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Die Integration von Migranten und Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt – die Rolle von Arbeitnehmerorganisationen

Mit dem Thema „Die Integration von Migranten und Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt – die Rolle von Arbeitnehmerorganisationen” beschäftigte sich am 18. und 19. Oktober 2018 ein Seminar, das – mit Unterstützung von EZA und der Europäischen Union – vom europäischen Begegnungszentrum der polnischen Stiftung Nowy Staw ausgerichtet worden war.

Das Seminar sollte seine Teilnehmer mit globalen wie lokalen Aspekten und Dimensionen des Migrationsphänomens vertraut machen und die mit der Migration verbundenen Probleme und Herausforderungen ebenso identifizieren wie die Beiträge, die Arbeitnehmerorganisationen zu ihrer Lösung leisten können.

Das Seminar erhielt besondere Bedeutung durch die Dringlichkeit der Aufgabe, Migranten in die europäischen Arbeitsmärkte zu integrieren. EZA-Präsident Bartho Pronk lenkte die Aufmerksamkeit der Seminarteilnehmer auf die Herausforderungen, die im Zusammenhang mit dem Konflikt in der Ukraine sowie mit der steigenden Zahl von Migranten aus Südamerika, Afrika und Syrien entstanden sind. Das vorrangige Ziel des Seminars war es, ein Forum für den Austausch von Erkenntnissen und vorbildlichen Praktiken zur Entwicklung einschlägiger Lösungen in West-, Ost- und Südeuropa zu bieten.

Das thematische Spektrum des Seminars umfasste regionale und lokale Strategien für die Integration von Migranten und Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt, die Arbeitnehmerrechte von Asylbewerbern und Einwanderern, die Rolle von Gewerkschaften und regierungsunabhängigen Organisationen bei der Integration von Migranten und Flüchtlingen sowie die langfristigen Auswirkungen der Migration auf die betreffenden Volkswirtschaften.

Im Zuge der Diskussionen wurde von den Seminarteilnehmern immer wieder die Bedeutung des freien Verkehrs der Arbeitnehmer innerhalb Europas unterstrichen. Ebenso häufig wurde darauf hingewiesen, dass sich das Ausmaß der Migration in den unterschiedlichen Regionen Europas voneinander unterscheidet und von unterschiedlichen Variablen – z.B. der geographischen Lage, der wirtschaftlichen Situation und dementsprechend des Bedarfs an Arbeitskräften – bestimmt wird.

Josep Calvo Garcia aus Spanien skizzierte die verschiedenen Methoden zur Rekrutierung von Migranten für Arbeitsplätze mit niedrigem Qualifikationsniveau und sprach in diesem Zusammenhang die Probleme der illegalen Einwanderung bzw. der verbrecherischen Einschleusung von Migranten an. Junge Menschen im Alter von weniger als 18 Jahren erlernten die Sprache in öffentlichen Institutionen und seien bereit, ihren Weg zu machen. Die meisten dieser Migranten planten, ihr Leben in Spanien zu verbringen. Dennoch seien viele nicht in der Lage, sich entsprechend anzupassen. Der Wille zur Integration, so Calvo Garcia, und die Bereitschaft, über den eigenen kulturellen Schatten zu springen, seien wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integration.

Das Referat von Agata Dziubińska-Gawlik machte deutlich, wie sehr sich die Situation in Spanien von den Herausforderungen unterscheidet, denen sich die Länder Ost- und Mitteleuropas im Zuge der Einwanderung aus den Konfliktgebieten der Ukraine gegenübersehen. Agata Dziubińska-Gawlik erläuterte die Problematik am Beispiel der Initiative „Gemeinsam mit der Ukraine”, in deren Rahmen regierungsunabhängige Organisationen in Zusammenarbeit mit örtlichen Behörden Hilfsleistungen für die Opfer der humanitären Krise im Donezbecken organisieren. Das Seminar identifizierte ebenfalls die Auswirkungen von Projekten zur Unterstützung von Flüchtlingen bei der Integration in Gesellschaft und Berufswelt, beim Spracherwerb, bei der beruflichen Fortbildung und beim Schritt in die Selbständigkeit. Darüber hinaus wurden spezifische Probleme und Lösungsansätze ausgegrenzter Menschen wie z.B. die Gründung sozialer Kooperativen durch ukrainische Auswanderer diskutiert.

Im Verlauf der Diskussionen über die Arbeitnehmerrechte von Migranten meldete sich Justyna Wróbel von der Stiftung Ocalenie zu Wort, die Flüchtlingen und Einwanderern in Polen auf dem Weg in ihr neues Leben Hilfestellung leistet. Justyna Wróbel skizzierte die langwierigen und komplexen Verfahren des polnischen Aufenthaltsrechts und die Probleme der Flüchtlinge bei der Beantragung von Arbeitsgenehmigungen. Maria Jose Carvallo präsentierte die Kernkriterien für menschenwürdige Arbeitsbedingungen, und Lesław Nawacki von der Kommission für Menschenrechte unterstrich, dass legalen Einwanderern laut polnischer Verfassung dieselben Arbeitnehmerrechte zustünden wie der heimischen Bevölkerung.

Im Mittelpunkt der Konferenz standen die Herausforderungen, die für Gewerkschaften und regierungsunabhängige Organisationen durch die Notwendigkeit einer Integration von Migranten und Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt entstehen. Krzysztof Dośla von der Gewerkschaft Solidarität machte auf die zahlreichen Probleme aufmerksam, die durch das Eindringen des zivilen Vertragsrechts in die Arbeitswelt und andere Formen einer „Prekarisierung“ von Arbeit entstünden. So versäumten manche Arbeitgeber gezielt den letzten Lohnzahlungstermin befristet eingestellter Migranten – kurz vor Ablauf ihrer Visa, was die Einleitung rechtlicher Schritte verhindere oder zumindest erschwere. Mit Wirkung vom Januar 2019 werde die Koalitionsfreiheit ausländischer Arbeitnehmer in Polen stark eingeschränkt, was polnische Arbeitnehmerorganisationen derzeit noch zu verhindern suchten. Maria Reina Martin aus Portugal wies auf die Relevanz funktionierender Sozialsysteme für eine erfolgreiche und wirksame Integration hin. Dies bedeute nicht, so betonte sie, dass alle, auch ungerechtfertigte Anträge auf einschlägige Leistungen zu bewilligen seien – Asylbewerber müssten verstehen, dass Rechte in einer Gesellschaft stets auch mit Pflichten verbunden seien.

Zur Sprache kamen ebenfalls die mit der Einschleusung illegaler Einwanderer verbundenen Probleme sowie Ansätze zur Entwicklung entsprechender Lösungen, u.a. die einschlägigen Maßnahmen des Hohen Kommissariats für Migration. In diesem Zusammenhang wurde auch auf die Bemühungen der portugiesischen Gewerkschaften zur Bekämpfung einer Ausbeutung illegaler und der Landessprache unkundiger Einwanderer (u.a.) durch kriminelle Organisationen hingewiesen. Illegale Einwanderer seien auch überproportional häufig gefährlichen Arbeitsbedingungen und entsprechenden gesundheitlichen Risiken ausgesetzt. Es wurde argumentiert, dass Schulung und Information die besten Instrumente zum Schutz ausländischer Arbeitnehmer vor entsprechenden Praktiken seien. Verschiedene langfristige Strategiepläne wurden vorgestellt, u.a. der laufende Plan für die Jahre 2015-2020. Maria Reina Martin sprach sich in diesem Zusammenhang für eine Dezentralisierung einschlägiger Planungen und für eine intensivierte Zusammenarbeit zwischen staatlichen Behörden und Gewerkschaften aus.

Migration hat vielfache und vielfältige Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Gesellschaft des Gastlandes. Im Rahmen des Seminars wurde immer wieder betont, dass sich die Einwanderung junger Arbeitnehmer und junger Familien positiv auf die demographische Entwicklung niederschlage. Dem gegenüber stehe – im Zeichen eines wirtschaftlichen Aufschwungs in zahlreichen Ländern des mittleren und östlichen Europas – ein Trend zur Rückkehr von Migranten in ihre Heimatländer, wie Eero Mikenberg und Janina Svediene in ihren Präsentationen an den Beispielen Estlands bzw. Litauens verdeutlichten.

Auf der Grundlage einer einschlägigen Fallstudie am Beispiel Berlins präsentierte Dr. Barbara Jaczewska von der Universität Warschau das theoretische Fundament einer Methodologie zur Integration von Migranten und Flüchtlingen. Im Verlauf der anschließenden Diskussion kamen grundsätzliche Fragestellungen („Wie können wir Integration richtig verstehen?”) ebenso zur Sprache wie praktische Aspekte („Was erwarten wir von den Migranten?“). Deutlich wurde hierbei, dass bis in die jüngere Vergangenheit hinein die Integration von Migranten als zweigleisiger Prozess der gesellschaftlichen Akzeptanz verstanden und behandelt wurde. Neuerdings aber gewinnt die Einsicht an Boden, dass eine erfolgreiche Integration eine dritte Schiene erfordert: den „Trialog“ mit dem jeweiligen Herkunftsland der Migranten.

Zwei Ortstermine dieten zur Vertiefung der Seminarinhalte. Ein Besuch des „Ukrainischen Hauses“ der Stiftung „Nasz Wybór” (Unsere Alternative) verlieh den Teilnehmern einen Einblick in die Möglichkeiten und potenziellen Probleme der praktischen Arbeit mit – in diesem Falle ukrainischen – Migranten. Und im Rahmen eines Besuches im Multikulturellen Warschauer Zentrum, das von der Hilfe-für-Somalia-Stiftung geleitet und von der Vereinigung Pro Humanum sowie der Warschauer Stadtverwaltung finanziell unterstützt wird, konnten einige unkonventionelle Methoden zur praktischen Hilfe für Flüchtlinge in Augenschein genommen werden, u.a. interkulturelle Kurse und der Betrieb eines Rundfunksenders namens Imi Radio.

Das Seminar verabschiedete den folgenden Katalog von Empfehlungen für Arbeitnehmerorganisationen:

  • Ausländischen Arbeitnehmern ist konkrete Hilfestellung am Arbeitsplatz zu leisten.
  • Migranten sind Schulungskurse am Arbeitsplatz und Beratungszentren anzubieten.
  • Sprachkurse sind einzurichten, und die Migranten müssen über ihre Rechte und Pflichten als Arbeitnehmer unterrichtet werden.
  • Diskriminierung ist zu bekämpfen.
  • Ein umfassender Austausch von Erfahrungen zwischen Arbeitnehmerorganisationen aus unterschiedlichen Ländern ist erforderlich.
  • Eine erfolgreiche Integration erfordert die Zusammenarbeit mit den Heimatländern der betreffenden Migranten.