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Wirksame Kommunikationsstrategien für Gewerkschaften II – Kampagnenführung

Ein Seminar mit dem Titel „Wirksame Kommunikationsstrategien für Gewerkschaften II – Kampagnenführung“ wurde in Zusammenarbeit mit TUC NESAVISNOST und mit Unterstützung von EZA und der Europäischen Union vom 11. bis 12. April 2019 in Budapest (Ungarn) vom Gewerkschaftsbund MOSZ (Munkástanácsok Országos Szövetsége) organisiert. Das Seminar war Teil des EZA-Sonderprojektes für Arbeitnehmerorganisationen im Westlichen Balkan „Sozialen Dialog stärken – Europäische Integration gestalten”.

Die Veranstaltung folgte auf das Seminar zum Thema Kommunikation, das im April 2018 stattgefunden hatte. In diesem Jahr haben wir uns nicht nur sehr umfangreich dem Thema angenähert, sondern wir haben auch über genaue Aktionspläne gesprochen, die diejenigen Faktoren berücksichtigen, die Gewerkschaften in der aktuellen Medien- und Politiklandschaft bei der Ausführung einer Gewerkschafts-kampagne effektiv nutzen können.

Am Seminar nahmen 33 Vertreter von Arbeitnehmerorganisationen aus Ungarn, Serbien, Tschechien, Nordmazedonien und Rumänien teil. Imre Palkovics, Vorsitzender des MOSZ, eröffnete die Veranstaltung mit den folgenden Worten: „Die Zusammenarbeit zwischen dem MOSZ und TUC NESAVISNOST blickt auf eine lange Geschichte zurück, zahlreiche erfolgreiche Projekte wurden umgesetzt, die vom EZA unterstützten Seminare haben eine echte und lebendige Verbindung zwischen den beiden Organisationen entstehen lassen, es besteht ein ständiger Informations-austausch, insbesondere im Hinblick auf die Abteilung Vojvoda der Gewerkschaft und des MOSZ. Es handelt sich hierbei um eine echte Partnerschaft, da auch wir viele Informationen und Ideen von unseren serbischen Kollegen erhalten, die in die Gewerkschaftsarbeit eingebaut werden können. Die Zukunft hält dennoch Herausforderungen für uns bereit, da Serbiens Beitritt zur Europäischen Union die Frage der Arbeitskräftemobilität weiter auf die Tagesordnung bringen wird, wofür eine gemeinsame Vorbereitung notwendig ist.“ Imre Palkovics weiter: „Es liegt im Interesse Ungarns, dass Serbien möglichst bald der EU beitritt, und wir stehen unseren serbischen Kollegen für betreffende Fragen jederzeit gerne zur Verfügung.“

Dragan Milanovic, Vize-Präsident von TUC NEZAVISNOST ergänzte: „Der Begriff ‚Strategie‘ kommt aus der Militärsprache, ist ein griechisches Wort und wurde ursprünglich in der Kriegsführung verwendet. Er beschreibt die Kunst, einen Krieg zu gewinnen und bezog sich auf die Mobilisierung und Bereitstellung von Truppen.“ Er bedankte sich dementsprechend dafür, „in die Armee aufgenommen worden zu sein“, und sagte: „Dieses Mal impliziert der Begriff eine ernsthaftere Form der Zusammen-arbeit, nämlich die Erstellung eines Aktionsplanes, der echte Ergebnisse liefert.”

Nach der Vorstellung der Teilnehmer hielt Tamás Lánczi, Politikwissenschaftler und Direktor des XXIst Century Institute, seinen Vortrag, in dem er die Struktur der sieben Punkte von Kampagnenstrategien erläuterte. Die Struktur politischer Wahlkämpfe kann auch auf Gewerkschaften angewendet werden, da es hier – wie auch in jeder demokratischen Institution – Kandidaten gibt und es für Gewerkschaften im vorwiegenden Interesse liegt, die geeignetsten Kandidaten für die Leitung der Organisation zu wählen.

Die sieben Punkte umfassen Folgendes: 1. Bestimmung eines Kampagnenleiters (es ist wichtig, dass es sich beim Kampagnenleiter und beim Kandidaten nicht um dieselbe Person handelt), 2. Kampagnen müssen immer durch Forschung vorangetrieben werden: qualitative und quantitative Forschung, und es ist auch wichtig, die Stärken und Schwächen des Gegners zu erfassen, 3. Planung von Werbeanzeigen (kostenfreie und kostenpflichtige Anzeigen), 4. Knüpfung von Verbindungen zur Presse, 5. Zeitplanung, 6. Suche nach Koalitionsfeldern, Allianzen 7. Entwicklung kreativer Lösungen.

Ausgehend von den Kommentaren der Teilnehmer wurde deutlich, dass Gewerkschaften in der Regel keinerlei Wahlkampfstrategie anwenden, dass Mitglieder üblicherweise wenig bis fast überhaupt keine Informationen über die Kandidaten für Leitungspositionen erhalten. Es ist nicht üblich, dass Kandidaten tatsächlich irgendwelche Kampagnenmaßnahmen anwenden. Und wenn Mitglieder die neuen Kandidaten nicht gut kennen, wählen sie häufig lieber eine bereits bestehende Leitungsperson oder, falls diese die Organisation verlässt, jemanden, den diese Person ihnen empfohlen hat.

Anschließend stellte Dragan Milanovic, Vize-Präsident von TUC NESAVISNOST und selbst im Bereich Kommunikation aktiv, eine Fallstudie vor. Er zeigte ein T-Shirt, das für den 1. Mai erstellt wurde und auf dem ein QR-Code aufgedruckt war, der zu einem Link führte, unter dem ein Werbevideo abgespielt wurde. In diesem Video waren auf lustige Art und Weise die Hauptziele von TUC NESAVISNOST zu sehen.

Zoltán Kiszelly, Experte im Bereich Kampagnenführung, näherte sich dem Thema der Gewerkschaftskampagnen von einer politischen Beratungsperspektive. Davon ausgehend fand er es wichtig, dass hinter allen Gewerkschaftskampagnen ein echtes Ziel und ein echtes Ereignis stecken sollten. Er hielt einen gezielten Druck auf Arbeitgeber für das wichtigste Ziel. Er berichtete über den erfolgreichen Streik am ungarischen Standort des AUDI-Werkes, der für verschiedene Standorte von Automobilherstellern in Ungarn eine Lawine ins Rollen brachte. Als Antwort auf eine der Fragen sagte er, dass er keine Möglichkeit sehe, dass ein Streik oder sonstiger Druck im Sektor der öffentlichen und staatlichen Unternehmen Erfolg haben würde. Seiner Meinung nach könne der Mangel an Arbeitskräften innerhalb dieser Sektoren den Arbeitgeber dazu zwingen, Arbeitsbedingungen zu ändern und Löhne zu erhöhen. An dieser Stelle könnten Gewerkschaften, die vorbereitet sind und die richtigen professionellen Unterlagen besitzen, die wichtige Rolle eines „Interessen-Maklers“ übernehmen.

Im Anschluss an diesen Vortrag sprach Cedomir Erdelj, Präsident der Jugend-abteilung der TU Vojvodanska Bank, der seine Erfahrungen teilte.

Die Teilnehmer diskutierten über die Anwendbarkeit von Social Media-Tools, insbesondere von Facebook, auf die Gewerkschaftsarbeit. Einer der Kollegen berichtete, dass sie Facebook aktiv für die Organisation von Gruppen und Gemeinschaften nutzten, es sei für eine schnelle Kommunikation und Interaktivität sehr effizient. Andere sind der Meinung, dass es die Qualität der Medien herabsetzen würde: heutzutage könne sich jeder/jede für einen Reporter halten, nur weil er/sie etwas auf Facebook postete. Es wurde eine Stellungnahme formuliert, dass Facebook sich in privatem Besitz befinde, einen US-amerikanischen Eigentümer habe und daher seine Inhalte selbst bestimme, was allgemein die Unabhängigkeit der Medien verschlechtere. Betreffend die Unabhängigkeit der Medien wurde gesagt, dass wir heutzutage die politische Verpflichtung aller Medien durch ihre Eigentümer erlebten und dass dementsprechend die zuvor genannten freien und unabhängigen Medien überhaupt nicht mehr existierten. Gewerkschaften müssten ihre Interessen und die potenziellen Medienmitarbeiter zu verschiedenen Themen festlegen.

Erzsébet Tóth-Bátori, Präsidentin des Kreisausschusses Vojvoda, berichtete über Gewerkschaftskampagnen in multikulturellen und multi-ethnischen Gemeinschaften.

Darüber hinaus informierte Gergely Szabácsik, Experte im Bereich Online-Marketing, die Teilnehmer über die neuesten Online-Marketing-Trends und -Preise, die für Gewerkschaftskampagnen verwendet werden können.

Dr. Iván Sibalin, Abteilungsleiter des Staatssekretärs für strategische Analysen, Büro des Premierministers, hielt seinen Vortrag über die Methoden der staatlichen Strategieentwicklung sowie über die Aufrechterhaltung des Kontakts mit Gewerkschaften.