Jedes Jahr am 9. Mai begehen die Mitgliedstaaten der Europäischen Union den Europatag - ein symbolischer Anlass zum Gedenken an die Schuman-Erklärung von 1950, die im Jahr 2025 ihr 75. Jubiläum feiert. Mit dieser Erklärung legte der französische Außenminister Robert Schuman den Grundstein für das, was später die Europäische Union werden sollte. Seine Vision war es, den Frieden dauerhaft zu sichern, die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu fördern und die politische Integration im Nachkriegseuropa voranzutreiben.
Der Europatag erinnert an die Werte der Einheit, Solidarität und Zusammenarbeit – Grundsätze, die in der heutigen Welt der globalen Krisen, der geopolitischen Spannungen und der wachsenden sozialen Ungleichheit wichtiger sind denn je. Doch über die historische Bedeutung hinaus lädt der Europatag auch zum Nachdenken darüber ein, wie diese Werte in der Praxis aufrechterhalten und gefördert werden. Ein Schlüsselmechanismus ist der soziale Dialog, der das europäische Sozialmodell untermauert.
Sozialer Dialog - ein Eckpfeiler des europäischen Modells
Der soziale Dialog bezieht sich auf den strukturierten Austausch und die Verhandlungsprozesse zwischen Arbeitgeberorganisationen, Gewerkschaften und öffentlichen Behörden auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene. Ziel ist es, sicherzustellen, dass Wirtschaftswachstum mit fairen Arbeitspraktiken und sozialer Verantwortung einhergeht - ein Balanceakt, der das Herzstück des europäischen Sozialmodells darstellt.
In der EU spielt der soziale Dialog eine entscheidende Rolle bei der Stärkung des sozialen Zusammenhalts. Er trägt dazu bei, dass sich die sozialen Standards weiterentwickeln und nicht unter wirtschaftlichem Druck erodieren. Im Laufe der Jahre hat dieser Prozess zu konkreten Ergebnissen geführt, z. B. zu europäischen Rahmenvereinbarungen über Telearbeit (2002), arbeitsbedingten Stress (2004), integrative Arbeitsmärkte (2010), aktives Altern (2017) und, in jüngerer Zeit, Digitalisierung (2020). Diese von den europäischen Sozialpartnern ausgehandelten Vereinbarungen zeigen, wie der Dialog zu greifbaren Verbesserungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen führen kann.
Herausforderungen und politische Realitäten
Der soziale Dialog steht heute vor neuen Herausforderungen. Die Digitalisierung, der Klimawandel und die sich verändernde globale Dynamik verändern die Welt der Arbeit. Aber vielleicht noch dringlicher als der technologische Wandel ist das politische Klima selbst. Sowohl in der EU als auch auf internationaler Ebene räumt die politische Führung der Rolle der Sozialpartner nicht immer Priorität ein oder schätzt sie nicht. Dies kann die Grundlagen des europäischen Sozialmodells in einer Zeit schwächen, in der eine starke Zusammenarbeit am nötigsten ist.
Nichtsdestotrotz bietet der Europatag die Gelegenheit, nicht nur über die vergangenen Errungenschaften nachzudenken, sondern auch nach vorne zu schauen. Der Aufbau eines nachhaltigen, gerechten und integrativen Europas erfordert ein erneuertes Engagement für den sozialen Dialog – nicht als Formalität, sondern als unverzichtbares demokratisches Instrument für die Gestaltung der Zukunft.
Das Europäische Zentrum für Arbeitnehmerfragen (EZA) appelliert daher an alle Akteure, den Europatag nicht nur als historisches Gedenken zu sehen, sondern als Einladung zu einem offenen und zukunftsorientierten Dialog über die Zukunft Europas, in dessen Mittelpunkt ein starker sozialer Dialog steht.