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Startseminar 2017: Schwerpunkte des Europäischen Sozialen Dialogs

Der Wandel von Arbeitnehmerorganisationen in einem sich verändernden soziopolitischen Umfeld in Europa war Schwerpunktthema des EZA-Startseminars, das vom 30. November bis 1. Dezember 2017 in Kopenhagen / Dänemark stattfand und in Zusammenarbeit mit Krifa (Kristelig Fagbevægelse) und mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union organisiert wurde.

Rund 100 Vertreter christlich-sozialer Arbeitnehmerorganisationen aus 26 europäischen Ländern trafen sich, um sich hierüber und über die zentralen Themen des EZA-Bildungsprogramms 2018 auszutauschen.

Philippe Pochet, Generaldirektor von ETUI, unterstrich in seinem Grußwort, wie wichtig eine gute Zusammenarbeit zwischen EZA und ETUI sei. Er forderte eine klare soziale gewerkschaftliche Strategie, um ein Gleichgewicht zwischen sozialen und wirtschaftlichen Belangen wiederherzustellen. Mit Blick auf die Politik der aktuellen Europäischen Kommission (Säule sozialer Rechte, u.a.) appellierte er an die Teilnehmer, das derzeit offene Zeitfenster zu nutzen, um die soziale Dimension Europas voranzubringen.

Sozialer Dialog in Europa

Jörg Tagger, kommissarischer Referatsleiter „Sozialer Dialog“ der Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Integration der Europäischen Kommission, gab einen Überblick über die historische Entwicklung und die Strukturen des Sozialen Dialogs auf europäischer Ebene, seinen aktuellen Zustand sowie einen Ausblick auf die kommenden Jahre. Tagger unterstrich das Engagement der aktuellen Kommission für die soziale Dimension der EU. Mit dem „New Start for Social Dialogue“ habe erstmals der soziale Dialog Eingang in ein Beschlusspapier des Rates gefunden.Eine aktive Mitarbeit von Seiten der Sozialpartner sei wichtig, damit der Soziale Dialog funktionieren könne.

In der Diskussion stellten die Arbeitnehmervertreter klar, genau diese Mitarbeit der Sozialpartner würde in der Praxis durch die Europäische Kommission immer wieder behindert, und belegten dies an konkreten Beispielen, wie einer immer noch ausstehenden Einigung im Frisörhandwerk. Die Europäische Kommission müsse – beispielsweise im Rahmen der Beitrittsverhandlungen mit den Staaten des Westlichen Balkans – stärker darauf dringen, dass bestehende Arbeitsgesetze auch angewandt würden. Den gerade abgeschlossenen Vereinbarungen zur Europäischen Säule sozialer Rechte standen die Teilnehmer teils positiv, teils skeptisch gegenüber, handele es sich doch nur um eine unverbindliche Säule, die eher Symbolwert habe. Sie müsse nun unbedingt mit Leben erfüllt werden.

Wandel von Arbeitnehmerorganisationen vor dem Hintergrund von atypischer Arbeit – Arbeitsplatzzufriedenheit – Cybergewerkschaften

Die Rolle, die atypische Arbeit, Arbeitsplatzzufriedenheit und Cybergewerkschaften bei den derzeit stattfindenden Veränderungen in der Arbeitswelt haben‚ wurde in drei Impulsreferaten mit anschließender Diskussion beleuchtet.

Maria Mihaela Darle (Cartel Alfa) zeigte auf, dass atypische Arbeit, die oft ohne Arbeitsvertrag geleistet wird, zur Folge hat, dass es für die entsprechenden Arbeitnehmerorganisationen vielfach keine genau definierte „Gegenpartei“ gibt und es somit unklar ist, wie dort Sozialer Dialog in Gang gebracht werden kann. Es gehe also unter anderem darum, atypische Arbeit sichtbar zu machen.

Søren Filbert (Krifa) charakterisierte die Entwicklung von Arbeitsplatzzufriedenheit als neue Aufgabe für Arbeitnehmerorganisationen. Angesichts von immer häufiger auftretendem Stress und Burnout im Arbeitsleben müsste solchen Gesundheitsrisiken nicht nur mit einer Notfallversorgung begegnet werden, sondern durch das Eintreten für Arbeitsplatzzufriedenheit im gesamten Arbeitsleben vorbeugend dafür gesorgt werden, dass dauerhaft gute Arbeitsbedingungen entstehen.

Cybergewerkschaften, so Professor Viorel Rotilă (FSSR), können eine Antwort sein auf die digitalen Herausforderungen, die nicht nur die Arbeitswelt betreffen, sondern auch die Arbeitsweise von Arbeitnehmerorganisationen. Sie böten ein zusätzliches Instrumentarium, damit die Gewerkschaften in der Lage sind, auch in der virtuellen Welt tätig sein zu können.

In der Diskussion wurde deutlich, dass Arbeitnehmerorganisationen sich zwar dem digitalen Wandel anpassen müssten, dabei aber nicht vergessen dürften, dass der menschliche Kontakt nach wie vor eine entscheidende Rolle spielt. Im EZA-Netzwerk mit seinen christlichen und humanen Werten, dürfe genau diese Basis nicht verloren gehen. Klar wurde auch, dass die virtuelle Ausrichtung von Gewerkschaften eher jüngere Leute ansprechen würde, sich dadurch aber die Möglichkeit biete, sich neuen Zielgruppen zu öffnen. Unterstrichen wurde auch, dass es sich dabei nicht um ein „Entweder-Oder“ handelt, sondern um ein „Auch“.

Das Thema Arbeitsplatzzufriedenheit wurde später von Kurt Bech, Leiter Unternehmensdienstleistungen bei Krifa, wiederaufgenommen. Er stellte den Dänischen Arbeitszufriedenheitsindex GAIS vor, in dem Arbeitnehmer ihre eigene Firma bewerten. Zwei Leitfragen bestimmten Bechs Ausführungen: Schließen sich Arbeitsplatzzufriedenheit und Tarifverträge aus? Ist Dialog das Gegenteil von Streik? Bech definierte als Kernaufgaben der Gewerkschaften die Schaffung guter Arbeitsplätze, besserer Lebensumstände und von mehr Arbeitsplatzzufriedenheit. Er sah allerdings auch, dass in vielen Regionen Europas der Kampf um Mindestlöhne und ein Minimum an sozialen Standards derzeit noch Priorität habe.

500 Jahre Luther

In seinem sozialethischen Vortrag anlässlich des Lutherjahrs bezeichnete Professor Asger Christian Højlund von der Lutherischen Hochschule für Theologie Aarhus / Dänemark, Gewerkschaften als wichtigen Teil des Netzes, das Gott brauche, damit seine Schöpfung nicht auseinanderbricht. In der Arbeit der Gewerkschaften, nicht nur für die eigenen Rechte zu kämpfen, sondern für die Rechte und das Leben der anderen, sowie in deren Streben, gute Lebensbedingen zu schaffen bzw. sie zu verbessern, sah er einen Ausdruck von Gottes Fürsorge, die Armen vor Ausbeutung zu schützen.

EZA-Bildungsprogramm 2018

Wichtiges Charakteristikum des EZA-Bildungsprogramms 2018, so Matthias Homey, wissenschaftlicher Mitarbeiter von EZA, ist die weiter intensivierte thematische Vernetzung der Bildungsaktivitäten. Einen Eckpunkt wird hierbei die Seminarreihe zu den Strategien europäischer Institutionen bilden, in deren Rahmen die Projekte zum Themenschwerpunkt „Kapazitätsaufbau“ wissenschaftlich begleitet werden. Außerdem wird es 2018 Projektkoordinierungen zu den Themen „Neue Arbeitsbeziehungen: Digitalisierung und Gewerkschaftsstrategien“, „Qualität der Arbeit“, „Europäische Säule sozialer Rechte“ sowie „Arbeiten und leben in einer digitalisierten Welt“ geben.

Agora – EZA-Vernetzungsbörse

Die diesjährige Agora diente dazu, den Mitgliedern einen besseren Überblick zu bieten, welche Organisation an welchem Thema arbeitet, und mögliche Partner zusammenzubringen.

In seinem Schlusswort dankte EZA-Präsident Bartho Pronk allen am Startseminar Beteiligten für ihr Engagement. Er hob nochmals besonders auf die digitalen Herausforderungen in der Arbeitswelt ab und bezeichnete die Gig-Wirtschaft als Sackgasse.