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Die Rolle der Arbeitnehmerorganisationen bei der Umsetzung der Europäischen Säule sozialer Rechte, Chancengleichheit und Zugang zum Arbeitsmarkt, die Zukunft eines sozialen Europas

Vom 28. bis 30. Oktober 2019 nahmen 30 Mitglieder spanischer und europäischer Gewerkschaften und Arbeiternehmerverbände an einem Seminar von USO – CCFAS (Unión Sindical Obrera – Centro Confederal de Formación y Acción Social) in Madrid, Spanien teil. Das Seminar hatte den Titel „Die Rolle der Arbeitnehmerorganisationen bei der Umsetzung der Europäischen Säule sozialer Rechte, Chancengleichheit und Zugang zum Arbeitsmarkt, die Zukunft eines sozialen Europas“ und wurde unterstützt von EZA und der Europäischen Union.

Die Eröffnungsrunde wurde von Begoña Suárez moderiert, stellvertretende Generaldirektorin für Unternehmertum, Gleichbehandlung in Unternehmen und Tarifverhandlungen von Frauen des Fraueninstituts Instituto de la Mujer. Sie wies auf die mangelnde Gleichbehandlung von Frauen in der Gesellschaft hin, auf weiterhin bestehende typische Frauenbranchen und einen geschlechtsspezifischen Lohnunterschied von 14 %. Sie sprach sich dafür aus, „diese Geschlechterstereotype abzulegen, die dafür sorgen, dass wir den Tätigkeiten von Männern und Frauen einen unterschiedlichen Wert zuschreiben.“

María Reina Martin, Vizepräsidentin des EZA, die ebenfalls in der Eröffnungsrunde dabei war, erklärte, warum die USO als Thema für dieses Seminar die Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt ausgewählt hatte: „…es ist noch ein langer Weg bis zu einer tatsächlichen Gleichbehandlung von Mann und Frau beim Zugang zum Arbeitsmarkt und, wenn wir ein soziales Europa wollen, müssen wir gemeinsam daran arbeiten, dieses Ziel zu erreichen.“

Die Sekretärin für Gewerkschaftliche Bildung und Gleichbehandlung der USO, Dulce Moreno, betonte ihrerseits in der Eröffnungsrunde, dass „noch viel zu tun ist, um diese theoretische Gleichberechtigung beim Zugang zum Arbeitsmarkt, die in der Gesetzgebung verankert ist, in die Realität zu befördern, sowohl am Arbeitsplatz als auch im täglichen Leben.“

Im ersten Modul des Seminars präsentierte Professor Jozef Pacolet von HIVA - Onderzoeksinstituut voor Arbeid en Samenleving aus Belgien eine Studie zum Thema „Die europäische Säule sozialer Rechte, das außerordentliche Ziel eines sozialen Europas“ und weist auf die zentrale Rolle Europas bei der Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte hin.

Im Laufe dieser drei Tage wurden eine Reihe verschiedener Vorträge von nationalen und internationalen Vertretern von Gewerkschaften und Organisationen gehalten, wie z.B. des Consejo Estatal de Discapacidad (Staatlicher Behindertenrat), der Versicherung Muprespa, dem Instituto Nacional de Seguridad y Salud en el Trabajo (Nationales Institut für Sicherheit und Gesundheit von Arbeitnehmern), ARHOE (Nationale Kommission für die Rationalisierung von Arbeitszeiten), der Federación de Mujeres Progresistas (Bund progressiver Frauen), der Fundación Secretariado Gitano (Stiftung für die Belange der Sinti und Roma), der FELGTB (Staatlicher Verband von Lesben, Schwulen, Transsexuellen und Bisexuellen) oder der Asociación de Mujeres Inmigrantes Ariperú (Verband der Migrantinnen).

Am zweiten Tag des EZA-Seminars ging es hauptsächlich um die Belange der Frau. Das Thema wurde in drei Module eingeteilt. Das erste Modul mit dem Titel „Der Einsatz der europäischen Gewerkschaften für Chancengleichheit und die Beteiligung, Integration und Mitwirkung von Frauen in Gewerkschaften“ wurde von Karmen Sok, Veselina Starcheva und Dulce María Moreno geleitet.

„In Slowenien ist die Beschäftigungsquote bei Frauen geringer als bei Männern. Im Allgemeinen kümmern sich die Frauen um Kinder und Haushalt“, erklärt Karmen Sok von ZD NSi. Strarcheva de PODKREPA fügte ihrerseits hinzu, dass Bulgarien ein sehr industrialisiertes Land sei, das ein starkes Wachstum verzeichne. Die Anzahl der Erwerbstätigen liege bei 62 %. „Für Frauen besteht ein 47 % höheres Risiko, in Autounfällen schwere Verletzungen zu erleiden; zudem sind sie stets diejenigen, die sich an vorderster Front für Menschenrechte einsetzen“, erklärte Strarcheva.

Im zweiten Modul am Morgen hielten José Luis Casero und María Reina Martín Vorträge zum Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie bzw. zur Work-Life-Balance in Portugal und Spanien. Casero, der Präsident von ARHOE, erklärte, dass Spanien im europäischen Vergleich an viertletzter Stelle stehe, was die Vereinbarkeit von Beruf und Familie angehe, noch hinter Ländern wie Malta oder Zypern. „Und noch dazu sind wir führendes Land beim Schulversagen. Wie es aussieht, machen wir etwas falsch.“ Marìa Reina Martín von Fidestra wies darauf hin, dass Frauen in der portugiesischen Arbeitswelt sehr viel mehr sanktioniert werden als Männer.

Rosa María Durango und Bilbi Kasmi hielten die Vorträge des letzten Moduls an diesem Vormittag. Sie sprachen über die Auswirkungen der Gehaltsunterschiede und der Lohngerechtigkeit für erwerbsstätige Frauen heute und in Zukunft. „Immer noch wird darüber diskutiert wird, ob ein Lohngefälle existiert oder nicht, aber 73 % der Männer und 91% der Frauen glauben daran... Dennoch sind sich längst nicht alle dieses Problems bewusst“, meint Durango, Beauftragte für den Bereich Arbeit, Bildung und Gleichbehandlung der Federación de Mujeres Progresistas.

Am Nachmittag sprach die Sekretärin der Acción Sindical y Salud Laboral (Gewerkschaftliche Arbeit und Gesundheit am Arbeitsplatz), Sara García, in ihrem Vortrag über das digitale Abschalten und dessen Regelung in der spanischen Gesetzgebung und in drei weiteren EU-Ländern sowie über Tarifverhandlungen. Der Sekretär der Acción Internacional y Desarrollo Sostenible (Internationale Zusammenarbeit und nachhaltige Entwicklung), Javier de Vicente, referierte über die Situation der Frau in den Institutionen der EU sowie über Maßnahmen zur Reduzierung des Gender Gap in diesen Institutionen.

Zum Abschluss des Tages widmeten Mirian Fernández von der Fundación Secretariado Gitano, Rosario Zanabria von Ariperú und Raquel Centeno von der FELGTB die letzte Diskussionsrunde des EZA-Seminars der Beschäftigungssituation von schutzbedürftigen Gruppen wie Sinti und Roma, Migranten und den LGTBI.

Der Generalsekretär der USO, Joaquín Pérez, die Sekretärin für Gleichbehandlung, Dulce Moreno, sowie der Bereichsleiter Jugend der USO, Pablo Trapero, schlossen die Vortragsreihe dieses internationalen Bildungsseminars des EZA. Pérez zeigte sich zufrieden mit der aktiven Teilnahme an diesen ersten beiden Tagen, in denen Vorträge und Debatten auf dem Programm standen. Er ist überzeugt, dass „die Zusammenarbeit von Gewerkschaften und Sozialverbänden dazu beitragen wird, dass die Gleichbehandlung von Frauen und Männern beim Zugang zum Arbeitsmarkt in einigen Jahren tatsächlich Realität wird.“

Als Schlussfolgerung aus dem Seminar nehmen wir mit, dass es nach wie vor notwendig ist, Frauen generell stärker in die Arbeitnehmerverbände zu integrieren, da an den Verhandlungstischen die Rechte der Frau in den Unternehmen und den Arbeitnehmerverbänden durchgesetzt werden. Es ist zudem noch ein weiter Weg hin zur Eingliederung der Frau in alle Bereiche unserer Gesellschaft, denn die Rolle der Betreuerin, die der Frau traditionell immer zugesprochen wurde, sorgt dafür, dass sie in der Familiengründungsphase ihren beruflichen Werdegang zurückstellt und in manchen Fällen sogar für immer aus dem Arbeitsmarkt ausscheidet. Diese Rolle der Betreuerin oder Pflegerin, unabhängig davon, ob es um die eigenen Kinder oder um andere Familienmitglieder geht, macht es erforderlich, Arbeitszeiten zu reduzieren, was zu einer geringeren Bezahlung und in der Zukunft zu viel geringeren Rentenzahlungen als bei Männern führt und dementsprechend zu einem größeren Risiko, ins gesellschaftliche Abseits zu geraten. Hinsichtlich des Lohngefälles zeigt sich, dass Gehaltsunterschiede bei Männern und Frauen weiterhin bestehen, so dass Frauen symbolisch ab dem 4. November bis zum Ende des Jahres eigentlich nichts mehr verdienen. Zudem hören wir auch weiterhin von alarmierenden Daten hinsichtlich einer gläsernen Decke, sowohl in den europäischen Institutionen als auch in den Vorständen großer Unternehmen, bei denen der Frauenanteil nicht mehr als 40 % beträgt.

Daher denken wir, dass die europäische Säule sozialer Rechte sich heute mehr denn je dafür einsetzen muss, dass wirksame Maßnahmen ergriffen werden, um die Mitgliedstaaten dazu zu bringen, das geschlechtsspezifische Lohngefälle, die gläserne Decke und sämtliche Ungerechtigkeiten zwischen Männern und Frauen innerhalb der Europäischen Union zu beenden. Ebenso sind Gewalt und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz sowie die prekären Beschäftigungsverhältnisse typisch weiblicher Berufe (z. B. in der Betreuung, Gebäudereinigung oder Pflege) genauer zu betrachten – denn hier werden arbeitsrechtlicher Schutz und die Gesundheit von Frauen auf der ganzen Welt häufig mit Füßen getreten.