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Gerechter Übergang und der Europäische Green Deal: welche Rolle für Arbeitnehmerorganisationen?

Vom 4. bis 6. Oktober 2023 fand in Genk / Belgien ein Seminar zum Thema „Gerechter Übergang und der Europäische Green Deal: welche Rolle für Arbeitnehmerorganisationen?“ statt, das von EUROMF in Zusammenarbeit mit dem EZA organisiert und von der Europäischen Union finanziert wurde.

An dem Seminar nahmen 36 Vertreter:innen von Arbeitnehmerorganisationen aus Belgien, Deutschland, der Ukraine, der Tschechischen Republik, Italien, Spanien und Rumänien teil.

INHALT

Im Herbst 2019 hat der Ausschuss um Ursula von der Leyen den Grünen Deal vorgestellt. Sein Ziel ist es, „die EU in eine gerechte und wohlhabende Gesellschaft mit einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft umzuwandeln, in der es im Jahr 2050 keine Nettoemissionen von Treibhausgasen gibt und in der das Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch entkoppelt ist“. Die Coronakrise hat wieder einmal aufgezeigt, dass wir eine andere Beziehung zu unserem Planeten aufbauen müssen.

Arbeitnehmerorganisationen können bei der Verwirklichung des Deals eine wichtige Rolle spielen. Es muss immer darauf geachtet werden, dass die Erreichung der Ziele mit sozialer Gerechtigkeit einhergeht. Es ist aber auch wichtig, dass sich die Arbeitnehmerorganisationen über den Inhalt und die Bedeutung dieses Themas im Klaren sind. Schließlich will sich der Grüne Deal auf den „Schutz der Gesundheit und des Wohlbefindens der Bürger vor umweltbezogenen Risiken und Auswirkungen“ konzentrieren. Zugleich muss dieser Übergang aber auch gerecht und integrativ sein. Das sind auch Kernwerte, die für die Arbeitnehmerorganisationen Vorrang haben. 

Um eine Kreislaufwirtschaft zu erreichen, werden bestimmte Arbeitsplätze verschwinden und andere neu geschaffen werden. Es ist wichtig, dass bei diesen neuen Arbeitsplätzen menschenwürdige Arbeit an erster Stelle steht. 

Anstelle eines rein theoretischen Ansatzes haben wir uns bei der Organisation dieses Seminars dazu entschieden, uns einige gute Beispiele für einen sozialen und gerechten Übergang anzuschauen. So konnten wir sehr gut zeigen, dass es auch gute Beispiele für einen nachhaltigen Übergang gibt, und dass der Übergang nicht immer auch den Verlust von Arbeitsplätzen bedeuten muss. Die ehemalige Bergbauregion Limburg eignet sich sehr gut dafür, den Seminarteilnehmer:innen aus ganz Europa zu zeigen, dass ein Übergang auch nachhaltig sein kann. Schließlich hat er in der Limburger Bergbauregion in den letzten Jahrzehnten zahlreiche neue Tätigkeiten und damit verbundene Arbeitsplätze geschaffen. 

Die wichtigsten Aspekte des Seminars waren daher die Besuche der ehemaligen Bergbaustandorte, an denen sich nun – Jahre später - ganz andere Tätigkeiten entwickelt haben. Zu sehen gab es hier die Umwandlung von 3 ehemaligen Bergbaustandorten zu: 

- einem Naturschutzgebiet und einem Nationalpark mit hohem touristischem Wert und der Schaffung damit verbundener Arbeitsplätze, genannt Nationaal Park Hoge Kempen 

- einem Ort mit vielen kulturellen Einrichtungen und Akteuren (Kulturzentrum, Kino, Hochschule für audiovisuelle Kunst und Technik usw.), genannt C-Mine 

- einem Ort namens Thor-Park, an dem viele innovative Unternehmen angesiedelt wurden, einschließlich der lokalen Arbeitsvermittlungsagenturen sowie Jobcoaches bzw. Guides

Mitglieder der lokalen Politik und andere Personen, die direkt an der Umstellung beteiligt sind, waren während des Seminars anwesend: 

- Patrick Carnotensis, ehemaliger Leiter der Abteilung für Studien der ACV-Bergleute 

- Paul Boutsen, Regisseur von Het Vervolg /COALFACE 

- Ilse Olaerts, Mitarbeiterin des Nationaal Park Hoge Kempen 

- Raf Terwingen, Bürgermeister von Maasmechelen 

- Wim Dries, Bürgermeister von Genk 

- Anniek Nagels, Ratsmitglied der Stadt Genk. 

Die Diskussionen während des Seminars konzentrierten sich stark darauf, welche Optionen es nach der Einstellung einer ehemaligen industriellen Tätigkeit gibt, welche Vision man braucht, welche Partner:innen und welche Elemente der Politik man aktivieren kann. Die Anwesenheit der lokalen politischen Entscheidungsträger:innen bot einen hohen Mehrwert. 

SEMINARERGEBNISSE 

Das Seminar wurde von den Teilnehmer:innen sehr positiv bewertet. Hier einige wichtige Ergebnisse: 

- sehr aktiv; viele Informationen und interessante Ansichten über (1) die Arbeitsphase, (2) die Umstellung und (3) die aktuelle Situation. 

- gut, um einen Überblick über den Prozess unter Beteiligung der Zivilgesellschaft und der Gewerkschaften zu erhalten 

- multisektoraler Ansatz ist gut und sorgt für eine bessere Diversifizierung bei der Schaffung von Arbeitsplätzen 

- Multi-Stakeholder-Ansatz ist wichtig

- eine großartige Gelegenheit, alle Orte zu besuchen

- bei der Erarbeitung von Umstellungsplänen müssen Natur und Kultur berücksichtigt werden

Während des Seminars wurden die folgenden Empfehlungen ausgesprochen: 

- Bei der Umstellung alter Industrie- bzw. Bergbaustandorte sind alle Partner:innen einzubeziehen: (lokale) Behörden, Arbeitgeber:innen und Gewerkschaften 

- Zieht man eine Umstellung in Betracht, sollten die Zukunft im Auge behalten werden: Neue Tätigkeiten und Technologien können in naher Zukunft ein großes Beschäftigungspotenzial bieten 

- Eine erfolgreiche Umstellung ist intensiv und hauptsächlich prozessgesteuert. Es gilt, kontinuierlich sicherzustellen, dass alle an Bord sind.