation in Bezug auf Chancengleichheit in Deutschland erläutert wurde. Sie sprach über Chancengleichheit im Beschäftigungs- und Bildungssektor und gab einen Überblick über einige Initiativen und Projekte, die sich mit Chancengleichheit in Deutschland befassen.

Ein Großteil des zweiten Seminartages wurde den Teilnehmern aus den verschiedenen Ländern gewidmet, welche die Situation in ihrem jeweiligen Land schildern konnten: Lettland, Estland, Serbien, Spanien, die Slowakei, Deutschland und Albanien. Die Teilnehmer sprachen über die wichtigsten Entwicklungen in den Systemen der sozialen Sicherheit, bei Arbeitsbedingungen und bei der Haltung der Organisationen gegenüber der Europäischen Säule sozialer Rechte.

Die Seminarteilnehmer hoben die Notwendigkeit für eine Synergie zwischen dem Wirtschafts- und sozialen Bereich hervor, wobei die soziale Partnerschaft und der soziale Dialog zu den wichtigsten Voraussetzungen für einen positiven Wandel gehörten. Die Teilnehmer waren zudem der Auffassung, dass die Zivilgesellschaft in die Umsetzung notwendiger Reformen eingebunden werden müsse.