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Der Westbalkan auf dem Weg nach Europa

Vom 5. Bis 6. Dezember 2018 fand in Wien / Österreich ein Seminar zum Thema „Der Westbalkan auf dem Weg nach Europa“ statt, organisiert von EUROFEDOP (Europese Federatie van het Overheidspersoneel), mit Unterstützung von EZA und der Europäischen Union. Das Seminar wurde im Rahmen des EZA-Sonderprojekts für Arbeitnehmerorganisationen im westlichen Balkan organisiert.

Der Vorsitzende von Eurofedop, Fritz Neugebauer, eröffnet die Sitzung und erklärt, dass auf dieser Sitzung das Treffen am kommenden Tag mit dem Kommissar vorbereitet werden soll, mit dem wir darüber sprechen wollen, was unsere Gewerkschaften aus dem Westbalkan zu einem schnelleren und effizienteren EU-Beitrittsprozess ihres Landes beitragen können.

Die Umsetzung des gemeinschaftlichen Besitzstands, zu dem auch der soziale Dialog gehört, ist eine Voraussetzung für den EU-Beitritt. Wenn sich Regierungen oder Arbeitgeber weigern, einen echten sozialen Dialog mit den Gewerkschaften zu führen, verstoßen sie gegen die EU-Verträge und können der Union nicht beitreten. Dieses Thema sollten wir morgen im Gespräch mit dem Kommissar erwähnen.

Anschließend erteilt der Vorsitzende den Vertretern der Gewerkschaften aus den Ländern des Westbalkans das Wort.

Gewerkschaftliche Themen aus Sicht der Gewerkschaften der Länder des westlichen Balkans

In vielen Ländern des Westbalkans ist die Durchführung des Sozialen Dialogs nach wie vor problematisch. Der Soziale Dialog läuft nicht immer zufriedenstellend ab und findet nicht regelmäßig statt. Arbeitgeber und Regierungsvertreter zögern oft, sich an Diskussionen mit der Belegschaft zu beteiligen. In einigen Fällen werden die Vorteile des sozialen Dialogs unverhohlen bestritten. Die Arbeitgeber weigern sich, die Vorteile einer Diskussion mit den Arbeitnehmern über Angelegenheiten anzuerkennen, die sich zweifellos positiv auf die Produktivität und die Leistung des öffentlichen Dienstes auswirken würden.

Der Soziale Dialog ist Teil des gemeinschaftlichen Besitzstandes und seine Umsetzung ist eine Voraussetzung für den Beitritt zur Europäischen Union. Praktiken wie die Bevorzugung von bestimmten Gewerkschaften, der Ausschluss von Gewerkschaften aus dem sozialen Dialog, die Nichteinhaltung des Grundsatzes der freien Entscheidung für eine Gewerkschaftsmitgliedschaft, die Missachtung von Beschlüssen, die im Rahmen von Diskussionen über den sozialen Dialog gefasst wurden, stehen im Widerspruch zu den von der Europäischen Union festgelegten Vorschriften und sind zu verurteilen. Die Gewerkschaftsmitglieder möchten den Kommissar bitten, Druck auf die Regierungen auszuüben, damit diese die Kriterien für Sozialpolitik und Beschäftigung akzeptieren, wie sie in Kapitel 19 des gemeinschaftlichen Besitzstandes festgelegt sind.

Eines der Themen, mit denen sich die Länder des Westbalkans gegenwärtig auseinandersetzen müssen, ist der Braindrain: Arbeitnehmer, insbesondere junge Menschen, verlassen das Land, um im Ausland zu arbeiten. Auf diese Art und Weise wird Fachwissen exportiert, das auch im Heimatland benötigt werden würde. Ein Sektor, der besonders unter Braindrain leidet, ist das Gesundheitswesen. Ein wichtiger Problemfaktor sind die von den EU-Mitgliedstaaten organisierten Ausbildungskurse. Anstatt nach Abschluss dieser Ausbildungen in ihr Heimatland zurückzukehren, bleiben die Arbeitnehmer lieber in den Ländern, in denen sie diese Kurse besucht haben. Hier muss eine Politik entwickelt werden, mit der die Arbeitnehmer davon überzeugt werden können, in ihren Heimatländern zu bleiben und ihren Beruf dort auszuüben. Darüber hinaus sollten die EU-Mitgliedstaaten davon absehen, Arbeitnehmer aus den Ländern des westlichen Balkans „indirekt" zur Arbeit in ihrem Land einzuladen.

Weitere Fragen betrafen die Notwendigkeit einer Beschleunigung des Beitrittsprozesses, die Beteiligung der Gewerkschaften an den Diskussionen über die Reform des öffentlichen Sektors, die Verbesserung der Praxis des sozialen Dialogs auf lokaler und regionaler Ebene, die Möglichkeit, allen repräsentativen Gewerkschaften die Teilnahme am sozialen Dialog zu ermöglichen.

Schlussfolgerungen

Damit diese Länder zu einem attraktiven Ziel für ausländische Investoren werden, die Arbeitsplätze schaffen, sollten sie auf die Verwirklichung bestimmter Ziele hinarbeiten, nämlich die Errichtung der Rechtsstaatlichkeit, die Unabhängigkeit der Justiz, die demokratische Entscheidungsfindung im Parlament, die Achtung der Menschenrechte, die religiöse Toleranz und die Korruptionsbekämpfung.

Treffen mit Kommissar Hahn

Hahn: Alle sechs Westbalkanländer sollten die gleichen Aussichten auf einen Beitritt zur EU haben. Aussage: „Die EU wird keine offenen Konflikte importieren.“

Laut EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn sollten alle sechs Westbalkanländer die gleichen Aussichten auf einen Beitritt zur Europäischen Union haben. Auch wenn es als „unwahrscheinlich" gilt, dass alle sechs Länder des Westbalkans gleichzeitig der EU beitreten werden, erklärt Hahn vor einem Treffen der europäischen Gewerkschaften in Wien, dass, wenn das erste Land dieser Region der Union beitritt, das sechste Land bereits über die gleichen „realistischen Perspektiven" verfügen sollte.

Gleichzeitig betont der österreichische EU-Kommissar und ÖVP-Politiker deutlich, dass die Europäische Union keine „offenen Konflikte importieren" wird. „Jedes Land muss die bilateralen (...) Konflikte mit seinen Nachbarn lösen." Die EU würde „den größten Druck während der Verhandlungen" auf diese Länder ausüben können, hat aber dann „fast keinen Einfluss mehr, sobald ein Land Mitglied geworden ist". Die Europäische Union will keineswegs erleben, dass „ein neues Mitglied es vor unangenehme Überraschungen stellt".

Ähnlich klare Forderungen an die Adresse der Beitrittskandidaten haben bereits „dynamische Auswirkungen" gehabt, sagt Hahn. Er verweist auf das Abkommen, das Anfang des Jahres zwischen Mazedonien und Griechenland zustande kam und das den jahrzehntealten Namensstreit beilegen soll. Er hofft, dass die EU die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen für das künftige „Nord-Mazedonien" und Albanien im Laufe des Sommers 2019 billigen wird.

Auf die Frage, wie die Aussichten auf einen EU-Beitritt des Landes Ukraine aussehen, reagierte der Kommissar eher zögerlich. „Man sollte über die nächsten beiden Schritte nachdenken, bevor man an den zwanzigsten denkt", erklärt er. Obwohl er eine Beitrittsperspektive des osteuropäischen Landes nicht grundsätzlich ausschließt, warnt er auch davor, „Erwartungen zu wecken, die kurz- oder mittelfristig nicht erfüllt werden können".

Hahn verweist auch auf den sich wieder verschärfenden Konflikt zwischen Serbien und dem Kosovo aufgrund der vom Kosovo auf serbische Waren erhobenen 100%igen Zölle. „Das ist kein Beitrag zu Stabilität und (....) Wohlstand in der Region." Anfang dieser Woche war der EU-Kommissar zu Gesprächen über dieses Thema in Belgrad und Pristina. Die Einführung von Zöllen durch das Kosovo „hat bestätigt, wie prekär die Lage in der Region noch ist".

Der Kommissar zeigt sich kritisch über den Umgang vieler Länder mit dem Thema der Korruptionsbekämpfung. Wenn man die eingereichten Listen mit den Verurteilungen anschaut, kriegt man oft das Gefühl, dass die „kleinen Fische“ vorrangig verfolgt werden und kaum Maßnahmen gegen die „großen Fische" auf höherer oder höchster Ebene ergriffen werden. Und wenn dies doch mal der Fall sein sollte, dann dürfen die Betroffenen das Land verlassen, „in einer Weise, dass alle nationalen Parteien ihre Mitarbeit dazu leisten, in einem Umfang, den ich mir in anderen Bereichen wünsche", führt Hahn ironisch aus und spielt dabei eindeutig auf die jüngste Flucht des verurteilten mazedonischen Ex-Premierministers Nikola Gruevski nach Ungarn an.

Der EU-Kommissar appelliert an die Länder des Westbalkans, dafür zu sorgen, dass ethnische Unterschiede zukünftig keine „Trennlinien" in der Gesellschaft schaffen und dass die Menschen ihre Identität nie leugnen oder aufgeben müssen. Mehr denn je zählt der grundlegende EU-Leitspruch „in Vielfalt geeint", betont Hahn. Solche Spannungen sollten „in etwas Positives umgewandelt werden".

Der EU-Erweiterungskommissar spricht auf einer Sitzung von Eurofedop, der Europäischen Föderation der Öffentlich Bediensteten. Vorsitzender ist Fritz Neugebauer. Mehrere Gewerkschaftsfunktionäre der westlichen Balkanländer (Serbien, Montenegro, Mazedonien (FYROM), Kosovo (Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates), Bosnien und Herzegowina, Albanien), die an dem Treffen teilnehmen, weisen in ihren Bemerkungen auf die in ihren Ländern bestehenden Probleme wie den Braindrain, die Schwierigkeiten bei der rechtlichen Anerkennung als Gewerkschaft oder die in vielen Bereichen bestehende Rechtsunsicherheit hin.

Hahn verspricht, konkrete Forderungen der Gewerkschaftsvertreter in die anstehenden Verhandlungen einzubeziehen, an denen er beteiligt sein wird. Auf immer wiederkehrende Fragen zum Thema „durch die EU ausgeübter Druck" auf die Regierungen zur Umsetzung der einen oder anderen Forderung muss er jedoch antworten, dass die EU „keinen Idealstaat schaffen kann". Was die EU tun kann, ist „zur internen Übernahme der europäischen Werte beizutragen". Die Umsetzung ist jedoch Aufgabe der einzelnen Beitrittskandidaten.