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Neue Strategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz: Strategischer Rahmen der EU für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2021-2027

Vom 7. bis 9. Dezember 2023 fand ein Seminar zum Thema „Neue Strategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz: Strategischer Rahmen der EU für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2021-2027“ statt, das von LPS „Solidarumas“ (Lietuvos Profesinė Sąjunga „Solidarumas“) in Zusammenarbeit mit dem EZA organisiert und von der Europäischen Union finanziert wurde. Am Seminar nahmen 61 Vertreter:innen von Arbeitnehmerorganisationen aus Litauen, Estland, Nordmazedonien und Lettland teil. 

Die Seminarteilnehmer:innen wurden von Kristina Krupavičienė, Präsidentin von LTU „Solidarumas“, und Jovita Pretzsch, stellvertretende Vorsitzende von LTU „Solidarumas“ und Mitglied des Verwaltungsrates des Europäischen Zentrums für Arbeitnehmerfragen (EZA), begrüßt und das Seminar damit eröffnet.

In der Eröffnungssitzung wandte sich Kristina Krupavičienė, Präsidentin von LTU „Solidarumas“, mit der Botschaft an die Teilnehmer:innen des internationalen Seminars über Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz in der Europäischen Gemeinschaft, dass „der Zweck des Seminars darin besteht, die Herausforderungen herauszuarbeiten, mit denen die einzelnen Gewerkschaften konfrontiert sind und die bei den Verhandlungen über neue Tarifverträge in Europa zur Verbesserung der Sicherheit am Arbeitsplatz im gesamten jeweiligen Land zur Sprache kommen werden.“ 

Jovita Pretzsch, Vize-Präsidentin für internationale Beziehungen und Mitglied des Verwaltungsrates des Europäischen Zentrums für Arbeitnehmerfragen (EZA), stellte kurz vor, wie die von christlichen Werten geprägte Organisation arbeitet, welche Maßnahmen sie zur Erreichung ihrer Ziele ergreift und welche Themen derzeit bearbeitet werden.

Michele Dinelli von der europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA) stellte in seinem Vortrag über den strategischen Rahmen der EU für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz fest, dass immer mehr Arbeitgeber:innen erkennen, dass Investitionen in die Sicherheit kosteneffizienter sind, als hohe Summen zahlen zu müssen, falls es zu einem Unfall oder gesundheitlichen Problemen kommt. Seiner Ansicht nach forcieren der grüne Wandel, der Boom der digitalen Prozesse und die demografischen Herausforderungen eine Überprüfung der Vorschriften in der gesamten Europäischen Union (EU).

Linas Lasiauskas, Berater der Abteilung für internationale Zusammenarbeit des litauischen Ministeriums für soziale Sicherheit und Arbeit, berichtete, dass der Verwaltungsrat der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) auf seiner 349. Sitzung im Oktober-November 2023 die globale Strategie für Sicherheit und Gesundheits-schutz am Arbeitsplatz und den dazugehörigen Aktionsplan für die Umsetzung 2024-2023 angenommen hat. Das Ziel der Strategie ist:

  1. die schrittweise Verwirklichung des Grundrechts auf ein sicheres und gesundes Arbeitsumfeld weltweit und ein Beitrag zur weltweiten Verringerung von Todesfällen, Verletzungen und Krankheiten am Arbeitsplatz sowie der damit verbundenen sozioökonomischen Kosten;

  2. die Berücksichtigung der Chancen und Herausforderungen einer sich verändernden Arbeitswelt, einschließlich der Bedrohungen durch den Klimawandel und weiterer zukünftiger Bedrohungen;

  3. eine gebührende Aufmerksamkeit für die Bedeutung der psychischen Gesund-heit am Arbeitsplatz bei der Bewältigung der Herausforderungen der Arbeitswelt.

Gewerkschaftsvertreter:innen aus Estland, Lettland und Nordmazedonien sprachen über die Situation im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz in ihren jeweiligen Ländern. Angel Panev, Vize-Präsident des mazedonischen Bundes Freier Gewerkschaften, gab Empfehlungen zur Verbesserung der Situation. Seiner Meinung nach ist es von entscheidender Bedeutung, sich auf Folgendes zu konzentrieren:

  1. Notwendiger Kompetenzaufbau und die kontinuierliche Schulung von Expert:innen für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, Arbeitgeber:innen, Arbeitnehmer:innen, Gewerkschaften, Arbeitsmediziner:innen, NRO, Behörden usw.

  2. Verbesserung der Arbeitsschutzgesetze

  3. Einrichtung eines proaktiven Systems für die kontinuierliche Überwachung, Risikoanalyse und für sofortige Maßnahmen im Bereich Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz

  4. Proaktive Bekämpfung der Korruption auf allen institutionellen Ebenen.

Nerita Šot, Koordinatorin der zentralen Kontaktstelle der europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA) in Litauen und leitende Fachkraft der litauischen staatlichen Gewerbeaufsicht, stellte die europäische Kampagne für sichere Arbeitsplätze 2023-2025 „Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz im digitalen Zeitalter“ vor. Sie erklärte, dass das Ziel der neuen Kampagne für sichere Arbeitsplätze 2023-2025 darin besteht, die Zusammenarbeit für einen sicheren und produktiven digitalen Wandel der Arbeit zu fördern. Die Kampagne zielt darauf ab, das Bewusstsein für die sichere Nutzung digitaler Technologien in allen Sektoren zu schärfen, Informationen über die mit der Digitalisierung der Arbeit verbundenen Herausforderungen im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zu verbreiten, das Bewusstsein für neu entstehende Risiken und Chancen zu schärfen, die Gefährdungsbeurteilung und das sichere Management digitaler Technologien am Arbeitsplatz zu fördern und den Austausch von Informationen und bewährten Methoden zu unterstützen.

Vesta Macė, leitende Beraterin in der Abteilung für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz der staatlichen Gewerbeaufsicht, betonte, dass die digitale Wirtschaft eine Vielzahl von Vorteilen (sowohl für Verbraucher:innen als auch für Arbeitnehmer:innen), aber auch Herausforderungen mit sich bringt. Dazu gehören der Verlust der Privatsphäre, zunehmende soziale Ungleichheiten, die Ethik der künstlichen Intelligenz, das Recht auf Abschaltung, der Schutz personenbezogener Daten, die virtuelle Sicherheit und sogar die Abhängigkeit von IT-Technologien.

Der Vortrag von Rimtautas Ramanauskas, stellvertretender Vorsitzender von LTU „Solidarumas“, konzentrierte sich auf bestimmte Paradoxien des digitalen Zeitalters. Er sagte, dass „mittlere Führungskräfte durch Algorithmen ersetzt werden, die den Arbeitnehmer:innen Aufgaben zuweisen und die Ergebnisse überwachen. Das kann zu einem Verlust der Kontrolle über die Arbeitsprozesse, einer Zerstückelung der Arbeit in sehr einfache Aufgaben, die auf eine vorgegebene Art und Weise auszuführen sind, zu einer Verengung der Aufgabenstellung und einem Ersetzen qualifizierter durch unqualifizierte Arbeitskräfte führen“. 

Alvydas Kizevičius, Direktor und Experte der Abteilung für Arbeitsrisiken der UAB „SDG“, sprach über die Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz und die Einbeziehung von Arbeitnehmer:innen. Die Gefährdungsbeurteilung ist ein Prozess, bei dem Gefahren und Risikofaktoren, die potenzielle Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsschäden und die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ermittelt werden, das Ausmaß des Risikos unter Berücksichtigung der angewandten Schutz-maßnahmen bestimmt wird und über die Annehmbarkeit des Risikos, d. h. ob das Risiko akzeptabel, tolerierbar oder inakzeptabel ist, sowie über die Anwendung von Präventivmaßnahmen entschieden wird. Die Gefährdungsbeurteilung wird in Anwesenheit der Arbeitnehmer:innen oder ihrer Vertreter:innen und der Sicherheits- und Gesundheitsschutzbeauftragten der Arbeitnehmer:innen durchgeführt. Es wurde die rhetorische Frage gestellt, wie die Arbeitnehmer:innen in die Gefährdungs-beurteilung am Arbeitsplatz einbezogen werden können.

Dr. Ramunė Guobaitė, Forscherin am litauischen Zentrum für Sozialwissenschaften, stellte die Ergebnisse einer Umfrage unter den Mitgliedern des Koordinationsrates von LTU „Solidarumas“ vor. Sie berichtete, dass die Studie noch nicht abgeschlossen ist und die Teilnehmer:innen eingeladen sind, sich weiter zu beteiligen. Sie nannte zudem mehrere Gesetze und Rechtsnormen, die den Arbeitnehmervertreter:innen bei ihrer regulären Arbeit als Orientierung dienen können, und betonte, wie wichtig es ist, dass die Gewerkschaften beim Umgang mit psychosozialen Risiken durch lokale gesetz-liche Regelungen gestärkt werden.

Schlussfolgerungen und Vorschläge:

  1. Stärkerer Fokus auf die Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz und die Einbeziehung und Beteiligung von Arbeitnehmervertreter:innen.

  2. Anstreben einer Gefährdungsbeurteilung an Remote-Arbeitsplätzen, die derzeit nicht vorgeschrieben ist.

  3. Kontinuierliche und fortlaufende Schulungen der Arbeitnehmer:innen in Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz.

  4. Die Gewerkschaften erstellen auf eigene Initiative einen Maßnahmenplan zur Beseitigung oder Verringerung von Risiken mit Hilfe der OiRA-Software der EU-OSHA.

  5. Anstreben der Ratifizierung des IAO-Übereinkommens 190 in Litauen.